Die Pest des Obstbaus
Feuerbrandbefall ist unter Lindauer Landwirten gefürchtet – Was dahinter steckt
- Das Amt für Landwirtschaft warnt für das Stadtgebiet Lindau mal wieder vor dem Feuerbrandbefall von Obstbäumen. Was hinter dem Krankheitsbild steckt, wegen dem ganze Plantagen gerodet werden müssen.
„Da graut es mir heute noch“, sagt der Lindauer Obstbauer Martin Nüberlin, als er vom Feuerbrandbefall bei seinen Obstbäumen vor rund neun Jahren erzählt. Es sei ein recht warmer Frühling gewesen, perfekte Bedingungen für den Feuerbranderreger, der Nüberlins Apfelblüten befiel. Ein Hektar seiner Plantage sei betroffen gewesen – von 3500 Bäumen hat er damals 1300 komplett verbrennen müssen. „Und das trotz der gewaltigen Arbeit, die wir uns vorher gemacht haben. Wir sind stundenlang durch die Plantagen gegangen und haben die befallenen Stellen abgerissen. Als wir hinten angekommen waren, konnten wir aber direkt vorne nochmal anfangen.“
Schorf, Mehltau oder Mäuse würden einem Landwirt schon richtig zu schaffen machen, aber der Feuerbrand sei nochmal etwas anderes. „Man sieht es ganz lange nicht und wenn er da ist, kann er ganz verrückt auftreten“, erklärt Nüberlin. Lindau sei dabei besonders gefährdet, wegen der milden Temperaturen. Die Krankheit, die durch ein Bakterium ausgelöst wird, sei so etwas wie die Pest der Obstbauern, sagt Nüberlin.
In dieser Woche hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg wieder einmal vor dieser Pest gewarnt – obwohl es derzeit gar keinen besorgniserregenden Befall im Raum Lindau gibt. Es gehe vor allem darum, dass ihr nichts durch die Lappen gehe, erklärt Karin Wudler die Warnung. Sie ist in bayerisch Schwaben für Pflanzenschutz im Obstbau zuständig und passt auf, dass Landwirte nicht nachlässig werden mit ihren Kontrollen auf Feuerbrand. Denn selbst wenn es nicht schwerwiegend auftritt, „das Bakterium ist da und lauert auf gute Bedingungen“, so Wudler.
Nicht nur im Frühling schlage der Erreger gerne zu, auch jetzt habe er guten Bedingungen. Denn nach dem Sturm und dem Hagel haben die Pflanzen Bruchstellen, die das Bakterium nutzt, um in die Pflanze zu gelangen. „Sehr empfindlich ist außerdem die Blüte im Frühling, wenn die Bakterien da eindringen ist das wie eine offene Pforte in die Pflanze“, berichtet Wudler. Besonders warme Frühlingstage während der Kernobstblüte seien daher eine Gefahr. Auch in Lindau hätten Landwirte seit dem ersten Auftreten 1989 und dem letzten starken Befall 2012 ihre Plantagen komplett roden müssen, berichtet Wudler. Bei einem Befall verfärben sich die Blüten und Blätter schwarz. Dann befällt die Krankheit die ganze Pflanze: Triebe und Blütenbüschel verfärben sich und hängen schlaff herunter. „Deswegen heißt die Krankheit auch Feuerbrand, weil alles aussieht, als sei es versengt“, sagt Wudler. Äpfel seien weniger gefährdet als Birnen und Quitten, denn bei diesen Pflanzen hätten die Landwirte weniger Möglichkeiten, die betroffenen Stellen abzuschneiden, um die Krankheit aufzuhalten. Denn genau das ist das einzige Gegenmittel bei einem Befall: Die betroffenen Stellen sofort entfernen, sonst weitet sich das Bakterium in der ganzen Pflanze aus und tötet diese komplett ab. Wenn bereits ein Großteil der Pflanze betroffen ist, bleibt nur noch roden und verbrennen, so Wudler. Präventiv könne man auch Spritzen, obwohl das bei Bakterien eigentlich unüblich sei, sagt Wudler. Gegen den Feuerbrand gebe es nur ein zugelassenes Mittel, das auf einem Hefepilz basiert. Das funktioniert laut Wudler wie folgt: Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schickt Warnungen raus, bevor die Infektionsbedingungen besonders gefährlich sind. Rund einen Tag vor diesen gefährlichen Bedingungen sollte der Landwirt das Mittel spritzen. Der Hefepilz legt sich dann so auf die Pflanze, dass der Feuerbranderreger keinen Platz mehr findet sich niederzulassen.
Martin Nüberlin winkt ab. Er spritzt keinen Hefepilz, aus verschiedenen Gründen. Zum einen müsste er das Mittel jedes Mal neu austragen, was Zeit und Geld kostet. „Außerdem ist der Wirkungsgrad nicht besonders gut.“Als dritten Grund nennt er den Imageverlust. „Nicht Beteiligte könnten sagen, der spinnt, der spritzt ja schon wieder. Die Leute denken beim Spritzen immer gleich, das ist giftig.“
Nüberlin geht einen anderen Weg gegen die Pest: Er halte zu jeder Zeit die Augen nach einem möglichen Befall offen und springe sofort vom Traktor, wenn er etwas erkennt. Dabei sei es besonders wichtig, die abgerissenen Pflanzenteile in Säcken zu entsorgen, ansonsten könnten Bienen und Insekten das Bakterium weiter übertragen. Seit dem Befall seiner Pflanzen vor mehreren Jahren könne er im Frühling kaum noch entspannen. „Wir können halt auch nicht alles sehen.“Obwohl es in der Region seit mehreren Jahren keinen größeren Befall gegeben hat: Sicher vor der Pest fühlt sich Nüberlin nicht.
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