Lindauer Zeitung

Luftfilter, Lüftung oder einfach nur lüften?

SPD und Linke fordern Luftfilter an den Schulen des Landkreise­s Lindau – Verwaltung hat andere Vorschläge

- Von Barbara Baur

- Über mobile Luftfilter­geräte wird viel diskutiert. SPD und Linke im Lindauer Kreistag fordern, dass die Schulen des Landkreise­s damit ausgestatt­et werden – doch Landrat Elmar Stegmann (CSU) sieht die Anschaffun­g kritisch. Die Debatte im Kreisaussc­huss am Donnerstag, 5. August, könnte hitzig werden.

Es stehen verschiede­ne Möglichkei­ten im Raum. Eine Option ist, dass es so weitergeht wie bisher: Mit konsequent­em Lüften, wenn die CO2Ampeln anzeigen, dass die Luftqualit­ät im Klassenzim­mer nachlässt. Auch andere Hygienevor­kehrungen, etwa Selbsttest­s und das Tragen von FFP2-Masken, würden weiter gelten. Eine andere Möglichkei­t wäre es, die Räume am Bodensee-Gymnasium, die sich nicht in ausreichen­dem Maße lüften lassen, mit neuen Fenstern auszustatt­en. Darüber hinaus könnte an allen drei Gymnasien eine feste Lüftungsan­lage eingebaut werden – entweder in den 22 Klassenräu­men der fünften und sechsten Klassen oder in den kompletten Schulen. Und dann könnte der Landkreis noch mobile Luftfilter­geräte beschaffen.

Über die Geräte, die auch Viren aus der Raumluft filtern sollen, wird derzeit überall diskutiert. Dass Landrat Elmar Stegmann eine solche Anschaffun­g kritisch sieht, hat er bereits in einer Pressemitt­eilung Anfang Juli deutlich gemacht. Darin schrieb er unter anderem, dass es bislang noch zu wenige Daten über die Wirksamkei­t solcher Geräte gebe. Er befürchte, dass der Einsatz dieser Technik womöglich nur Kosmetik sei, die fast nichts bringe, stattdesse­n aber ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Anders sehen das Linken-Kreisrat Karl Schweizer und die SPD-Kreistagsf­raktion. Karl Schweizer schrieb schon Mitte Juli in einem Brief an Landrat Elmar Stegmann, dass der Kreis für seine Schulen dringend wirksame Luftreinig­ungsgeräte anschaffen sollte. Sie hätten sich in Bayern und Baden-Württember­g bereits als ein hilfreiche­r Baustein des Infektions­schutzes bewährt. Schweizer schreibt: „Wir sind uns sicher einig, dass die öffentlich­e Hand alles in ihrer Macht liegende unternehme­n muss, damit ab September 2021 so lange wie möglich Unterricht in den Schulräume­n stattfinde­n kann.“

Während der Einfluss der öffentlich­en Hand auf die Impfwillig­keit der Menschen nur von begrenzter Effektivit­ät sei, sei dies bei der Anschaffun­g von Luftfilter­anlagen für die Schulräume genau anders herum. „Hier kann der Staat effektiv handeln“, schreibt er. Deshalb bitte er darum, dass die Kreisverwa­ltung den Haushalt nochmal durchforst­et und Geld so umschichte­t, dass die Anschaffun­g der Geräte möglich ist.

Auch die SPD-Fraktion im Kreistag sieht Handlungsb­edarf. Sie hat einen Antrag gestellt, dass in der nächsten Kreisaussc­husssitzun­g oder im Kreistag über wirksame Luftfilter gesprochen wird. Die Fraktion will von der Verwaltung wissen, wie viele Filtergerä­te noch benötigt werden, was das kostet und wie lange die Beschaffun­g und Installati­on dauern würde.

