„Man hat uns verbrennen lassen“
In Griechenland wüten weiter verheerende Brände – Debatte um politische Verantwortung
(dpa) - Die Menschen auf Euböa sind zutiefst verbittert. Im Norden der zweitgrößten griechischen Insel stehen riesige Waldflächen in Flammen. Unterstützt von rund 500 Einsatzkräften kämpfen die Anwohner rund um die Uhr mit Wassereimern und Gartenschläuchen gegen die Feuerwände und um ihre Dörfer. „Mein Nacken ist steif, weil ich seit fünf Tagen den Himmel nach Löschflugzeugen absuche“, sagt ein Mann zynisch. „Man hat uns verbrennen lassen“, bilanziert ein anderer. Erst seit die Brände vor Athen halbwegs unter Kontrolle sind, fliegen Löschflugzeuge seit Sonntag endlich auch Euböa an – ein Stadt-Land-Konflikt rund ums Eindämmen der Feuer zeichnet sich ab.
Noch nie in der bisher weitgehend erfolgreichen zweijährigen Amtszeit des konservativen Premiers Kyriakos Mitsotakis gab es von den großen Zeitungen des Landes ernsthafte Kritik. Aber jetzt. „Es ist das erste Mal, dass die Regierung stufenweise die Kontrolle verloren hat“, urteilte die regierungsfreundliche Sonntagszeitung „To Vima“. Weil so viele Brände zeitgleich ausgebrochen seien, habe man die Löschversuche zunächst verteilt. Dann aber seien die Einsatzkräfte im Norden Athens zusammengezogen worden, weil dort die meisten Menschen
bedroht waren. Derweil habe auf Euböa eine „Jahrhundertkatastrophe“ihren Lauf genommen, schreibt das Blatt.
Der Premier hatte seine Taktik am Donnerstag in einer Ansprache an die Bevölkerung so erklärt: „Priorität haben Menschenleben, erst dann folgen Besitztümer und Natur.“Im Großraum Athen leben rund vier Millionen Menschen, Euböa hat etwa
Beim Einsatz gegen die Waldbrände in Griechenland ist am Sonntag ein Löschflugzeug abgestürzt. Laut Feuerwehr stürzte die Maschine bei der Bekämpfung eines kleineren Feuers auf der im Ionischen Meer gelegenen Urlauberinsel Zakynthos aus zunächst ungeklärter Ursache ab. Der Pilot sei jedoch wohlauf. Doch nicht nur Griechenland kämpft gegen die Flammen. Auch in Süditalien sind die Sorgen groß. „Ein weiteres Mal befinden sich die geschützten Naturareale im Klammergriff verheerender Brände“, erklärte der Präsident des Verbands für Parks und Naturreservate Federparchi, Giampiero Sammuri. Betroffen seien der Aspromonte Nationalpark in Kalabrien und der Parco delle Madonie östlich der sizilianischen 220 000 Einwohner. Das auf Euböa betroffene Gebiet besteht hauptsächlich aus Wald.
Selbst Kritiker müssen der Regierung Mitsotakis Erfolge zugestehen. Bisher sind keine Menschen ums Leben gekommen. Die Evakuierungsmaßnahmen per Warn-SMS wurden frühzeitig angesetzt und funktionierten. Wer nicht bei Verwandten Zuflucht fand, konnte kostenlos in Hotels
Hauptstadt Palermo. Federparchi forderte, das Überwachungs- und Brandschutzsystem zu verbessern. Die Türkei kämpft schon den zwölften Tag in Folge gegen die schwersten Waldbrände seit mehr als zehn Jahren. Mindestens sechs Brände waren am Sonntag nach offiziellen Angaben noch nicht unter Kontrolle. Die Einsatzkräfte konzentrierten sich vor allem auf die südwesttürkische Provinz Mugla. Dort brach am Sonntag ein weiteres Feuer in der Nähe des Flughafens Dalaman aus. Von einer Beeinträchtigung des Reiseverkehrs war zunächst nichts bekannt.Winde erschwerten in Mugla die Löscharbeiten. Wegen des abschüssigen Geländes können Fahrzeuge das stark bewaldete Gebiet vom Land aus zudem schlecht erreichen. (dpa/AFP)
absteigen. Die Polizei verhinderte Plünderungen und holte Bürger aus den Häusern, wenn diese nicht gehen wollten.
Zudem verfügt Griechenland über eine der größten Flotten an Löschflugzeugen und -hubschraubern in Europa, auch wenn manche davon schon jahrzehntealt sind. Und der Premier hatte sich auch nicht gescheut, bereits am 3. August internationale Hilfe anzufordern, die nun verstärkt eintrifft.
Entsprechend ruhig verhält sich bisher die Opposition, doch deren Zeitungen teilten am Sonntag bereits aus und gaben einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Debatten. „Evakuiert das Land!“, frotzelte die linke „Documento“und zeigte die Silhouette des Premiers vor den brennende Umrissen Griechenlands. Das Image von Mitsotakis liege in Schutt und Asche, befand die Zeitung „Kontra“.
Doch auch hier hat der Regierungschef vorgesorgt: „Es wird Zeit geben für Kritik und Selbstkritik. Aber nicht jetzt“, sagte er am Donnerstag. Die Bürger seien zu Recht erzürnt, aber man werde ihnen beim Wiederaufbau beistehen. Aus Regierungskreisen heißt es, Mitsotakis werde sich derzeit öffentlich nicht in die Schuld-Diskussion einschalten. Diese solle vor dem Parlament abgehalten werden, wenn die Brände dann wirklich bewältigt seien. Das aber könnte noch Wochen dauern.