Corona, Flut und Plagiate
Wie die Parteien den Wahlkampf bestreiten und wer bislang profitiert
- Vor längerer Zeit hat CDUChef Armin Laschet einer kleinen Runde seine Erkenntnisse in Sachen Wahlkampf offenbart. Die Wahl im Bund gleiche sich den Wahlen in den Ländern immer mehr an, so die These. Wirklich entschieden werde der Wettlauf ums Kanzleramt in den letzten vierzehn Tagen. Falls das stimmt, wäre noch völlig offen, wer im September ins Kanzleramt zieht – und tatsächlich, die jüngsten Umfragen machen bis zu vier Konstellationen möglich, in denen drei (mit der CSU sogar vier) Parteien die nächste Regierung bilden könnten. Sogar die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock und SPD-Finanzminister Olaf Scholz können sich demnach noch (oder wieder) Hoffnungen machen. Zeit für einen (nicht ganz ernst gemeinten) Zwischenstand.
Die Union
Laschet wollte eigentlich in Urlaub, weil: siehe oben – und dann bricht eine Flutkatastrophe über sein Bundesland herein. Das Problem: Wenn er jetzt Wahlkampf macht, würde es heißen, er profiliere sich auf Kosten der Hochwasseropfer. Wenn er aber einen Gang runterfährt und beispielsweise an diesem Dienstag gemeinsam mit SPD-Finanzminister Olaf Scholz zerstörte Dörfer und Städte in Nordrhein-Westfalen besucht, fühlt sich das gleich an wie die nächste Auflage der GroKo.
Wurde der Wahlkämpferin Merkel in der Vergangenheit öfter mal vorgeworfen, sie unternehme alles, damit ihre Gegner die eigenen Anhänger nicht mobilisieren könnten, während sie die eigene Klientel möglichst bei Laune hielt (asymetrische Demobilisierung), führt Laschet das Konzept ins Extrem. Von Plagiatsvorwürfen gegen Laschet, die am Dienstag nun auch der Österreicher Stefan Weber erhob, lassen sich allenfalls Gegner Laschets mobilisieren. Abgesehen davon sediert dieser sogar die eigenen Reihen. Kein Wunder, dass man in der CDU schon über die „symetrische Demobilisierung“des NRW-Ministerpräsidenten spottet. Das passt dem selbsternannten „Kanzler der Herzen“aus Bayern gar nicht: CSU-Chef Markus Söder warnt davor, im „Schlafwagen ins Kanzleramt“rollen zu wollen. Die Union müsse mal angreifen. Und Laschet? Wird abwarten, so viel ist klar. Die Suche nach dem besten Kandidaten läuft derweil noch, sagen zumindest die Anhänger von Friedrich Merz.
Die Grünen
Das Gleiche gilt auch für die Grünen, denn zwischendurch hat in der Partei so manch einen Zweifel überfallen, ob Annalena Baerbock wirklich die beste Wahl ist, oder ob ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck es doch besser gemacht hätte, obwohl er ein Mann ist. An diesem Dienstag jedenfalls senden die beiden nach langer Zeit mal wieder ein Zeichen der Geschlosder senheit aus. In der tiefsten brandenburgischen Provinz stellen sie in der Vereinshütte der Naturfreunde Biesenthal ihr Klimaschutz-Sofortprogramm für die neue Legislaturperiode vor. Danach: Wandern durch das Naturschutzgebiet. Turnschuhe statt Pumps, Sonnenschein statt Rampenlicht, matschiges Moor statt Hochglanz-Cover. Zurück zu den Wurzeln.
Die Grünen wollen weg von den Personaldebatten, Diskussionen um Plagiatsvorwürfe, Lebenslauf.
Stattdessen wollen sie lieber über Themen wie Klimaschutz, Kindeswohl und Mobilität auf dem Land reden. Das war lange geplant und wirkt doch ein bisschen verzweifelt. Das freche Selbstbewusstsein Baerbocks und auch ihre Frische spürt man kaum. Die Leichtigkeit des Frühlings, vorbei. Jetzt heißt es, keine Fehler, keine Experimente, mehr Kontrolle. Die Aussagen sitzen, kritische Fragen umschifft sie mit den immergleichen Sätzen. Keiner hat erwartet, dass uns die Union das Kanzleramt schenkt, sagt Baerbock etwa über ihre Probleme. Doch haben wohl die wenigsten damit gerechnet, dass die Grünen sich das Geschenk selbst aus der Hand schlagen würden.
