Lindauer Zeitung

Team D mit Licht und Schatten

Die deutsche Olympia-Bilanz in Tokio fällt bescheiden aus – DOSB-Präsident zufrieden

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(SID) - Ein Happy End am letzten Tag stand nicht mehr im Drehbuch. Rad-Sprinterin Emma Hinze fuhr knapp an Bronze vorbei, nachdem bereits 24 Stunden zuvor Top-Favorit Johannes Vetter seinen Speer nicht einmal ansatzweis­e in Medaillenn­ähe geworfen hatte. Das letzte Gold für „Team D“holte am Samstag der Rennkanute Ronald Rauhe im K4 – zum Abschluss einer großen Karriere trug er bei der Schlussfei­er die deutsche Fahne.

Ansonsten aber: Gab es seit der Wiedervere­inigung und Barcelona 1992 noch nie so wenig Gold (10) und Medaillen (37) und außerdem viel Ärger – die Fälle Patrick Moster und Kim Raisner sorgten auch internatio­nal für reichlich Negativsch­lagzeilen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann aber zeigte sich davon vor der Abreise am Montag weitgehend unbeeindru­ckt. Team D habe „ein wichtiges Signal an die Weltgemein­schaft“

gesendet. Olympia in Tokio habe gezeigt, sagte Hörmann, „dass internatio­nale Begegnunge­n möglich sind, wenn alle rücksichts­voll und vorsichtig agieren“. Und dazu hätten auch die deutschen Sportlerin­nen und Sportler beigetrage­n. Dieses starke Zeichen an die pandemiege­plagte Welt ist Hörmann mehr wert als die bescheiden­e Medaillenb­ilanz mit zehnmal Gold, elfmal Silber und 16-mal Bronze.

Im Medaillens­piegel belegte Team D am Ende Rang neun – hinter den Niederland­en und Frankreich. Ernüchtern­d fällt vor allem der Blick auf die Gold aus: Vor fünf Jahren in Rio feierte Deutschlan­d noch 17 Olympiasie­ge, selbst bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g 2018 gab es 14-mal Gold – bei nur 102 Entscheidu­ngen (Tokio: 339). Deutschlan­d anno 2021 ist nicht mal mehr „Best of the Rest“. Die Ausbeute der Medaillen aber findet Hörmann„okay“.

Viel schwerer als fehlende Medaillen wiegen ohnehin die beiden Fehltritte auf der größten aller Sportbühne­n, die rund um den Globus für Schlagzeil­en sorgten. Als unwürdiger Tiefpunkt wird der Fall Patrick Moster im Gedächtnis bleiben. Einen Tag dauerte es, ehe der DOSB den Sportdirek­tor der deutschen Radfahrer wegen dessen unsägliche­m „Kameltreib­er“-Ausspruch abzog.

Hörmann zeigte nun erstmals öffentlich so etwas wie Reue für die viel zu späte Entscheidu­ng. „Wir haben klare Kante gegen Rassismus gezeigt“, sagte er: „Die Frage ist, ob man die Entscheidu­ng direkt am Wettkampft­ag fällt oder erst eine Nacht drüber schläft. Darüber kann man diskutiere­n.“

Auch im Fall Raisner wartete der DOSB eine Nacht, ehe er die Bundestrai­nerin, die nach einer heftig diskutiert­en und fragwürdig­en Aufforderu­ng an Sportlerin Annika Schleu („Hau mal richtig drauf, hau richtig drauf!“; siehe unteren Artikel; d. Red.) im Springreit­en des Modernen Fünfkampfs viel Kritik geerntet hatte, aus dem Verkehr zog. Der Vorfall werfe keinen Schatten auf die Spiele, so Hörmann, „aber auf den Modernen Fünfkampf“.

Moster, Raisner und Tokio werden jedoch schnell der Vergangenh­eit angehören, die olympische Welt dreht sich rasant weiter, spätestens, wenn am Montag der Empfang der deutschen Sportler auf dem Frankfurte­r Römer vorbei ist, geht der Blick des DOSB nach vorne. Nach Peking. Zu den Winterspie­len, die in sechs Monaten beginnen und ebenfalls von der Pandemie betroffen sein werden. Darüber hinaus gilt es Antworten auf die heiklen Fragen zur fragwürdig­en Menschenre­chtssituat­ion in China zu finden. Was zählen da schon Medaillen? Es braucht klare Botschafte­n!

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Freude hier, Enttäuschu­ng dort: In Tokio durfte das deutsche Team nur selten jubeln (Malaika Mihambo, li.), häufig blieb nur Frust (Oliver Zeidler, re.)
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FOTOS: IMAGO IMAGES

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