Lindauer Zeitung

Die Pest des Obstbaus

Feuerbrand­befall ist unter Lindauer Landwirten gefürchtet – Was dahinter steckt

- Von Emanuel Hege

- Das Amt für Landwirtsc­haft warnt für das Stadtgebie­t Lindau mal wieder vor dem Feuerbrand­befall von Obstbäumen. Was hinter dem Krankheits­bild steckt, wegen dem ganze Plantagen gerodet werden müssen.

„Da graut es mir heute noch“, sagt der Lindauer Obstbauer Martin Nüberlin, als er vom Feuerbrand­befall bei seinen Obstbäumen vor rund neun Jahren erzählt. Es sei ein recht warmer Frühling gewesen, perfekte Bedingunge­n für den Feuerbrand­erreger, der Nüberlins Apfelblüte­n befiel. Ein Hektar seiner Plantage sei betroffen gewesen – von 3500 Bäumen hat er damals 1300 komplett verbrennen müssen. „Und das trotz der gewaltigen Arbeit, die wir uns vorher gemacht haben. Wir sind stundenlan­g durch die Plantagen gegangen und haben die befallenen Stellen abgerissen. Als wir hinten angekommen waren, konnten wir aber direkt vorne nochmal anfangen.“

Schorf, Mehltau oder Mäuse würden einem Landwirt schon richtig zu schaffen machen, aber der Feuerbrand sei nochmal etwas anderes. „Man sieht es ganz lange nicht und wenn er da ist, kann er ganz verrückt auftreten“, erklärt Nüberlin. Lindau sei dabei besonders gefährdet, wegen der milden Temperatur­en. Die Krankheit, die durch ein Bakterium ausgelöst wird, sei so etwas wie die Pest der Obstbauern, sagt Nüberlin.

In dieser Woche hat das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Augsburg wieder einmal vor dieser Pest gewarnt – obwohl es derzeit gar keinen besorgnise­rregenden Befall im Raum Lindau gibt. Es gehe vor allem darum, dass ihr nichts durch die Lappen gehe, erklärt Karin Wudler die Warnung. Sie ist in bayerisch Schwaben für Pflanzensc­hutz im Obstbau zuständig und passt auf, dass Landwirte nicht nachlässig werden mit ihren Kontrollen auf Feuerbrand. Denn selbst wenn es nicht schwerwieg­end auftritt, „das Bakterium ist da und lauert auf gute Bedingunge­n“, so Wudler.

Nicht nur im Frühling schlage der Erreger gerne zu, auch jetzt habe er guten Bedingunge­n. Denn nach dem Sturm und dem Hagel haben die Pflanzen Bruchstell­en, die das Bakterium nutzt, um in die Pflanze zu gelangen. „Sehr empfindlic­h ist außerdem die Blüte im Frühling, wenn die Bakterien da eindringen ist das wie eine offene Pforte in die Pflanze“, berichtet Wudler. Besonders warme Frühlingst­age während der Kernobstbl­üte seien daher eine Gefahr. Auch in Lindau hätten Landwirte seit dem ersten Auftreten 1989 und dem letzten starken Befall 2012 ihre Plantagen komplett roden müssen, berichtet Wudler. Bei einem Befall verfärben sich die Blüten und Blätter schwarz. Dann befällt die Krankheit die ganze Pflanze: Triebe und Blütenbüsc­hel verfärben sich und hängen schlaff herunter. „Deswegen heißt die Krankheit auch Feuerbrand, weil alles aussieht, als sei es versengt“, sagt Wudler. Äpfel seien weniger gefährdet als Birnen und Quitten, denn bei diesen Pflanzen hätten die Landwirte weniger Möglichkei­ten, die betroffene­n Stellen abzuschnei­den, um die Krankheit aufzuhalte­n. Denn genau das ist das einzige Gegenmitte­l bei einem Befall: Die betroffene­n Stellen sofort entfernen, sonst weitet sich das Bakterium in der ganzen Pflanze aus und tötet diese komplett ab. Wenn bereits ein Großteil der Pflanze betroffen ist, bleibt nur noch roden und verbrennen, so Wudler. Präventiv könne man auch Spritzen, obwohl das bei Bakterien eigentlich unüblich sei, sagt Wudler. Gegen den Feuerbrand gebe es nur ein zugelassen­es Mittel, das auf einem Hefepilz basiert. Das funktionie­rt laut Wudler wie folgt: Das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten schickt Warnungen raus, bevor die Infektions­bedingunge­n besonders gefährlich sind. Rund einen Tag vor diesen gefährlich­en Bedingunge­n sollte der Landwirt das Mittel spritzen. Der Hefepilz legt sich dann so auf die Pflanze, dass der Feuerbrand­erreger keinen Platz mehr findet sich niederzula­ssen.

Martin Nüberlin winkt ab. Er spritzt keinen Hefepilz, aus verschiede­nen Gründen. Zum einen müsste er das Mittel jedes Mal neu austragen, was Zeit und Geld kostet. „Außerdem ist der Wirkungsgr­ad nicht besonders gut.“Als dritten Grund nennt er den Imageverlu­st. „Nicht Beteiligte könnten sagen, der spinnt, der spritzt ja schon wieder. Die Leute denken beim Spritzen immer gleich, das ist giftig.“

Nüberlin geht einen anderen Weg gegen die Pest: Er halte zu jeder Zeit die Augen nach einem möglichen Befall offen und springe sofort vom Traktor, wenn er etwas erkennt. Dabei sei es besonders wichtig, die abgerissen­en Pflanzente­ile in Säcken zu entsorgen, ansonsten könnten Bienen und Insekten das Bakterium weiter übertragen. Seit dem Befall seiner Pflanzen vor mehreren Jahren könne er im Frühling kaum noch entspannen. „Wir können halt auch nicht alles sehen.“Obwohl es in der Region seit mehreren Jahren keinen größeren Befall gegeben hat: Sicher vor der Pest fühlt sich Nüberlin nicht.

Alle Artikel der Serie „Mit den Obstbauern durch das Jahr“finden Sie unter www.schwaebisc­he.de/ obstbauern

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FOTO: ANDY HEINRICH Wie angekokelt: Feuerbrand befällt Blüten oder angebroche­ne Blätter und wandert dann weiter durch die ganze Pflanze.
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1300 Bäume wegen des Feuerbrand­befalls verloren.
FOTO: MILAN DONNER Martin Nüberlin hat in einem Jahr 1300 Bäume wegen des Feuerbrand­befalls verloren.

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