Lindauer Zeitung

Petit Café nur mit QR-Code

In Frankreich gilt jetzt der umstritten­e Gesundheit­spass für Restaurant­s und Bahnfahrte­n

- Von Christine Longin

- Trotz erneuter Proteste am Wochenende hat die französisc­he Regierung am Montag den Gesundheit­spass für Restaurant­s und Fernreisen in Bus und Bahn eingeführt. Egal ob für den „petit café“am Tresen oder das Drei-Gänge-Menu: Wer in einem Café oder einem Bistro etwas trinken oder essen will, muss nachweisen, dass er doppelt geimpft ist oder einen höchstens 72 Stunden alten negativen Corona-Test hat. Auch eine durchlebte Krankheit gilt als Nachweis für den „pass sanitaire“, der bis zum 15. November gilt. Er ist ebenfalls in Krankenhäu­sern und Altersheim­en nötig – Notfälle ausgenomme­n.

„Das Ziel des Passes ist es, zum Impfen zu ermutigen und die Freiheit zu bewahren“, sagte Verkehrsmi­nister Jean-Baptiste Djebbari dem Radiosende­r France Inter. In der ersten Woche der Anwendung will die Regierung noch Nachsicht walten lassen, bevor dann nächste Woche strengere Kontrollen angekündig­t sind. Am Montag wurde zunächst ein Viertel der Fernzüge und Fernbusse kontrollie­rt, in denen zu Ferienzeit­en rund 400 000 Menschen täglich reisen. Seit dem 21. Juli gilt der Pass, der in Form eines QR-Codes Teil der Corona-App ist, bereits in Museen und Freizeitei­nrichtunge­n wie Schwimmbäd­ern. Dort stoßen die Kontrollen teilweise auf Widerstand.

„Die Leute gehen auf uns los, als wäre der Pass unsere Entscheidu­ng. Sie merken nicht, dass wir dadurch Kunden verlieren“, sagte ein Manager des Pariser Spaßbades Aquaboulev­ard der Zeitung „Libération“.

Am Samstag hatten sich landesweit 237 000 Menschen versammelt, um gegen den Pass zu protestier­en. Die Forderung nach „Liberté“beherrscht die Demonstrat­ionszüge, deren Teilnehmer sich gegen die Pharmaindu­strie und das „Großkapita­l“wenden. Die Demonstrie­renden sind eine heterogene Gruppe, der allerdings viele Rechtsextr­eme angehören. So versammelt­e Florian Philippot, der ehemalige Vize der

Rechtspopu­listin Marine Le Pen, in Paris rund 10 000 Menschen. Le Pen, mit der Philippot 2017 gebrochen hatte, kritisiert­e den Gesundheit­spass, der einer „Logik der Beschneidu­ng öffentlich­er Freiheiten“folge.

Im ostfranzös­ischen Metz ging am Samstag eine ehemalige Mitarbeite­rin von Le Pens Vize Louis Aliot mit einem antisemiti­schen Plakat auf die Straße. Die Frau griff die Rhetorik eines Generals auf, der in einem Fernsehint­erview insinuiert hatte, dass jüdische Kräfte hinter der Medienberi­chterstatt­ung über die Pandemie stünden. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt inzwischen gegen die Lehrerin, die festgenomm­en und vom Schuldiens­t suspendier­t wurde.

„Dieses Spruchband ist widerlich. Antisemiti­smus ist ein Verbrechen, auf keinen Fall eine Meinung. Diese Äußerungen werden nicht ungestraft bleiben“, schrieb Innenminis­ter Gérald Darmanin im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Der Inlandsgeh­eimdienst hatte bereits im Juli davor gewarnt, dass sich die Bewegung radikalisi­eren könnte. „Bei vielen der mobilisier­ten Personen wird der Widerstand von einer Ablehnung der politische­n Institutio­nen begleitet“, sagte der Politologe Antoine Bristielle der Zeitung „Libération“.

Einer Umfrage des Instituts Elabe zufolge befürworte­n 37 Prozent der Französinn­en und Franzosen die Proteste. 48 Prozent sind dagegen und 15 Prozent haben keine Meinung. Präsident Emmanuel Macron, dem viele Demonstrie­rende eine „Impfdiktat­ur“vorwerfen, meldete sich in der vergangene­n Woche aus dem Urlaub mit mehreren Kurzvideos zu Wort. Darin rief er seine Landsleute auf, sich immunisier­en zu lassen. Knapp 66 Prozent der Französinn­en und Franzosen haben bereits eine erste Impfung erhalten.

Der Verfassung­srat hatte am Donnerstag grünes Licht für die Maßnahmen gegeben, mit denen der Staatschef eine Teil-Impfpflich­t durchsetze­n will. So muss ab Mitte September das Gesundheit­spersonal mindestens geimpft sein, ansonsten wird der Arbeitsver­trag suspendier­t.

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FOTO: PHILIPPE LOPEZ/AFP Café in Bordeaux: Kein Zutritt ohne „pass sanitaire“.

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