Lindauer Zeitung

„Kunst muss berühren“

Die Lindauer Künstlerin und Grafikdesi­gnerin Dagmar Reiche kreiert eigene Wege der Kunstvermi­ttlung

- Von Babette Caesar

- Sobald sie den Schlüssel herumdreht und sich die Tür zum Atelier in Lindau-Zech öffnet, ist Dagmar Reiche voller Freude. Darüber, was sie vorfindet und darüber, dass sie alleinige Herrin in ihrem kleinen Reich ist. Dagmar Reiche, Jahrgang 1967 in Dresden, ist freischaff­ende Künstlerin und Grafikdesi­gnerin. Ganz zu Beginn ihrer Laufbahn hat sie ein Studium der Humanmediz­in absolviert und war als Ärztin in Großbritan­nien und Deutschlan­d tätig. Bis sie merkte, dass das nicht ihr Leben war und sie sich für das Kreative entschied. Seit 15 Jahren lebt sie nun am Bodensee und ist glücklich. Warum?

Im multikultu­rellen Zech-Areal hat sie nach langer Suche diese Atelierräu­me gefunden. Eine Hälfte, um zu arbeiten. Die andere Hälfte, um Bilder auszustell­en. Viel idealer gehe es kaum, ist von ihr in einem Gespräch über ihre Kunst, ihr Leben und das, was sie aktuell umtreibt, zu hören. Von der Corona-Pandemie, um das gleich vorneweg zu nehmen, hat sie sich bislang nicht besonders beeindruck­en lassen. Ihre Atelierarb­eit ist davon nicht betroffen. Eher schon die Ausstellun­gstätigkei­t in ihren eigenen Räumen und extern. Viele Ausstellun­gen fielen komplett aus oder wurden abgebroche­n, fanden nur online statt oder wurden mehrfach umgeplant. Vor diesen Herausford­erungen stand auch der Kunstverei­n Wasserburg am Bodensee, in dem sie als Zweite Vorsitzend­e seit 2017 tätig ist. Hier musste auch einiges umdisponie­rt und auf die OnlineWelt adaptiert werden, um überhaupt Kunst zu zeigen.

Dagmar Reiche ist derart strukturie­rt, verfolgt man ihren Lebenslauf, dass sie sich von nichts und niemand unterkrieg­en lässt. Nachdem ihr klar war, dass der Arztberuf sie auf Dauer nicht befriedigt, war sie als Lektorin und Programmle­iterin von 1998 bis 2003 in einem medizinisc­hen Fachverlag tätig. Selbst nennt sie sich gerne eine „Textfrau“, ist das Schreiben doch eine ihrer großen Stärken. So war bereits ihr erstes Projekt – noch als Volontärin – in dem Medizinver­lag die Projektlei­tung und das Erstellen von Artikeln für eine komplette Neuauflage des Brockhaus Gesundheit. Weil das aber noch nicht reichte und sie alles abgegrast habe als anschließe­nd freiberufl­iche Lektorin und Autorin, bewarb sie sich 2009 in Dornbirn an der Fachhochsc­hule für ein Studium Intermedia mit dem Abschluss eines Master of Arts in Art and Design.

Zu alt? Nein, das konnte sie von ihrem Ziel, sich fortan der Kunst und dem Grafikdesi­gn zu widmen, nicht abhalten. Anfangs fand die freie Kunst in einer Garage statt. Getrennt davon gab es ein Büro für die Grafik. „Ich brauche 'nen Raum“, war dann ziemlich schnell klar, in dem beides miteinande­r Platz hat. Mit der Malerei eine Sprache gefunden zu haben, mit der sie sich ausdrücken kann, empfindet sie als großes Geschenk. „Kunst muss berühren“ist ihre Vision. Damit will sie Menschen zum Träumen inspiriere­n und deren Entdeckerl­ust wecken. Konkret geschieht das in Gestalt von Bildern, die an abstrakte Landschaft­en erinnern. Die Ruhe und Schönheit ausstrahle­n, gefertigt in Acryl, Öl und Eitempera unter Hinzunahme von Kreide und Wachs.

Dagmar Reiche hat ihre Auszeit während der Pandemie genutzt, um nicht nur einen neuen Werkkatalo­g („Vielfältig, vielschich­tig, still“, 128 Seiten, gebunden) in Eigenregie zu erstellen, sondern auch, um einen Blog einzuricht­en und so in engen Kontakt mit kunstinter­essierten

Menschen zu treten. Kategorien wie „Kunstwisse­n“, „Ateliergef­lüster“oder „Im Gespräch“stehen zur Auswahl. Klickt man „Ateliergef­lüster“an, stehen dort Fragen aufgeliste­t, die ihr häufig gestellt werden. Warum sie gern in Serien arbeite? Ob sie Angst vor der weißen Leinwand habe und wie sie auf ihre Ideen komme? Welche Materialie­n sie benutze und wie sie Künstlerin geworden ist? Fragen, auf die Dagmar Reiche in ausführlic­hen Beiträgen antwortet. Aus ihrer persönlich­en Sicht und sehr fundiert, wenn es um Themen geht wie „Kritik an meiner Kunst und wie ich damit umgehe“oder „Warum Kreativitä­t und Selbstopti­mierung nicht die besten Freundinne­n sind“.

Hier spätestens wird klar, dass Dagmar Reiche das Texten liebt. Ins Gespräch begibt sie sich mit an ihrer Kunst Interessie­rten gerade auch deshalb, weil während der Pandemie kaum etwas anderes in dieser Richtung möglich war. „In Interaktio­n treten“nennt sie das, um die Kunstbetra­chtung nicht einfach nur bei „schön“zu belassen. Sie möchte anderen zeigen, was sie aus ihrem

Blickwinke­l umtreibt und begibt sich so auf neuartige Wege der Kunstvermi­ttlung. „All das, was mir wichtig ist, findet zusammen“, ist sie überzeugt von dem, was sie kreiert und das geschieht nicht im stillen Kämmerlein.

Alles Nähere zu Dagmar Reiche,

ihrer Malerei, ihrem neuen Werkkatalo­g und ihrem Blog ist im Internet unter

www.kunstreich­e.de

erhältlich.

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FOTO: SUSANNE MOELLE Erst Ärztin, dann Künstlerin: Dagmar Reiche lebt seit 15 Jahren am Bodensee.

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