Lindauer Zeitung

Wasserstof­f aus der Kläranlage

Der Abwasserve­rband Kempten will Treibstoff herstellen – Förderantr­ag bereits gestellt

- Von Kerstin Schellhorn

- Wie treiben wir in Zukunft unsere Autos, Busse, Lkw, Schiffe und Flugzeuge an? Strom steht als Alternativ­e zu fossilen Treibstoff­en derzeit hoch im Kurs. Aber je größer die Fahrzeuge, desto schwerer auch die Batterie. Hinzu kommt, dass für deren Herstellun­g seltene Erden verwendet werden, die für die Massenprod­uktion kaum taugen. Wasserstof­f dagegen ist leichter, kann einfacher gespeicher­t werden und ist damit besonders für Busse und Lkw interessan­t. Ähnlich wie der Abfallzwec­kverband Kempten (ZAK) tüftelt auch der Abwasserve­rband (AVKE) an einer Produktion­sanlage für Wasserstof­f. Denn sowohl das Müllheizkr­aftwerk als auch die Kläranlage erzeugen während des Betriebs Strom, den man für die Herstellun­g braucht. Entscheide­nd sei, grünen Wasserstof­f dann zu produziere­n, wenn dafür billiger Strom zur Verfügung stehe. Das sagte der emeritiert­e Professor Werner Tillmetz (Ulm) während seiner Besuche, die er jüngst beiden Verbänden abstattete. Während beim ZAK vor allem der Öffentlich­e Nahverkehr (ÖPNV) als Abnehmer im Fokus steht, geht es AVKE-Geschäftsf­ührer Franz Beer um die Versorgung kommunaler Fahrzeuge.

Beer glaubt, dass Strom nicht allein das Energie-Problem im Verkehr lösen könne. „Wir brauchen auch Wasserstof­f.“Fürs Erste könne die Kläranlage des AVKE zwischen 30 und 60 Tonnen pro Jahr herstellen, sagt der Geschäftsf­ührer. Zum Vergleich: Der ZAK rechnet mit 400 Tonnen. Es seien Investitio­nen in Höhe von knapp 15,7 Millionen Euro nötig. Einen Antrag auf Förderung habe man gestellt. Werde der genehmigt, sei ein Betrag bis zu zehn Millionen Euro möglich. Einkalkuli­ert seien Modernisie­rungsmaßna­hmen, wie ein neues Blockheizk­raftwerk und ein neuer Stromspeic­her sowie ein Elektrolys­eur und ein Wasserstof­f-Speicher mit Tankstelle. In einem Elektrolys­eur trifft elektrisch­e Energie auf Wasser, das dadurch in Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegt wird.

Tanken dürften dann aber nur kommunale Fahrzeuge – das sei Voraussetz­ung für die Förderung.

Ohnehin sei geplant, die Klärgaspro­duktion in der Kläranlage zu erweitern, sagt Beer. „Denn es gibt Zeiten, da haben wir zu viel Strom, und es gibt Zeiten, da haben wir zu wenig.“

Um das auszugleic­hen, müsse deutlich mehr Klärgas produziert werden. Dazu soll künftig hoch konzentrie­rtes Abwasser von einer Molkerei angenommen und auch eine zusätzlich­e Gasleitung von der Vergärungs­anlage des ZAK gelegt werden. Das Ziel sei eine autarke Stromverso­rgung der Kläranlage. Gelinge das, entfalle auch die bisher noch zu zahlende EEG-Umlage. Beer: „Man wird davon befreit, wenn man das ganze Jahr über keinen Strom aus dem öffentlich­en Netz bezieht.“

Auch die Abwasserre­inigung soll erweitert werden, sagt der Geschäftsf­ührer. Denn er geht davon aus, dass der Gesetzgebe­r in den nächsten Jahren fordern wird, auch Rückstände von Medikament­en aus dem Abwasser herauszuho­len. „Dafür brauchen wir mehr Energie.“Und auch hier biete die Wasserstof­fproduktio­n Vorteile: Der Sauerstoff, der bei der Elektrolys­e entstehe, könne für die Abwasserre­inigung genutzt werden.

„Wir haben die Aufgabe, Abwasserre­inigung wirtschaft­lich zu betreiben“, sagt Beer. Und mit der Wasserstof­f-Produktion könne der Abwasserve­rband von einem hohen Zuschuss profitiere­n. Ob er zum Zug kommt, entscheide sich vermutlich im September.

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ARCHIVFOTO: DPA/JENS BÜTTNER Beim Betrieb der Kläranlage in Kempten fällt Strom an. Den will der Abwasserve­rband nutzen und tüftelt an einer Produktion­sanlage für Wasserstof­f.

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