Wahnsinniger Warholm
Norwegischer Olympiasieger verblüfft mit unglaublicher Zeit über 400 Meter Hürden
(SID) - Karsten Warholm quollen fast die Augen raus, als er nach seinem Wahnsinns-Lauf auf die Anzeigentafel schaute. 45,94 Sekunden standen da für den Olympiasieger über 400 m Hürden aus Norwegen, Warholm zerriss sich das Trikot. Ein Weltrekord war von dem 25-Jährigen fast erwartet worden, aber 45,94 Sekunden? Niemals. Nicht diese unwirkliche Fabelzeit, ein Schock, eine Zeit, die auch Fragen aufwirft.
„Das ist so verrückt, verrückt. Das ist mit Abstand der größte Moment meines Lebens“, sagte Warholm, nachdem er seine eigene Bestmarke gleich um 76 Hundertstelsekunden verbessert hatte. Zum Vergleich: Der Chemnitzer Marvin Schlegel schaffte in Tokio 46,39 Sekunden über die 400 Meter flach – war ohne (!) Hürden im Weg also knapp eine halbe Sekunde langsamer als Warholm.
Es war klar, dass die 400 Meter Hürden ein absolutes Highlight werden würden. Aber was Warholm und Co. dann im Olympiastadion veranstalteten, war fast surreal. Auch Silbermedaillengewinner Rai Benjamin (USA) blieb in diesem ultraschnellen Rennen mit 46,17 Sekunden deutlich unter Warholms altem Weltrekord vom 1. Juli (46,70).
Bronze ging an den Brasilianer Alison Dos Santos, der mit 46,72 Sekunden schneller war als Kevin Young aus den USA bei seinem Olympiasieg 1992. Dessen 46,78 Sekunden von Barcelona hatten 29 Jahre als Weltrekord Bestand, ehe Warholm am 1. Juli 46,70 Sekunden hinlegte. Nur fünf Läufer in der Geschichte liefen Zeiten unter 47 Sekunden. Warholm knackte als erster unglaubliche 46 Sekunden. „Ich habe wie ein verdammter Wahnsinniger trainiert“, sagte Warholm: „Ich hatte letzte Nacht Mühe einzuschlafen, weil ich dieses besondere Gefühl in meiner Brust hatte. Es ist wie das Gefühl, das ich als Sechsjähriger an Heiligabend hatte. Ein Gefühl, von dem man nicht glaubt, dass man es noch einmal haben wird, wenn man älter ist. Aber ich hatte es letzte Nacht.“
Natürlich, die in Tokio verlegte Mondo-Bahn ist super hart und damit super schnell. Warholm achtet penibel auf seine Ernährung, sein Trainer Leif Olav Alnes gilt als detailversessener Nerd. Warholms Spikes sind ein Hightech-Produkt mit eingebauter Carbonplatte, die ähnlich in der Formel 1 verwendet wird. Aber: 45,94 Sekunden über 400 Meter Hürden? Kann das it rechten Dingen zugehen?
„Es war das größte Rennen in der Geschichte der Olympischen Spiele“, sagte Benjamin, der Geschlagene in diesem epischen Finale: „Ich denke, selbst Usain Bolts 9,58 Sekunden (Weltrekord über 100 Meter von der WM 2009, d. Red.) können da nicht mithalten. Drei Jungs waren schneller als der alte Weltrekord.“Fast zu schön, um wahr zu sein.
Rai Benjamin
Der Schwede Armand Duplantis ist in den Olymp geflogen. Der Weltrekordler krönte sich im Stabhochsprung zum König von Tokio. Der 21-Jährige, der nur „Mondo“gerufen wird, flog ohne Fehlversuch über 6,02 Meter und holte sich seine erste Goldmedaille. Duplantis scheiterte erst knapp, als er versuchte, seine eigene Bestmarke von 6,18 Metern um einen Zentimeter zu verbessern. Silber sicherte sich der US-Amerikaner Christopher Nilsen (5,97) vor Rio-Olympiasieger Thiago Braz aus Brasilien (5,87). Die deutschen Stabhochspringer Oleg Zernikel und Bo Kanda Lita Baehre meisterten nur die 5,70 Meter und hatten mit der Medaillenentscheidung nichts zu tun. „Es ist nicht mein Anspruch gewesen, nur ins Finale zu kommen. Ich bin in den Wettkampf gekommen, um um die Medaillen mitzuspringen. Ich wollte mich mit den Besten messen, das ist mir leider nicht gelungen, es ist natürlich enttäuschend“, sagte Baehre. Die dünne Höhenluft genießt dagegen nur Duplantis. Fast schon traumwandlerisch sicher meisterte er alle Höhen inklusive der Marke von 6,02. Dann ließ er 6,19 auflegen – im Februar 2020 hatte er sich in Glasgow mit 6,18 Metern den Weltrekord gesichert. Der erste Versuch misslang knapp, als er die Latte mit der Brust touchierte. Den zweiten Versuch brach er ab – auch der dritte klappte nicht. In diesem Jahr unterlag Duplantis nur in der Wind- und Wetterlotterie im englischen Gateshead beim Diamond-League-Meeting im Mai dem zweimaligen Weltmeister
Sam Kendricks. (dpa)
„Es war das größte Rennen in der Geschichte der Olympischen Spiele.“