Wasserstoff aus der Kläranlage
Der Abwasserverband Kempten will Treibstoff herstellen – Förderantrag bereits gestellt
- Wie treiben wir in Zukunft unsere Autos, Busse, Lkw, Schiffe und Flugzeuge an? Strom steht als Alternative zu fossilen Treibstoffen derzeit hoch im Kurs. Aber je größer die Fahrzeuge, desto schwerer auch die Batterie. Hinzu kommt, dass für deren Herstellung seltene Erden verwendet werden, die für die Massenproduktion kaum taugen. Wasserstoff dagegen ist leichter, kann einfacher gespeichert werden und ist damit besonders für Busse und Lkw interessant. Ähnlich wie der Abfallzweckverband Kempten (ZAK) tüftelt auch der Abwasserverband (AVKE) an einer Produktionsanlage für Wasserstoff. Denn sowohl das Müllheizkraftwerk als auch die Kläranlage erzeugen während des Betriebs Strom, den man für die Herstellung braucht. Entscheidend sei, grünen Wasserstoff dann zu produzieren, wenn dafür billiger Strom zur Verfügung stehe. Das sagte der emeritierte Professor Werner Tillmetz (Ulm) während seiner Besuche, die er jüngst beiden Verbänden abstattete. Während beim ZAK vor allem der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) als Abnehmer im Fokus steht, geht es AVKE-Geschäftsführer Franz Beer um die Versorgung kommunaler Fahrzeuge.
Beer glaubt, dass Strom nicht allein das Energie-Problem im Verkehr lösen könne. „Wir brauchen auch Wasserstoff.“Fürs Erste könne die Kläranlage des AVKE zwischen 30 und 60 Tonnen pro Jahr herstellen, sagt der Geschäftsführer. Zum Vergleich: Der ZAK rechnet mit 400 Tonnen. Es seien Investitionen in Höhe von knapp 15,7 Millionen Euro nötig. Einen Antrag auf Förderung habe man gestellt. Werde der genehmigt, sei ein Betrag bis zu zehn Millionen Euro möglich. Einkalkuliert seien Modernisierungsmaßnahmen, wie ein neues Blockheizkraftwerk und ein neuer Stromspeicher sowie ein Elektrolyseur und ein Wasserstoff-Speicher mit Tankstelle. In einem Elektrolyseur trifft elektrische Energie auf Wasser, das dadurch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird.
Tanken dürften dann aber nur kommunale Fahrzeuge – das sei Voraussetzung für die Förderung.
Ohnehin sei geplant, die Klärgasproduktion in der Kläranlage zu erweitern, sagt Beer. „Denn es gibt Zeiten, da haben wir zu viel Strom, und es gibt Zeiten, da haben wir zu wenig.“
Um das auszugleichen, müsse deutlich mehr Klärgas produziert werden. Dazu soll künftig hoch konzentriertes Abwasser von einer Molkerei angenommen und auch eine zusätzliche Gasleitung von der Vergärungsanlage des ZAK gelegt werden. Das Ziel sei eine autarke Stromversorgung der Kläranlage. Gelinge das, entfalle auch die bisher noch zu zahlende EEG-Umlage. Beer: „Man wird davon befreit, wenn man das ganze Jahr über keinen Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht.“
Auch die Abwasserreinigung soll erweitert werden, sagt der Geschäftsführer. Denn er geht davon aus, dass der Gesetzgeber in den nächsten Jahren fordern wird, auch Rückstände von Medikamenten aus dem Abwasser herauszuholen. „Dafür brauchen wir mehr Energie.“Und auch hier biete die Wasserstoffproduktion Vorteile: Der Sauerstoff, der bei der Elektrolyse entstehe, könne für die Abwasserreinigung genutzt werden.
„Wir haben die Aufgabe, Abwasserreinigung wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Beer. Und mit der Wasserstoff-Produktion könne der Abwasserverband von einem hohen Zuschuss profitieren. Ob er zum Zug kommt, entscheide sich vermutlich im September.