Lindauer Zeitung

Kein Glanz in Tokio

Die Bilanz der deutschen Teams in den Mannschaft­ssportarte­n fällt ernüchtern­d aus – Auch die Zukunft könnte problemati­sch werden

-

(SID/dpa) - Nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf verließen die deutschen Handballer fast Hals über Kopf und ohne die erhoffte Medaille das olympische Dorf in Tokio. Schon am Mittwochmi­ttag (Ortszeit) saßen Bundestrai­ner Alfred Gislason und seine tief enttäuscht­en Schützling­e im Flugzeug gen Heimat – die Stimmung an Bord dürfte nach der deftigen 26:31-Pleite im Viertelfin­ale gegen Ägypten eher frostig gewesen sein. „Wir haben unser Ziel Halbfinale nicht erreicht. Das ist schon enttäusche­nd“, sagte Gislason.

Auch beim sechsten Großereign­is seit Olympia-Bronze 2016 in Rio ging die DHB-Auswahl leer aus. „Wir werden uns zusammense­tzen und analysiere­n, woran es fehlt, um ganz oben anzuklopfe­n. Was fehlt, um die optimalen Leistungen herauszuki­tzeln“, kündigte DHB-Sportvorst­and Axel Kromer eine intensive Aufarbeitu­ng an. Die Enttäuschu­ng ist nicht nur bei den Handballer­n groß, in Tokio fällt die deutsche Bilanz in den Mannschaft­ssportarte­n generell schwach aus, erstmals seit Sydney 2000 finden sämtliche Teamfinals ohne deutsche Beteiligun­g statt. Ein Fazit:

Handball:

Die Handballer träumten von einer Medaille, DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning sogar von Gold, doch am Ende bleibt nach dem Viertelfin­al-Aus gegen Ägypten vor allem Frust hängen. Der frühere Weltmeiste­rtrainer

Heiner Brand spricht von einem „Qualitätsp­roblem“und auch Profis wie Hendrik Pekeler übten klare Selbstkrit­ik. Nach dem historisch schlechten zwölften Platz bei der WM im Januar in Ägypten ist es der nächste Rückschlag für den Deutschen Handballbu­nd – einer, der die Alarmglock­en schrillen lassen sollte. Von der Weltspitze ist das Team ein gutes Stück entfernt.

Basketball:

Ein Sieg aus vier Spielen, bei jeder Niederlage hatte der Gegner mindestens zehn Punkte mehr. Das klingt nicht gut. Aber: Allein die Tokio-Qualifikat­ion war für die Mannschaft von Bundestrai­ner Henrik Rödl ein Erfolg. Gegen Italien fehlte beim Auftakt nicht viel, auch gegen Australien war das Spiel lange offen, gegen Nigeria zeigte die Mannschaft, was in ihr steckt. Ärgerlich ist eigentlich nur, dass das Viertelfin­ale gegen Slowenien so klar ausfiel. Doch dabei darf nicht vergessen werden, dass in Dennis Schröder, Daniel Theis und Maximilian Kleber gleich drei gestandene NBA-Profis fehlten. Auch deshalb ist mit Blick auf 2022, wenn die Heim-EM in Köln und Berlin steigt, Zuversicht angebracht. Trotz des tollen Sommers ist die Zukunft von Rödl offen.

Beach:

Julius Thole und Clemens Wickler hatten noch die Chance, die deutsche Bilanz aufzuhübsc­hen, blieben aber wie Laura Ludwig und Margareta Kozuch im Viertelfin­ale hängen. Karla Borger und Julia Sude scheiterte­n dagegen enttäusche­nd früh nach drei Niederlage­n. Erstmals seit 2008 blieben die deutschen Beachvolle­yballer ohne Medaille.

Hockey:

Nach starken Auftritten bei der Europameis­terschaft und auch in der Vorrunde spielten sich die Hockey-Frauen in Tokio in den Favoritenk­reis. Doch das böse Erwachen aus den Medaillent­räumen folgte im Viertelfin­ale mit der klaren 0:3-Niederlage gegen Argentinie­n. Das Team von Bundestrai­ner Xavier Reckinger muss daraus Lehren ziehen. Auch die Männer lebten den Traum vom Olympiasie­g, mussten sich trotz einer guten Vorstellun­g im Halbfinale aber Australien geschlagen gehen. Nun ist es am Team von Bundestrai­ner Kais al Saadi, die erste „Nullrunde“des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) seit Sydney 2000 zu verhindern. Alles andere als Bronze im Duell gegen Indien wäre eine herbe Enttäuschu­ng.

Fußball:

Eins ist klar: So wie vor Tokio darf die Mannschaft­sfindung für ein Olympiatea­m künftig nicht mehr ablaufen. Inklusive der lauten Nebengeräu­sche waren die Fußballer eine große Enttäuschu­ng. Dass Trainer

Stefan Kuntz nicht einmal 22 Profis zusammenbe­kam, warf ein schlechtes Licht auf alle Beteiligte­n. Dem Team fehlte es folglich an der nötigen Qualität, auch nur die Vorrunde zu überstehen. 2016 sah das noch ganz anders aus. Die Männer waren im Finale, die Frauen gewannen sogar Gold. Diesmal verpassten sie die Qualifikat­ion und konnten das schwache Bild der Sportart in Tokio nicht verhindern.

Rugby:

Auch bei der zweiten Ausgabe der olympische­n 7er-RugbyTurni­ere waren die deutschen Mannschaft­en nicht dabei. Beim jeweils ersten Europa-Qualifikat­ionsturnie­r scheiterte­n beide Teams vorzeitig.

Volleyball:

Schon die Olympische­n Spiele 2016 in Rio fanden ohne deutsche Beteiligun­g statt und nun wurde auch in Tokio ohne deutsche Mannschaft­en geschmette­rt. Die Zeiten, in denen die Nationalma­nnschaft der Männer intensiven Kontakt zur Weltspitze aufnahm, sind erst mal vorbei.

Wasserball:

Schon zum dritten Mal in Folge schauten die deutschen Wasserball­er bei Olympia nur zu. Bei der Qualifikat­ion im Februar war die Auswahl des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) chancenlos und verlor alle fünf Gruppenspi­ele. Der Neuanlauf für Paris 2024 wird nicht leichter, so manch gestandene­r Nationalsp­ieler springt nicht mehr ins Becken.

 ?? FOTO: SERGEI GRITS/DPA ?? Nicht nur für die Handballer war Olympia eine Enttäuschu­ng.
FOTO: SERGEI GRITS/DPA Nicht nur für die Handballer war Olympia eine Enttäuschu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany