Anfangs Querulanten, jetzt wichtige Vorkämpfer
Der Bund Naturschutz in Lindau blickt auf 50 Jahre Kampf für den Umweltschutz zurück
- Vor 50 Jahren trafen sich ein Biologe, ein Polizist und ein Betriebsrat in einer Bar. Was dabei rauskam, war aber nicht etwa ein klassischer Witz, sondern die Lindauer Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN). Ihren Anfang nahm die Gruppe allerdings nicht in Lindau, sondern in Lindenberg, wie der letzte Überlebende der drei Gründer, Biologe Wolfgang Dietlein, betont. In den fünf Jahrzehnten Vereinsgeschichte hat sich dabei viel getan.
Mit dem Waldseegebiet in Lindenberg hat alles angefangen. Das war am 7. Juli 1971. Das Ziel war zunächst, für den Schutz der Lindenberger Moore einzutreten. Schon der erste Kampf dauerte lang und zeigt, wie viel Durchhaltevermögen Umweltschützer damals wie heute brauchen. Erst nach 17 Jahren wurde das Waldseegebiet zum Landschaftsschutzgebiet ernannt. Nach seiner Gründung hat der BN Lindau sich immer wieder im Sinne der Natur eingemischt. Einige umweltschädliche Projekte konnten unter Mitwirkung des BN verhindert werden. Dazu gehört der Bau der A 98 quer durch das Allgäu oder die Bebauung am Wäsen im Landschaftsschutzgebiet am Bodenseeufer.
Noch immer vermisst der Verein seinen ehemaligen Vorsitzenden Erich Jörg, der die Arbeit der Kreisgruppe über 30 Jahre lang prägte. Er ist im Dezember 2019 plötzlich verstorben. „Dass er heute nicht mehr dabei sein kann, betrübt uns sehr. Er hat sich schon im Sommer 2019 mit Planungen für eine große Geburtstagsfeier beschäftigt und sich sehr darauf gefreut“, so Schuff. Auch die große Feier bleibt in diesem Jahr eher klein. Die noch immer geltenden Kontaktbeschränkungen machen es nötig. Trotzdem wurde die Kreisgruppe auf einer kleinen Feier am Gartenschau-Pavillon geehrt.
Vor 50 Jahren war Umweltschutz oft noch ein Nischenthema, selbst die Partei der Grünen entstand erst einige Jahre später. Der Landesvorsitzende
des BN, Richard Mergner, erinnerte bei der Feier daran, dass der Umweltschutzverein gerade in der Anfangsphase oft verlacht oder bekämpft worden ist, gerade wenn es um Großprojekte ging, wie 1992 gegen die Müllverbrennungsanlagen in der Region. Aber seitdem hat sich viel auf dem Gebiet des Umweltschutzes bewegt.
Der BN Lindau hat dabei stets vor Ort seine Prioriäten gesetzt und sich an vielen Stellen im Landkreis Lindau engagiert. Einer der neuesten Erfolge der Gruppe ist dabei die Ausweisung des ersten und einzigen Naturwaldreservats im Landkreis Lindau: in der Rohrachschlucht. Das wichtigste Thema ist natürlich inzwischen ein globaler Faktor, der die Menschheit als Ganzes bedroht: Der Klimawandel. „Man kann über Greta sagen, was man will“, sagt Dietlein, „aber sie hat das Thema und die wissenschaftliche Realität bekannt gemacht. Heute wissen alle, dass man an dem Klimawandel nicht mehr vorbeikommt.“
Keine Partei könne es sich mehr erlauben, ohne das Thema Biologie und Umwelt auszukommen. „Manche wollen nun sogar grüner sein als die Grünen. Aber die große Frage ist ja: Wie gestalten die das? Greifen die Maßnahmen auch?“Auch wenn Richard Mergner in seiner Rede davon sprach, dass der BN in der Politik und Wirtschaft anfangs – oder gar noch immer – als Verein von Querulanten wahrgenommen wird, hat Dietlein selbst das nie so empfunden. Für ihn war das Verhältnis zur Politik stets von gegenseitigem Respekt geprägt. Auch wenn der BN oft und auch gerne unbequem war.
Für den BN ist die Aufgabe klar: Die Umwelt selbst hat keine Stimme, keine Möglichkeit zu klagen, keine Möglichkeit sich zu wehren. Diese Aufgabe übernimmt der Bund Naturschutz. Auch dann, wenn sich scheinbar alle anderen bereits einig sind. Dazu gehöre auch ein ständiger Reibungsprozess, eine Diskussion, die stattfinden muss. Auch mit anderen Natur- und Klimaschutzgruppen ist der BN gut vernetzt, versucht oft auch, das Bindeglied zwischen Bevölkerung und Politik zu sein – wie bei der Verschärfung des Baumschutzes im Stadtgebiet.
Eine Überraschung für den BN Lindau war, wie sehr der Pavillon auf der Lindauer Gartenschau die Mitglieder
motiviert. Zur dessen Betreuung haben viele Mitglieder beschlossen, sich stärker zu engagieren. Fast 30 neue Aktive zählt das Projekt, wie Gebietsbetreuerin Isolde Miller erzählt. Einer von ihnen ist Harry Wahler. Zusammen mit seiner Frau Gisela hat er sich entschlossen, sich auf der Gartenschau zu engagieren. Für ihn ist sein Engagement auch eine Möglichkeit, etwas Konkretes tun zu können im Kampf für die Umwelt und gegen den Klimawandel. Besonders das Interesse von Schülerinnen und Schülern und anderen jungen Menschen macht ihm Mut: „Ich find das toll. Gerade die Kinder sind sehr interessiert. Manche stellen so tiefgründige Fragen, dass man richtig ins Nachdenken kommt: „Wie erkläre ich das jetzt?“
Eine der Jüngsten in der Runde ist Freya Zeller aus Lindau. Sie macht ihren Bundesfreiwilligendienst beim BN und hilft nicht nur in der Geschäftsstelle mit, sondern ist auch bei Exkursionen und Kartierungen dabei – oder eben wie hier auf der Gartenschau. Dabei war aber nicht nur der Umstand, dass die Geschäftstelle direkt in der Nähe ihres Hauses liegt, entscheidend. Denn obwohl es gerade für junge Menschen inzwischen viele Gruppen gibt, die sich für Umwelt- und Klimaschutz engagieren, hat sie sich für den BN entschieden. „Fridays for Future orientiert sich global und das ist mir auch unheimlich wichtig. Aber beim BN kann ich mich lokal engagieren und erlebe direkter mit, was wir gemeinsam erreichen.“
Dass auch junge Menschen sich immer wieder für den BN entscheiden, macht auch Dietlein und Miller froh. „Junge Leute zu aktivieren ist wichtig, denn wer will denn immer nur mit uns Silbergrauen da unterwegs sein?“, sagt Miller lachend. Was den Aktiven gut tut, ist, dass in der Bevölkerung das Bewusstsein für Umweltschutz inzwischen sehr präsent ist. „Wenn ich heute hier sitze und sehe, wie weit wir gekommen sind, dann hat sich das alles sehr gelohnt“, sagt Dietlein.
Auch aus den drei Mitgliedern sind heute knapp 2000 geworden. Denn selbst nach 50 Jahren Geschichte steht dem BN auch in Lindau angesichts der sich zuspitzenden Klimakatastrophe die größte Herausforderung erst wohl noch bevor.