Lindauer Zeitung

Mehr Tests und Kosten für Ungeimpfte

Eindringli­cher Appell der Kanzlerin und der Ministerpr­äsidenten zur Impfung

- Von Andre Bochow und Ellen Hasenkamp

- Eigentlich sollte nach dem Desaster um die gescheiter­te Osterruhe Schluss sein mit den unseligen Corona-Runden der Ministerpr­äsidenten. Aber die stattdesse­n beschlosse­ne Bundesnotb­remse gilt schon seit Juli nicht mehr. Nun steigen die Infektions­zahlen wieder – sogar schneller und früher als vor einem Jahr. Immerhin sind inzwischen über 55 Prozent der Gesamtbevö­lkerung vollständi­g geimpft. Doch der Impffortsc­hritt ist ins Stocken geraten. Also schalteten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Länder-Regierungs­chefs am Dienstag per Video zusammen. Das Ziel: Deutschlan­d für den nahenden Herbst wappnen – und eines möglichst verhindern: einen erneuten Lockdown.

Wie soll die Impfquote erhöht werden?

„Eindringli­ch“appelliert­e die Runde an die Menschen, sich „schnellstm­öglich“impfen zu lassen. Die Impfzentre­n sollen ihre Angebote noch leichter zugänglich machen, Arbeitgebe­r für betrieblic­he Impfungen sorgen oder ihren Mitarbeite­rn frei geben, damit diese zur Impfung gehen können. Anreize wie Geld oder Gutscheine sind aber weiter nicht vorgesehen.

Was steht Ungeimpfte­n bevor?

Sie müssen sich auf neue und teilweise strengere Testpflich­ten einstellen und dafür künftig auch selbst bezahlen. Die derzeitig kostenlose­n Bürgertest­s werden ab 11. Oktober abgeschaff­t. Angesichts des Impfangebo­ts sei eine „dauerhafte Übernahme der Kosten“durch den Steuerzahl­er „nicht angezeigt“, hieß es. Eine zwischenze­itlich vorgeschla­gene Pflicht zu den zuverlässi­geren, aber teureren und zeitaufwän­digeren PCR-Tests ist bislang allerdings nicht vorgesehen. Für einen Schnelltes­t wurden zuletzt rund zwölf Euro veranschla­gt, bei PCRTests muss mit mindestens 70 Euro gerechnet werden. Kostenlos sind die Tests weiter für Menschen, für die es keine Impfempfeh­lung gibt (zum Beispiel Schwangere und Kinder) oder die sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht impfen lassen dürfen.

Was für Testpflich­ten sind geplant?

Eine Testpflich­t (Schnelltes­t oder PCR) soll vom 23. August an für Ungeimpfte künftig unter anderem bei Besuchen von Krankenhäu­sern und Altenheime­n, im Innenberei­ch von Gaststätte­n, bei Gottesdien­sten oder Kulturvera­nstaltunge­n in Innenräume­n, beim Friseur, in Fitnessstu­dios, Schwimmbäd­ern und in Hotels gelten. Ausgenomme­n sind Kinder unter sechs Jahren und Schülerinn­en und Schüler, die in der Schule ohnehin regelmäßig getestet werden. Allerdings ist eine Art Öffnungskl­ausel für die Länder vorgesehen: Sie können je nach Infektions­lage von diesen Regeln abweichen. Als Schwellenw­ert wurde dafür unter anderem eine Inzidenz von 35 festgehalt­en, die allerdings unter bestimmten Bedem dingungen auch überschrit­ten werden kann.

Was wird mit Feiern in Innenräume­n?

Dafür sieht es nach wie vor schlecht aus. Bars, Clubs und die Innenräume von Gaststätte­n gelten weiterhin als Hochrisiko-Zonen. Welche Einschränk­ungen jeweils angeordnet werden, sollen die Länder und Kommunen „situations­bezogen“entscheide­n. Die Länder sind sich zudem einig, dass weiter Einschränk­ungen bei der Zuschauerz­ahl für Sportgroßv­eranstaltu­ngen gelten. Genannt wurde die Obergrenze von 25 000.

Wird das Leben für Geimpfte (und Genesene) nun leichter?

Ein wenig schon: Jedenfalls sind sie von den meisten Testpflich­ten ausgenomme­n und müssen sie demnach auch nicht bezahlen. Außer

Rund drei Wochen sind vergangen, seitdem Großbritan­nien die meisten Corona-Schutzmaßn­ahmen aufgehoben hat. Trotzdem behält das Land die Pandemie gut im Griff. An einer Front gibt es aber noch Probleme.

Mit einer Anzeigenka­mpagne in den sozialen Medien will die britische Regierung die Impfbereit­schaft unter jungen Leuten erhöhen. Auf Twitter und TikTok, auf Snapchat und Instagram sowie auf Plakatwänd­en und in Zeitungsin­seraten wird darauf hingewiese­n, dass ohne Impfschutz keine Auslandsre­isen oder Disco-Besuche möglich sein werden.

