Vom Wert der Arbeit
Minister Hubertus Heil bekommt in Lindenberg den Sozialistenhut des SPD-Kreisverbandes
- Der schwarze Hut passt dem roten Minister. Im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Hubertus Heil hat am Freitagabend im Lindenberger Löwensaal den Sozialistenhut des SPD-Kreisverbandes Lindau erhalten. Der Minister für Arbeit und Soziales versteht die Auszeichnung als „eine große Ehrung und Verantwortung.“
Für Hubertus Heil ist es ein Heimspiel: Die meisten der 90 Besucher im Löwen-Saal begrüßen ihn mit starkem Beifall. Der Minister, hellblaues Hemd, schwarzer Anzug, begrüßt ein paar Genossen persönlich. Schnell wird klar: der 48-Jährige genießt in den eigenen Reihen hohes Ansehen. Im Löwen-Saal wird auch deutlich, warum das so ist: Bodenständig präsentiert sich der stellvertretende SPD-Vorsitzende, humorvoll, authentisch. In seiner Rede trifft er den richtigen Ton. Es geht darin vor allem um Dinge, die die SPD groß gemacht haben: den Wert der Arbeit, Solidarität, die Würde des Menschen.
Heil verweist auf die Herkunft des Hutes. Zur Zeit Bismarcks diente die breitkrempige Kopfbedeckung als Erkennungszeichen der Sozialisten. Der erste Reichskanzler wollte sie mit aller Macht unterdrücken. Heil versteht das als Verpflichtung. Der Hut müsse daran erinnern, „in welcher Tradition wir Politik machen. Für die Freiheit aller Menschen, für Gerechtigkeit und Solidarität“, sagt der 48-Jährige. Dafür hätten die Menschen vor 140 Jahren ihre Freiheit riskiert. Das müsse Anspruch sein, „als Sozialdemokrat nicht herumzujammern.“Die Gründungsväter der SPD und ihre Ahnen hatten sich für die Demokratie in Deutschland eingesetzt und dafür, „dass die Arbeiter nicht am Rande stehen“(Heil). Das sieht der Minister angesichts der technischen Entwicklung auch als Auftrag für die nächsten zehn, 15 Jahre. Die Politik müsse darauf achten, „dass es nicht ein Fortschritt für wenige, sondern für viele wird.“
Deshalb will Heil die Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickeln. Und er will Bildungszeit ermöglichen. Die hält er für genauso wichtig wie die Elternzeit.„Es geht“, sagt der Minister, „auch um das Recht, einen neuen Beruf zu erlernen, wenn einer 55 ist“. In dem Zusammenhang verweist Heil auf den Wert der Arbeit. Die sei nicht alles im Leben, „aber mehr als Broterwerb“. Heil: „Arbeit ist wichtig, Arbeit
hat Wert, Arbeit hat Würde.“Darüber will er mit den Menschen diskutieren. Im Wahlkampf dominieren allerdings andere Themen, „Nebensächliches“, wie es der 48-Jährige empfindet. Heil: „Wir reden über Fußnoten, wir sehen die Grimassen von Laschet. All das ist nicht wichtig für die Zukunft der Menschen in Deutschland“.
Ein Tarifvertrag für alle Pflegekräfte gehört zu den Dingen, die Heil konkret fordert. Der Beifall, den die Beschäftigten im Lockdown erhalten haben, sei eine nette Geste. „Aber bei vielen hallt es nach, wenn es nicht zu besseren Bedingungen kommt“. Und er fordert die Besucher auf, sich impfen zu lassen. „Solidarität mit Ärzten, Pflegern und Kindern unter zwölf Jahren“. Der Minister wirbt für die Idee einer „Gesellschaft des Respekts“, wie sie der SPD-Kanzlerkandidat
Olaf Scholz propagiert. Dazu gehören für Heil eine faire Bezahlung und Dinge wie die Grundrente. Er schildert die Begegnung mit einer Frau, die nach 46 Jahren Arbeit ohne einen Krankheitstag 846 Euro Rente beziehen sollte. Mit Grundrente seien es immerhin 200 Euro mehr. „Bei den Summen, um die es aktuell geht, fragt man sich: hatten die nichts für Leute übrig, die ihr Lebtag gearbeitet haben?“, sagt Heil mit Blick auf die Widerstände bei dem Thema.
Mit Kritik an anderen Parteien hält sich Heil zurück. Er bricht aber eine Lanze für die Direktkandidaten der SPD im Allgäu, Regina Leenders und Martin Holderied. CSU-Mann Gerd Müller sei ein anständiger Typ, nur in der falschen Partei. Wenn er aufhöre, so Heil, „gibt es keinen Grund mehr, im Allgäu CSU zu wählen“.