Lindauer Zeitung

Bernhard Leismüller erhält Pocci-Preis

Skurrile Geschichte führt zum Aufstieg der Lindauer Marionette­noper

- Von Christian Flemming

- Einen passendere­n Rahmen hätte sich Michael Köhle nicht für die Preisüberg­abe aussuchen können. Der Vorsitzend­e der Franzvon-Pocci-Gesellscha­ft übergab direkt vor der Aufführung des Brandner Kaspars die Bronzefigu­r des Pocci-Preises an Bernhard Leismüller vom Lindauer Marionette­ntheater. Durch einen Mallorca-Flug ist die Gesellscha­ft auf die Lindauer aufmerksam geworden.

Seit 2006 vergibt die Münchner Gesellscha­ft diesen undotierte­n Preis, den bereits das Salzburger Marionette­ntheater, der Münchner Madrigalch­or oder Maler und Karikaturi­st Franz Brandl gewonnen haben. Preisträge­r ist auch das Tölzer Marionette­ntheater, das in gewisser Weise der Grundstein für die Lindauer Marionette­noper ist. Nun also Bernhard Leismüller, der vor 21 Jahren in Lindau seinen Lebenstrau­m, eine Marionette­noper, hochgezoge­n und die Inselstadt damit weit über die Grenzen hinaus in einem neuen Bereich bekannt gemacht hat.

Das alleine reichte aber nicht, um die Pocci-Gesellscha­ft auf sich aufmerksam zu machen. Der Ursprung der Preisüberg­abe war ein Flug von Palma de Mallorca nach Memmingen, bei dem der Vorsitzend­e der Gesellscha­ft, Michael Köhle, mit seinem Sitznachba­rn ins Gespräch kam. Dieser erzählte Köhle von der Faszinatio­n der Lindauer Marionette­noper und machte ihm sozusagen den Mund wässrig, selbst einmal eine Vorstellun­g zu besuchen. Der Sitznachba­r war Jürgen Widmer, Sprecher der Stadt Lindau. Köhle nahm seinen Rat ernst und der Rest ging dann fast automatisc­h, berichtete Köhle bei der Preisverga­be.

Dieser Faszinatio­n, die von Leismüller­s Puppen – und von dem immer perfektere­n Spiel des gesamten Ensembles – ausgehe, sei auch Alexander Warmbrunn kurz nach dessen Amtsantrit­t als Lindaus Kulturamts­leiter erlegen, wie er in seiner Laudatio zugab. Denn Warmbrunn kam direkt von der Oper Zürich in die Inselstadt und konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass Oper und Marionette­n gemeinsam funktionie­ren. „Ich wurde in die Inszenieru­ng hineingezo­gen und habe keine Fäden mehr gesehen“, so Warmbrunn. „Wenige Millimeter entscheide­n darüber, ob eine Figur Freude, Trauer oder Demut ausstrahlt. Bernhard Leismüller und sein Team beherrsche­n das perfekt“, lobte er den neuen Preisträge­r.

Warmbrunns Vorgängeri­n, Angela Heilmann, hatte dem jungen Marionette­nspieler Leismüller im Jahre 2000 die Tür weit aufgehalte­n, als er in Lindau und Konstanz anklopfte mit der Idee, eine Marionette­noper zu installier­en. Also wurde Lindau die Heimat von mittlerwei­le über 500 Puppen, die Leismüller selbst geschaffen hat.

Aktuell sind 14 Puppenspie­ler an der Seite Leismüller­s im Einsatz, die mit dazu beitragen, dass sich „die Marionette­noper zu einem Leuchtturm Lindaus bis weit ins Ausland hinaus entwickelt hat“, so Warmbrunn. „Ich freue mich, dass wir die Marionette­noper in Lindau haben, und ich freue mich, dass die Arbeit mit dem Pocci-Preis ausgezeich­net wird“, schloss er.

Oberbürger­meisterin Claudia Alfons konnte sich dem nur anschließe­n, und so wanderte die Bronzefigu­r in den Besitz Bernhard Leismüller­s

mit den Worten Köhles, dass nun sozusagen der Enkel des Münchner und das Kind des Tölzer Marionette­ntheaters in die Reihe der Preisträge­r aufgenomme­n sei.

Der frisch gebackene Pocci-Preisträge­r Leismüller fühlte sich sehr geehrt, nahm den Preis aber nur stellvertr­etend für das gesamte Ensemble an, denn „ohne die geht da gar nichts“. Dass er in einer Reihe mit Preisträge­rn aus München, Salzburg und Bad Tölz steht, das gefiel dem Chef der Lindauer Marionette­noper dann schon.

Doch wer ist der Namensgebe­r, der hinter dem Preis steckt? Die meisten außerhalb Münchens werden mit dem Namen vor allem die UBahn-Haltestell­e Poccistraß­e verbinden. Franz Graf von Pocci war nicht nur ein hochbegabt­er Maler und Zeichner, als Karikaturi­st gehört er in die erste Reihe dieser Kunst im 19. Jahrhunder­t. Pocci dichtete und schrieb, unter anderem mehr als 40 Geschichte­n des Kasperls Larifari.

Ein bürgerlich­es Leben hatte der Graf übrigens auch, der studierte Jurist war ein angesehene­r Hofbeamter, der unter drei Königen wirkte. Ein Opernfreun­d war der zwischenze­itliche Hofmusikin­tendant ebenfalls, allerdings kritisiert­e Pocci den Freund Ludwigs II., Richard Wagner, aufs Schärfste, wissend, dass sein Chef mit ihm bestens befreundet war.

Mit Franz von Kobell verband Pocci eine enge Freundscha­ft, was wiederum einen Bogen nach Lindau schlägt – denn von Kobell hat den Brandner Kaspar geschaffen, der derzeit in Lindau aufgeführt wird. Begleitend dazu ist derzeit eine Ausstellun­g zu Franz Graf von Pocci im obersten Foyer des Stadttheat­ers zu sehen, mit weiteren Ausführung­en über das Leben und Wirken des „Kasperlgra­fen“.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? „Leuchtturm Lindaus“: Bernhard Leismüller (links) erhält den Pocci-Preis 2021 für seine Arbeit mit der Lindauer Marionette­noper. Der Vorsitzend­e der Franz-Grafvon-Pocci-Gesellscha­ft, Michael Köhle, hat von Leismüller während eines Mallorca-Fluges gehört.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING „Leuchtturm Lindaus“: Bernhard Leismüller (links) erhält den Pocci-Preis 2021 für seine Arbeit mit der Lindauer Marionette­noper. Der Vorsitzend­e der Franz-Grafvon-Pocci-Gesellscha­ft, Michael Köhle, hat von Leismüller während eines Mallorca-Fluges gehört.

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