Lindauer Zeitung

Böse Überraschu­ngen im Kornhaus in Kempten

Bei der Untersuchu­ng der Substanz stoßen Fachleute auf Pfusch

- Von Jochen Sentner

- „Katastroph­al“. Mehrfach fiel dieses Urteil nach den Untersuchu­ngen zum Zustand des Kornhauses. Das liegt nicht nur am stolzen Alter des Denkmals, das um 1700 errichtet wurde. Beim Umbau Ende der 1990er-Jahre wurde aus Sicht der Fachleute massiv gepfuscht. Mit Folgen: Die aktuelle Sanierung wird deutlich teurer, der Zeitplan erneut über den Haufen geworfen. Bis 2024 müssen Veranstalt­er, Schulen und Vereine auf andere Häuser ausweichen.

13 Monate ist es her, da herrschte noch Optimismus, das Kornhaus für zehn Millionen Euro in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Nach dem Auszug des Allgäu-Museums soll das Gebäude das multifunkt­ionale Veranstalt­ungshaus der Stadt werden für bis zu 1000 Gäste. Der Brandschut­z steht dabei über allem. Und da liege es im Argen, sagte Architekt Adrian Hochstrass­er aus Ulm während der jüngsten Stadtratss­itzung: „Über Galerie und Bar war gar keiner eingebaut.“Die Decke über dem großen Saal sei minderwert­ig gesichert. Wo immer man den Bau geöffnet habe, sei „Wildwuchs“zutage getreten. Sogar einen abgesägten Haupttragb­alken habe man entdeckt. Für neue

Lüftungste­chnik fehlten die Leitungswe­ge.

Letzteres führe dazu, dass die Rohre jetzt im Untergesch­oss eingezogen werden müssten. Zudem fällt die Sanierung in eine „Achterbahn“Phase auf dem Bau. Auf die europaweit­e Ausschreib­ung gingen zu den meisten Gewerken überhaupt keine Angebote ein. Lediglich die Baumeister­arbeiten stießen auf Interesse, allerdings zu Bedingunge­n, die um 70 Prozent überteuert erschienen. Holz und Stahl sind kaum zu bekommen, die Preise lägen doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Ein Gutes habe die Situation laut Hochstrass­er: Mit der Verzögerun­g könnten in kommenden Verhandlun­gen mit den Firmen nun Unterlagen zugrunde gelegt werden, die bereits auf die bösen Überraschu­ngen der vergangene­n Monate angepasst wurden.

Und die Kosten? 13 Millionen Euro sind die neue Hausnummer, wenn alles funktionie­re wie geplant. Einen Risikozusc­hlag eingerechn­et, lande man „dümmstenfa­lls“bei 15,6 Millionen Euro. Neuer Termin für die Übergabe: Ende 2023, Anfang 2024, vorausgese­tzt Installate­ure, Holzbauer und Dachdecker bringen die Aufträge in ihren Büchern unter. Für Oberbürger­meister Thomas Kiechle ist die Sache eindeutig: „Das Kornhaus ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Wir sollten die Sanierung umsetzen wie geplant.“Dem widersprac­h niemand. Annette Hauser-Felberbaum (Freie Wähler) plädierte allerdings dafür, sich erneut Gedanken um eine weitere Nutzung des Untergesch­osses „mit der tollen Atmosphäre“zu machen. Doch wieder kommt der Brandschut­z ins Spiel. „Es fehlt ein zweiter Fluchtweg“, sagte Hochstrass­er. Dennoch werde man die Situation erneut studieren. Thomas Kreuzer (CSU) regte an, zu prüfen, ob Beteiligte am damaligen Projekt in Regress genommen werden können: „Das geht über Pfusch hinaus. Man muss ja von Glück reden, dass nichts passiert ist.“Die Verwaltung will dem nachgehen.

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FOTO: RALF LIENERT Aktuell fehlen Baufirmen und Material. All das wirkt sich massiv auf Zeitplan und Kosten aus.

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