Petit Café nur mit QR-Code
In Frankreich gilt jetzt der umstrittene Gesundheitspass für Restaurants und Bahnfahrten
- Trotz erneuter Proteste am Wochenende hat die französische Regierung am Montag den Gesundheitspass für Restaurants und Fernreisen in Bus und Bahn eingeführt. Egal ob für den „petit café“am Tresen oder das Drei-Gänge-Menu: Wer in einem Café oder einem Bistro etwas trinken oder essen will, muss nachweisen, dass er doppelt geimpft ist oder einen höchstens 72 Stunden alten negativen Corona-Test hat. Auch eine durchlebte Krankheit gilt als Nachweis für den „pass sanitaire“, der bis zum 15. November gilt. Er ist ebenfalls in Krankenhäusern und Altersheimen nötig – Notfälle ausgenommen.
„Das Ziel des Passes ist es, zum Impfen zu ermutigen und die Freiheit zu bewahren“, sagte Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari dem Radiosender France Inter. In der ersten Woche der Anwendung will die Regierung noch Nachsicht walten lassen, bevor dann nächste Woche strengere Kontrollen angekündigt sind. Am Montag wurde zunächst ein Viertel der Fernzüge und Fernbusse kontrolliert, in denen zu Ferienzeiten rund 400 000 Menschen täglich reisen. Seit dem 21. Juli gilt der Pass, der in Form eines QR-Codes Teil der Corona-App ist, bereits in Museen und Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbädern. Dort stoßen die Kontrollen teilweise auf Widerstand.
„Die Leute gehen auf uns los, als wäre der Pass unsere Entscheidung. Sie merken nicht, dass wir dadurch Kunden verlieren“, sagte ein Manager des Pariser Spaßbades Aquaboulevard der Zeitung „Libération“.
Am Samstag hatten sich landesweit 237 000 Menschen versammelt, um gegen den Pass zu protestieren. Die Forderung nach „Liberté“beherrscht die Demonstrationszüge, deren Teilnehmer sich gegen die Pharmaindustrie und das „Großkapital“wenden. Die Demonstrierenden sind eine heterogene Gruppe, der allerdings viele Rechtsextreme angehören. So versammelte Florian Philippot, der ehemalige Vize der
Rechtspopulistin Marine Le Pen, in Paris rund 10 000 Menschen. Le Pen, mit der Philippot 2017 gebrochen hatte, kritisierte den Gesundheitspass, der einer „Logik der Beschneidung öffentlicher Freiheiten“folge.
Im ostfranzösischen Metz ging am Samstag eine ehemalige Mitarbeiterin von Le Pens Vize Louis Aliot mit einem antisemitischen Plakat auf die Straße. Die Frau griff die Rhetorik eines Generals auf, der in einem Fernsehinterview insinuiert hatte, dass jüdische Kräfte hinter der Medienberichterstattung über die Pandemie stünden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen die Lehrerin, die festgenommen und vom Schuldienst suspendiert wurde.
„Dieses Spruchband ist widerlich. Antisemitismus ist ein Verbrechen, auf keinen Fall eine Meinung. Diese Äußerungen werden nicht ungestraft bleiben“, schrieb Innenminister Gérald Darmanin im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Inlandsgeheimdienst hatte bereits im Juli davor gewarnt, dass sich die Bewegung radikalisieren könnte. „Bei vielen der mobilisierten Personen wird der Widerstand von einer Ablehnung der politischen Institutionen begleitet“, sagte der Politologe Antoine Bristielle der Zeitung „Libération“.
Einer Umfrage des Instituts Elabe zufolge befürworten 37 Prozent der Französinnen und Franzosen die Proteste. 48 Prozent sind dagegen und 15 Prozent haben keine Meinung. Präsident Emmanuel Macron, dem viele Demonstrierende eine „Impfdiktatur“vorwerfen, meldete sich in der vergangenen Woche aus dem Urlaub mit mehreren Kurzvideos zu Wort. Darin rief er seine Landsleute auf, sich immunisieren zu lassen. Knapp 66 Prozent der Französinnen und Franzosen haben bereits eine erste Impfung erhalten.
Der Verfassungsrat hatte am Donnerstag grünes Licht für die Maßnahmen gegeben, mit denen der Staatschef eine Teil-Impfpflicht durchsetzen will. So muss ab Mitte September das Gesundheitspersonal mindestens geimpft sein, ansonsten wird der Arbeitsvertrag suspendiert.