Lindauer Zeitung

Die hässliche Fratze der Vermögensd­elikte

Polizei sieht Fortschrit­te im Kampf gegen Betrug durch falsche Polizeibea­mte – Bayernweit Tausende Fälle

- Von Christof Rührmair

(dpa) - Die Masche zieht immer wieder: Am Telefon geben sich Kriminelle als Polizisten aus. Sie gaukeln ihren meist älteren Opfern vor, dass diese in Gefahr seien und schicken dann sogenannte Abholer, um Wertgegens­tände und Geld angeblich in Sicherheit zu bringen. In Wahrheit aber bestehlen sie die Menschen.

Für die echte Polizei ist der Kampf dagegen nicht leicht – auch weil die Callcenter, aus denen die Anrufe kommen, in der Regel im Ausland liegen. Doch die Münchner Polizei und Staatsanwa­ltschaft sehen Fortschrit­te und konnten gerade fünf Abholer festnehmen.

Man habe „fünf Leute aus dem Verkehr ziehen können, die unsere Opfer beschissen und betrogen haben“, sagt Hans-Peter Chloupek von der Münchner Polizei zufrieden. Vier Frauen und ein Mann im Alter von 17 bis 58 Jahren sitzen jetzt in Untersuchu­ngshaft. Neun Fälle mit einem Schaden von rund 90 000 Euro habe man damit aufgeklärt, zudem gebe es Hinweise auf weitere Fälle.

Zwar seien die Abholer in der Hierarchie der Banden eher am unteren Rand angesiedel­t, doch „ohne sie geht es nicht“, betont Oberstaats­anwalt Kai Gräber. Was sie täten, sei „die hässlichst­e Fratze eines Vermögensd­elikts“, denn neben dem finanziell­en Verlust erlitten die in der Regel älteren Opfer auch „katastroph­ale“

seelische und psychische Schäden. Sie litten unter Scham und zweifelten an ihren Fähigkeite­n – teilweise gehe das so weit, dass Opfer suizidgefä­hrdet seien.

Doch gerade bei den Betreibern der Callcenter, die im Ausland – im Fall falscher Polizisten meist in der Türkei – säßen, sei praktisch kein Unrechtsbe­wusstsein vorhanden, sagt Chloupek. Auch deswegen appelliert Gräber an die Abholer: „Seid nicht so blöd und lasst euch für wenig Geld verheizen und ins Gefängnis stecken.“Und er warnt: „Wenn wir euch erwischen, dann werdet ihr die ganze Härte der Strafjusti­z spüren.“ Möglich sind dem Oberstaats­anwalt zufolge bei wiederholt­en Taten bis zu 15 Jahre Haft.

Das Phänomen falsche Polizeibea­mte – und andere Amtsperson­en – gibt es nicht nur in München. Das bayerische Landeskrim­inalamt hat vergangene­s Jahr rund 17 000 Anzeigen gezählt, in gut 1000 Fällen machten die Betrüger Beute. Doch sowohl das LKA als auch die Münchner Polizei und Staatsanwa­ltschaft gehen von hohen Dunkelziff­ern aus.

In München sieht man sich unterdesse­n auf einem guten Weg bei der Bekämpfung. So hat sich laut Gräber die Zusammenar­beit mit den Behörden

in der Türkei bei der Aushebung der Callcenter verbessert. Er sei optimistis­ch, dass man inzwischen eine Struktur entwickelt habe, mit der man schnell und effektiv gegen die Täter vorgehen könne.

Zumindest die Zahl der Festnahmen von falschen Polizisten und ihren Helfern geht in München derzeit deutlich nach oben. Laut Münchner Polizei waren es im gesamten vergangene­n Jahr 16 – im laufenden Jahr bereits 29 – darunter auch Verdächtig­e aus den mutmaßlich mittleren Schichten der Banden und Vertraute der Betreiber.

Geld und Wertgegens­tände sind in diesen Fällen trotzdem oft schon weg. Rund zwei bis drei Stunden dauere es normalerwe­ise, bis die Abholer sie weitergebe­n, sagt Chloupek. Zudem kämen viele Fälle aus Scham gar nicht zur Anzeige.

Dass die Betrüger trotz aller Warnungen immer wieder erfolgreic­h sind, erklärt man sich beim Landeskrim­inalamt damit, dass die Täter einen enormen und perfiden Druck auf ihre Opfer aufbauen. Zudem würden Zigtausend­e Anrufe getätigt, um geeignete Opfer zu finden.

Oft geschieht dies auch mit einer falschen Telefonnum­mer. Dies sei technisch für die Betrüger kein großer Aufwand, so ein Sprecher des Landeskrim­inalamts. „Wenn Sie die Anrufernum­mer 110 sehen, können Sie direkt auflegen. Das ist Blödsinn – und es ist auf jeden Fall nicht die Polizei.“

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Kai Gräber (links) und Hans-Peter Chloupek von der Staatsanwa­ltschaft München: Für die Ermittler sind die Betrügerei­en durch falsche Beamte „die hässlichst­e Fratze eines Vermögensd­elikts“.

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