Vom Homeoffice-Sessel zum Drei-Länder-Marathon
Ein Journalist der Lindauer Zeitung macht sich auf den Weg raus aus der Komfortzone
- Wahrscheinlich geht es vielen Menschen aktuell so wie mir: Nach mehr als einem Jahr Pandemie sieht es mit der Fitness echt nicht mehr so gut aus. Eine Corona-Infektion konnte ich vermeiden, dafür ist mir aber ein nicht mehr zu leugnendes Bäuchlein gewachsen. An die Zeit, in der ich noch fit war, erinnere ich mich aber immerhin noch. Es ist einen 750 Kilometer-Umzug, mehrere Monate Homeoffice und eine komplette Pandemie her. Nun aber habe ich mir in den Kopf gesetzt, ausgerechnet am Drei-Länder-Marathon teilzunehmen – naja zumindest an einem Teil davon.
Sonderlich gut in Schuss bin ich aktuell nicht. Die meisten Sportarten, die ich gerne mache, waren über Nacht unmöglich. Auch meine Trainingshalle von den Ulmer Schwabenfedern habe ich das letzte Mal vor Monaten von innen gesehen. Als Vollkontaktsport – wie man meine bevorzugte Kampfsportart, historisches Fechten, Ringen und Schwertkampf, amtlich einstuft – sind wir die letzten, die trainieren dürfen.
Dazu kommt: Ich bin gar kein trainierter Läufer. Ausgerechnet eine der wenigen Sportarten, die während
Corona übrig blieben, habe ich nie betrieben. Ich war als Jugendlicher Leistungsschwimmer und inzwischen bin ich begeisterter Kampfsportler. Beides Disziplinen, die den Ruf haben, nicht unbedingt tolle Läufer hervorzubringen. Aber man wächst ja angeblich mit seinen Herausforderungen. Und in der Komfortzone war ich nun körperlich lange genug. Immerhin: Ich bin ein sehr begabter Fußgänger. Allein der morgendliche Weg vom Blauwiesenparkplatz zur Redaktion auf der Insel – und der Weg abends zurück – brauchen immerhin jeweils rund eine halbe Stunde.
Ich mag Laufen eigentlich auch überhaupt nicht: Man schwitzt – ohne dass wie beim Schwimmen das Wasser beim Wärmeaustausch hilft. Man trinkt gefühlt immer zu wenig und gerade wenn es – wie hier im Süden für mich viel zu oft – windstill ist, läuft man heiß, während die Gedanken beginnen, sich zu langweilen. Da hat bis jetzt auch keine noch so gute MusikPlaylist geholfen. Rein prophylaktisch habe ich mich bereits bei einem bekannten Onlinefitnessstudio angemeldet. Auch meine ersten Trainingseinheiten habe ich bereits absolviert – während ich üble Flüche in
Richtung der ewig künstlich grinsenden Fitnesstrainer auf dem Bildschirm ausstieß. Ich für meinen Teil grinse nicht, wenn ich anstrengende Übungen mache – und wer auch nach dem zweihundertsten Bauchmuskelcrunch noch entrückt grinst, ist mir zutiefst suspekt. Trotzdem bringe ich am Wochenende immerhin drei Cardio- und Muskeltrainingseinheiten hinter mich. Das Resultat: Immerhin nur in zwei Muskelpartien habe ich einen Kater. Ungünstigerweise gehören die Oberschenkel dazu. Meine erste Anlaufstelle in Lindau ist nun Liane Ender, die schon seit Jahren eine Laufgruppe betreibt und Menschen fit macht – auch für den Marathon. In unserem ersten Telefonat dämpft sie aber meine Erwartungen.
Ein voller Marathon könnte Selbstmord sein. Damit hat mein innerer Schweinehund schon mal eine Entschuldigung. Aber ein halber oder zumindest der Viertelmarathon, das ist machbar. Ihre Gruppe trainiert jeden Donnerstagabend und von nun an bin ich mit dabei. Coronabedingt ist die Gruppe etwas geschrumpft, aber die Übrigen sind mit Elan dabei. „Am Schluss ist jeder Begeistert. Und es gefällt uns ja, wenn es den Leuten Spaß macht – auch wenn ich sie quäle“, sagt Ender lachend. Von ihr erhalte ich auch bereits die ersten wichtigen Tipps.
Der wichtigste Tipp und mein erstes Problem: Das Schuhwerk. Wie mir Liane Ender erklärt, ist das das Wichtigste beim Laufen. Und nach einer kurzen Beschreibung welche Fülle an Verletzungen und Entzündungen ich mir da holen kann, bin ich auch restlos überzeugt. Mit meiner Entscheidung, am Lauf teilzunehmen, komme ich auch recht spät, sagt sie mir. Die meisten Menschen fangen schon ein halbes oder gar ein ganzes Jahr vorher mit dem Training an. Dennoch steckt mich ihre fröhliche und offene Art mit ihrem Optimismus an. Irgendwie wird das schon werden. Zur Not muss mich halt irgendwer über die Ziellinie schleppen.
Mein nächster Schritt ist nun, mich um ordentliches Schuhwerk zu kümmern, damit ich am Ende auch über die Ziellinie komme und nicht mit einer Muskel- oder gar Knochenhautentzündung ausscheide. Und eine Warnung bereits vorweg: Eine Erfolgsstory wird das, was hier in den kommenden Wochen zu lesen sein wird, vermutlich nicht. Aber vielleicht wird es wenigstens amüsant zu lesen sein.