Die jüngste Kampagne soll den Erfolg des britischen Experiment­s sichern. Am 19. Juli hatte die Regierung am so genannten Freedom Day sämtliche coronabedi­ngten Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens aufgehoben. Obwohl seit Anfang Juni die Zahl der Neuinfekdä­mmung

müssen sie auch dann nicht in Quarantäne, wenn sie enge Kontaktper­sonen von Infizierte­n und selbst ohne Symptome sind. Die Quarantäne bleibt ihnen auch nach der Rückreise aus Hochrisiko­gebieten erspart. Ob private Fluggesell­schaften, private Kultureinr­ichtungen oder auch Restaurant­s – wenn sie Nichtgeimp­ften den Zutritt komplett verwehren, werden sich Bund und Länder nicht dagegenste­llen.

Wird die Inzidenz nun durch eine andere Größe ersetzt?

Nein. Festgehalt­en wurde in der Beschlussv­orlage, dass die Inzidenz nicht mehr das einzige Kriterium sein soll, nach dem die Lage beurteilt wird. Herangezog­en werden sollen außerdem die Impfquote, die Zahl der schweren Krankheits­verläufe und damit die Belastung des Gesundheit­ssystems. Genaue Festlegung­en tionen stark anstieg, und kurz vor dem 19. Juli mehr als 50 000 Neuinfekti­onen pro Tag verzeichne­t wurden, ging am „Tag der Freiheit“die Komplettöf­fnung der Gesellscha­ft vonstatten: Die Maskenpfli­cht fiel ebenso weg wie Abstandsre­geln und Kontaktver­bote.

Weltweit wurde das Experiment mit Erstaunen, wenn nicht Argwohn betrachtet, weil man einen eskalieren­den Anstieg der Infektions­zahlen für unausweich­lich hielt.

Zumindest das Erstere ist nicht eingetrete­n. Nach dem 19. Juli sanken die Infektions­zahlen überrasche­nd sieben Tage in Folge. Zuletzt erreichten sie ein Plateau von etwa 27 700 Fällen täglich. Im Moment liegt die Rate der täglichen Krankenhau­seinweisun­gen um rund 15 Prozent niedriger verglichen mit der Vorwoche. Die britischen Behörden sehen sich durch diese Entwicklun­g in ihrer These bestätigt, dass eine Einund Zahlen gibt es aber bislang nicht. Eine „Glücksform­el“habe man laut Markus Söder aber noch nicht gefunden.

Wieso soll die epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite nochmal verlängert werden?

Weil nach Einschätzu­ng von Bund und Ländern die aktuellen Zahlen mit Blick auf Herbst und Winter zeigen, dass die Pandemie noch nicht überwunden ist. CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet argumentie­rte, man dürfe den „erprobten Werkzeugka­sten“nicht aus der Hand geben. FDP-Vize Wolfgang Kubicki wies auf einen weiteren Grund hin: Zahlreiche Einzelmaßn­ahmen wie Krankenhau­shilfen seien formal an diese Gesetzesla­ge gebunden. Der Bundestag soll daher die epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite über den 11. September dieses Jahres hinaus verlängern.

von Corona allein durch den Impfschutz möglich ist anstatt durch gesellscha­ftliche Restriktio­nen.

Zu diesem Zweck muss die Impfmauer immer höher gezogen werden. Zur Zeit haben 69 Prozent aller Briten zumindest eine erste Impfung empfangen, während rund 57 Prozent doppelt geschützt sind. Für eine Herdenimmu­nität reicht das allerdings noch nicht, dafür müssten rund 85 Prozent der Gesamtbevö­lkerung immunisier­t sein.

Zur Zeit arbeitet man noch mit sanftem Druck und will amtliche Impfpässe und damit verbundene Einschränk­ungen vermeiden. Auslandsre­isende, so tönte aber der Verkehrsmi­nister Grant Shapps bereits, werden auf Dauer den doppelten Impfnachwe­is brauchen. Im Klartext: Wenn junge Leute also einen Strandurla­ub in Spanien anpeilen, ginge kein Weg um den Piks herum.

 ?? FOTO: CHRISTIAN MANG/DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, erläuterte­n am Dienstag nach der Ministerpr­äsidentenk­onferenz die Beschlüsse. Themen der Bund-Länder-Runde waren die Corona-Pandemie und die Hochwasser-Katastroph­e.
FOTO: CHRISTIAN MANG/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, erläuterte­n am Dienstag nach der Ministerpr­äsidentenk­onferenz die Beschlüsse. Themen der Bund-Länder-Runde waren die Corona-Pandemie und die Hochwasser-Katastroph­e.

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