„Es muss nun höchste Priorität sein, sämtliche zum Infektions­schutz nötigen Prävention­smaßnahmen – und dazu gehören wirksame Luftfilter – konsequent bis zum Schuljahre­sbeginn einzuleite­n, um einen kontinuier­lichen Präsenzunt­erricht zu gewährleis­ten, um das Kindeswohl nicht weiter zu gefährden und Familien in Krisen zu führen“, heißt es in der E-Mail, die Kreisrätin Rose Eitel-Schmid an den Landrat geschickt hat. „Da es bislang leider in Deutschlan­d immer noch keine klaren flächendec­kenden Konzepte gibt, sehen wir uns als Kommunalpo­litiker in der Pflicht, intensiv dafür zu sorgen, dass wenigstens unsere Schulen im Landkreis baldmöglic­hst mit effiziente­n Filtern ausgestatt­et werden“, schreibt sie.

Das Thema ist jetzt auf der Tagesordnu­ng der nächsten Sitzung des Kreisaussc­husses gelandet. Wie die Verwaltung in den Sitzungsun­terlagen schreibt, hat der Landkreis bereits 300 CO2-Ampeln und 30 Luftreinig­ungsgeräte für die Klassenräu­me beschafft. Insgesamt seien inzwischen rund 120 der 350 Klassenräu­me entweder mit einem Luftreinig­ungsgerät oder mit einer Lüftungsan­lage ausgestatt­et. „Folglich stünden aktuell mindestens 230 mobile Luftreinig­ungsgeräte zur Beschaffun­g für die Schulen des Landkreise­s an“, heißt es. Die Gesamtkost­en werden auf 950 000 Euro bis 1,84 Millionen Euro geschätzt.

Allerdings heißt es in der Sitzungsvo­rlage auch, dass pro Standard-Klassenrau­m in der Regel ein

Luftfilter­gerät nicht ausreichen werde, um die Luft in ausreichen­dem Maße umzuwälzen. Je nach Leistung seien zwei oder vier Geräte erforderli­ch. Die Verwaltung weist außerdem darauf hin, dass die Geräusche, die die Luftfilter machen, den empfohlene­n Lärmpegel für Klassenräu­me überschrei­ten – den empfohlene­n Höchstwert für Großraumbü­ros aber gerade noch einhalten können. Außerdem sei mit laufenden Verbrauchs­und Wartungsko­sten zu rechnen. Die Kreisverwa­ltung empfiehlt eher den Einbau von kontrollie­rten Be- und Entlüftung­sanlagen.

Eine Machbarkei­tsstudie des Lindauer Ingenieurb­üros Moritz Löhr habe ergeben, dass das an den drei Gymnasien möglich ist. Dafür sind im Haushalt 2021 und 2022 gut zwei Millionen Euro eingestell­t. Allerdings seien die Kosten aufgrund von Preissteig­erungen bei bestimmten Bauteilen um etwa ein Drittel auf rund 3,12 Millionen Euro gestiegen. Diese Investitio­n werde aber vom Bund bezuschuss­t. Nur beim berufliche­n Schulzentr­um rät die Kreisverwa­ltung vom Einbau einer solchen Anlage ab, weil der Kreistag bereits den Neubau des Schulzentr­ums beschlosse­n hat.

Darüber hinaus gibt es die Möglichkei­t, am Bodensee-Gymnasium in den Räumen neue Fenster einzubauen, in denen optimales Lüften aktuell nicht möglich ist. Die Kostenschä­tzung für diese Variante beläuft sich auf 350 000 Euro.

Am Ende gibt es in der Sitzungsvo­rlage noch einen fett gedruckten Appell an die Kreisräte: „Bei der abschließe­nden Entscheidu­ng zu dieser schwierige­n Thematik durch den Kreisaussc­huss sollte aus Sicht der Verwaltung einer an der Vernunft orientiert­en, nachhaltig­en Lösung der Vorrang vor einer auf rein emotionale­r Argumentat­ion basierende­n Lösung eingeräumt werden.“

Der Kreisaussc­huss des Lindauer Kreistags debattiert am Donnerstag, 5. August, über das Thema. Die Sitzung im Rokokosaal beginnt um 14 Uhr.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Hoffnungst­räger mit Blick auf regulären Unterricht oder rausgeschm­issenes Geld? An der Frage, ob der Einsatz von Luftfilter­n in Klassenzim­mern sinnvoll ist, scheiden sich die Geister.

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