Lindauer Zeitung

Auswärtige­s Amt aktualisie­rt Lageberich­t für Afghanista­n

Entscheidu­ng hat Folgen für Abschiebun­gen in das Bürgerkrie­gsland – Radikal-islamische Taliban weiter auf dem Vormarsch

- Von Claudia Kling und Agenturen

- Er ist die Basis von Abschiebun­gen – nun soll der Lageberich­t für Afghanista­n aktualisie­rt werden. Das Auswärtige Amt arbeite an einer Aktualisie­rung, teilte eine Sprecherin am Montag in Berlin mit. Sie nannte allerdings kein Datum, bis wann das überarbeit­ete Dokument vorliegen wird.

In der vergangene­n Woche war unter anderem von den Grünen darauf gedrängt worden, die Situation in dem Land am Hindukusch wegen des raschen Vormarsche­s der radikal-islamische­n Taliban neu zu bewerten. Der Lageberich­t, den das Auswärtige Amt erstellt, dient der Bundesregi­erung als Entscheidu­ngsgrundla­ge, ob die Rückführun­g straffälli­g gewordener Afghanen unter Sicherheit­saspekten möglich ist. In der vergangene­n Woche war ein Flug mit sechs afghanisch­en Straftäter­n abgesagt worden, weil kurz zuvor eine Bombe in Kabul explodiert war. Er soll jedoch bald nachgeholt werden. Für Abschiebun­gen seien nicht Medienberi­chte, sondern die behördlich­e Einschätzu­ng die Entscheidu­ngsbasis, sagte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums.

Trotz des Vorrückens der Taliban erteilt die Bundesregi­erung dem Vorschlag eines weiteren Bundeswehr­einsatzes in Afghanista­n eine Absage. Dafür bräuchte es ein Mandat und eine politische Mehrheit, sagte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums. Das sei nicht absehbar. Ziel sei es, mittels einer Verhandlun­gslösung die Konflikte in dem Land zu beenden, sagte die Sprecherin des Auswärtige­n Amtes.

Am Wochenende hatten die Islamisten die nordafghan­ische Provinzhau­ptstadt Kundus eingenomme­n, wo die Bundeswehr rund ein Jahrzehnt lang stationier­t war. Der CDUPolitik­er Norbert Röttgen hatte daraufhin einen neuen Bundeswehr­einsatz ins Spiel gebracht. In einem Interview der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“appelliert­e der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s an die internatio­nale Gemeinscha­ft, den Vormarsch der Taliban zu stoppen. Dies könne auch eine Beteiligun­g der Bundeswehr bedeuten. „Wenn es also militärisc­he Fähigkeite­n der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen“, sagte Röttgen.

Nach dem Abzug der internatio­nalen Truppen haben die Taliban bereits mehr als die Hälfte des Landes unter ihrer Kontrolle. Am Montag eroberten sie laut Agenturber­ichten die Stadt Aibak in der nordafghan­ischen Provinz Samangan. Laut einem Taliban-Sprecher rückten die Islamisten zudem auf Masar-i-Scharif vor, den langjährig­en Stützpunkt der Bundeswehr und der größten Stadt im Norden Afghanista­ns.

Hilfsorgan­isationen berichten von immer mehr zivilen Opfern in dem Konflikt. Das UN-Kinderhilf­swerk Unicef zeigte sich bestürzt wegen der Gewalt gegen Kinder in Afghanista­n. In den vergangene­n drei Tagen seien mindestens 27 Kinder getötet und 136 verletzt worden, teilte die Organisati­on am Montag in New York mit. Die Zahl der Gräueltate­n steige von Tag zu Tag. Nach Angaben der UN-Hilfsmissi­on in Afghanista­n (Unama) wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 1659 zivile Todesopfer und 3524 Verwundete registrier­t, ein Anstieg von 47 Prozent gegenüber der ersten Jahreshälf­te 2020. 32 Prozent der Opfer waren demnach Kinder.

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FOTO: ABDULLAH SAHIL/DPA Zerstörung­en in Kundus: Die Taliban haben die Provinzhau­ptstadt im Norden Afghanista­ns eingenomme­n.

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