Die AfD
Das führt unmittelbar auf die Suche nach den selbsternannten Anti-Grünen, also der AfD. Weiter auseinan
könnten die Weltbilder nicht liegen, größer der gegenseitige Abscheu nicht sein. Während die Grünen in den Umfragen Achterbahn fahren, gleicht die Reise der AfD eher einer Kahnfahrt im Spreewald. Gemeinsame Auftritte des Spitzenduos Tino Chrupalla und Alice Weidel stehen erst ab der kommenden Woche auf dem Programm, in Schwerin. Schwerpunkte? Der Kampf gegen die Impfpflicht. Eine Impfpflicht fordern zwar derzeit noch nicht mal die Grünen, aber das bedeutet nicht, dass die AfD ihre Wählerschaft nicht dagegen immunisieren möchte. Auffällig laut schweigt die erste Reihe der AfD aber, wenn es um die „Querdenker“geht. Wurde im vergangenen Jahr noch mehr oder weniger subtil mit der immer radikaler werdenden Protestbewegung geflirtet, gibt es derzeit keinerlei Verbrüderungsversuche mit deren Anführern.
Die FDP
Wer nach tatsächlichen Gewinnern der Corona-Krise sucht, wird bei der FDP fündig. Vier Jahre nach der Entscheidung, lieber nicht zu regieren, liegen die Liberalen auf Erfolgskurs. In den Umfragen jedenfalls verzeichnen sie neben den Grünen Zuwächse im Vergleich zum Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl, und in drei von den vier möglichen Koalitionen wäre die Truppe um Parteichef Christian Lindner dabei.
Lindner und Co. gelang es in den vergangenen Monaten, gegen die Corona-Politik der großen Koalition zu stänkern, ohne dabei in das Lager der Corona-Leugner abzurutschen. Die FDP präsentierte sogar einen eigenen Plan, wie man es besser machen könnte. Lindner schaut derzeit ein wenig besorgt auf die Union und Armin Laschet, mit dem er bereits in Nordrhein-Westfalen eine Koalition geschmiedet hat. Während die Liberalen ihren Zähl-Beitrag für die von Lindner erhoffte schwarz-gelbe Koalition bringen, zieht es Lascht vor, alles zu demobilisieren, was nicht von der Flut in seinem Land weggerissen wurde.
Die SPD
Ist eine eigenwillige Partei. Warum der offizielle Wahlkampfbeginn so spät erfolgt und auf den heutigen Mittwoch fällt, ist ein Rätsel. Die Genossen fragen sich, was sie denn noch machen sollen, um mal über die 15 Prozent-Hürde zu kommen. Die Antwort lautet: Warten, denn gelegentlich guckt da schon eine 16 oder 17 um die Ecke. Darüber hinaus: Volle Aufmerksamkeit auf Olaf Scholz. Der Finanzminister ist, auch weil er Vizekanzler ist, praktisch 24 Stunden auf allen Kanälen zu sehen. Inhaltlich will die SPD, was außer der AfD alle wollen: Erderwärmung stoppen, ohne die Menschen darben zu lassen. Um sich zu unterscheiden, bleibt nur der Spitzenkandidat.
Am Anfang dachten viele, Scholz würde das Volk verspotten, wenn er behauptete, Kanzler werden zu wollen. Aber dann stellte sich heraus, dass die Konkurrenz dazu neigt, Fehler oder gar nichts zu machen. Klar, ein bisschen Glück haben die Sozis schon. Etwa beim Abend mit „Brigitte“, wo sich die Interviewerin für die „blödeste Frage“ihres Lebens entschuldigen musste. Die Frage lautete, ob dem Scholz seine Frau weiterarbeiten möchte, wenn er Kanzler würde. „Würden Sie so etwas auch fragen, wenn es um einen Ehemann ginge“, war die Antwort, die besser war, als alle Wahlplakate der SPD sein werden. Was allerdings kein Kunststück ist. Was jetzt schon hängt, ist langweiliger, als Scholz je war.
Die Linken
Die Partei, die angeblich DIE LINKE ist, hat mit dem Ausgang des Wahlrennens schon jetzt nicht mehr viel zu tun. Das haben die Führungskräfte bemerkt und sind ziemlich einheitlich in den Urlaub gefahren. Zurück blieb der sehr unbekannte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler, der unter anderem ein Papier mit einem linken Klimapaket verteilte, was schlicht niemand zur Kenntnis nahm, dem Klima wegen der Papierverschwendung geschadet und die Linken auch nicht über sieben Prozent gebracht hat. Denn da liegen sie. An guten Tagen. Das Ziel Zweistelligkeit ist nicht einmal in Sicht. Eine Regierungsbeteiligung auch nicht. Von Rot-Rot-Grün, bzw. Grün-Rot-Rot redet niemand mehr, dafür aber von der Gefahr, dass die Linken aus dem Bundestag fliegen.