Auswärtiges Amt aktualisiert Lagebericht für Afghanistan
Entscheidung hat Folgen für Abschiebungen in das Bürgerkriegsland – Radikal-islamische Taliban weiter auf dem Vormarsch
- Er ist die Basis von Abschiebungen – nun soll der Lagebericht für Afghanistan aktualisiert werden. Das Auswärtige Amt arbeite an einer Aktualisierung, teilte eine Sprecherin am Montag in Berlin mit. Sie nannte allerdings kein Datum, bis wann das überarbeitete Dokument vorliegen wird.
In der vergangenen Woche war unter anderem von den Grünen darauf gedrängt worden, die Situation in dem Land am Hindukusch wegen des raschen Vormarsches der radikal-islamischen Taliban neu zu bewerten. Der Lagebericht, den das Auswärtige Amt erstellt, dient der Bundesregierung als Entscheidungsgrundlage, ob die Rückführung straffällig gewordener Afghanen unter Sicherheitsaspekten möglich ist. In der vergangenen Woche war ein Flug mit sechs afghanischen Straftätern abgesagt worden, weil kurz zuvor eine Bombe in Kabul explodiert war. Er soll jedoch bald nachgeholt werden. Für Abschiebungen seien nicht Medienberichte, sondern die behördliche Einschätzung die Entscheidungsbasis, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Trotz des Vorrückens der Taliban erteilt die Bundesregierung dem Vorschlag eines weiteren Bundeswehreinsatzes in Afghanistan eine Absage. Dafür bräuchte es ein Mandat und eine politische Mehrheit, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das sei nicht absehbar. Ziel sei es, mittels einer Verhandlungslösung die Konflikte in dem Land zu beenden, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes.
Am Wochenende hatten die Islamisten die nordafghanische Provinzhauptstadt Kundus eingenommen, wo die Bundeswehr rund ein Jahrzehnt lang stationiert war. Der CDUPolitiker Norbert Röttgen hatte daraufhin einen neuen Bundeswehreinsatz ins Spiel gebracht. In einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“appellierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses an die internationale Gemeinschaft, den Vormarsch der Taliban zu stoppen. Dies könne auch eine Beteiligung der Bundeswehr bedeuten. „Wenn es also militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen“, sagte Röttgen.
Nach dem Abzug der internationalen Truppen haben die Taliban bereits mehr als die Hälfte des Landes unter ihrer Kontrolle. Am Montag eroberten sie laut Agenturberichten die Stadt Aibak in der nordafghanischen Provinz Samangan. Laut einem Taliban-Sprecher rückten die Islamisten zudem auf Masar-i-Scharif vor, den langjährigen Stützpunkt der Bundeswehr und der größten Stadt im Norden Afghanistans.
Hilfsorganisationen berichten von immer mehr zivilen Opfern in dem Konflikt. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef zeigte sich bestürzt wegen der Gewalt gegen Kinder in Afghanistan. In den vergangenen drei Tagen seien mindestens 27 Kinder getötet und 136 verletzt worden, teilte die Organisation am Montag in New York mit. Die Zahl der Gräueltaten steige von Tag zu Tag. Nach Angaben der UN-Hilfsmission in Afghanistan (Unama) wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 1659 zivile Todesopfer und 3524 Verwundete registriert, ein Anstieg von 47 Prozent gegenüber der ersten Jahreshälfte 2020. 32 Prozent der Opfer waren demnach Kinder.