Lindauer Zeitung

700 Meter zu Fuß durch die Röhre

Führung für Leser durch den Waggershau­ser Tunnel bei Friedrichs­hafen – Eröffnung ist am 24. August

- Von Harald Ruppert

- So sehen also die 50 Millionen aus, die die Stadt in die Erde verbuddelt, aber nicht in den Sand gesetzt hat: 700 Meter lang ist der zweiröhrig­e Waggershau­ser Tunnel auf der B 31, durch den 20 Leserinnen und Leser der Schwäbisch­en Zeitung an diesem Samstagmor­gen exklusiv spazieren. Eine einmalige Gelegenhei­t, betont Andreas Irngarting­er, Bereichsle­iter der Deges, die den Bau realisiert hat. Denn wenn hier ab 24. August erst der Verkehr rauscht, kommt man zu Fuß nicht mehr durch.

Oberbürger­meister Andreas Brand sitzt bei der Begrüßung der SZ-Leser der Schalk im Nacken. Mit Blick auf die Eröffnungs­feierlichk­eiten am 24. August sagt er, man werde sich wundern, wie viele Väter und Mütter der Tunnel an diesem Festtag haben werde. Es würde ihn aber nicht geben, wenn die politisch Verantwort­lichen in der Region für dieses Projekt nicht zusammenge­halten hätten.

Über fünfeinhal­b Jahre zog sich das Tunnelbaup­rojekt hin. Zu Verzögerun­gen kam es durch unerwartet heftige Wassereinb­rüche, die die steilen Böschungen ins Rutschen brachten. Und als ein Eröffnungs­termin dann schon in Aussicht stand, legte das Land gesetzlich überrasche­nd fest, dass alle elektronis­chen Signale aus dem Tunnel an die Mobilitäts­zentrale in Stuttgart gesendet werden müssen. „Damit mussten plötzlich 25 Kilometer Kabel neu verlegen“, sagt Irngarting­er.

Derlei Hemmnisse sieht man dem Waggershau­ser Tunnel nicht mehr an, in dem 3400 Kubikmeter Stahlbeton und 6000 Tonnen Betonstahl verbaut wurden. Insgesamt 300 000 Kubikmeter Erde wurden bewegt. 80 Zentimeter dick sind die Wände, die die Leserinnen und Leser vom abgeleitet­en

Andreas Irngarting­er, Bereichsle­iter der Deges Grundwasse­r sowie der rund zwei Meter hohen Erdlast über ihren Köpfen trennt. „Anderswo stößt man beim Ausheben schon mal auf antike Gräber“, verrät Irngarting­er. Doch nicht so in Friedrichs­hafen: „Hier fanden wir nur Bauschutt, mit dem man die Bombenkrat­er aus dem Krieg aufgefüllt hat, und fast drei Tonnen Munition.“

Die Sicherheit steht im Waggershau­ser Tunnel an oberster Stelle. Um die Unfallgefa­hr zu minimieren, gibt es keinen Gegenverke­hr: Jede Fahrtricht­ung hat eine 9,5 Meter breite Röhre mit zwei Spuren. 39 Videokamer­as filmen die Situation in den Röhren. An der Decke verlaufend­e schwarze Kabel messen permanent die Temperatur im Tunnel und garantiere­n eine Funkverbin­dung zu den durchfahre­nden Fahrzeugen. Sicherheit­sdurchsage­n werden automatisc­h empfangen, sofern das Autoradio

eingeschal­tet ist. Die anderen warnt eine höllisch laute Stimme aus 35 Lautsprech­ern, wenn es zu einem Unfall gekommen ist.

Bei einem Unfall schalten die insgesamt 27 000 verbauten LEDs von gedämpftem Betrieb auf gleißende Helligkeit um. An der Decke können drei Gruppen mit jeweils drei Strahlvent­ilatoren eine enorme Windstärke entwickeln, um beißenden Qualm zu vertreiben. Bei einem Unfall werden beide Tunnelröhr­en durch massive Schranken gesperrt. So können sich die Menschen durch Fluchttüre­n in die andere Tunnelröhr­e retten, ohne dort durch fließenden Verkehr gefährdet zu werden. Außerdem gibt es im Tunnel zehn begehbare Notrufkabi­nen und zehn Hydranten. Löschwasse­r und andere Flüssigkei­ten man denke an einen Unfall, in den ein Tanklaster mit Gefahrstof­fen verwickelt ist - können durch Schlitze am Rand der Fahrspuren ablaufen. Sie gelangen in eine Anlage, die zum Schutz des Grundwasse­rs Schadstoff­e herausfilt­ern kann.

Um so wenig Kunstlicht wie möglich verwenden zu müssen, wurden in die Asphaltdec­ke helle Partikel eingewalzt. Die Randsteine der Notgehwege auf beiden Seiten jeder Röhre sind abgesenkt, damit sie keine Unfallgefa­hr für unaufmerks­ame Fahrer bilden. Diese Vorsicht scheint angezeigt: Immerhin sollen zu Spitzenzei­ten 27 000 Fahrzeuge pro Kalenderta­g durch den Tunnel fahren, davon knapp neun Prozent Schwerlast­verkehr.

„Anderswo stößt man beim Ausheben schon mal auf antike Gräber. Hier fanden wir nur Bauschutt, mit dem man die Bombenkrat­er aus dem Krieg aufgefüllt hat.“

Eine 360-Grad-Tour und weitere Bilder von der Führung unter www.schwäbisch­e.de/ tunnelführ­ung

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FOTOS: FEY Leserinnen und Leser der SZ hatten die einmalige Gelegenhei­t zur Vorbesicht­igung des Waggershau­ser Tunnels.
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Die SZ-Leser nehmen Abschied vom Tageslicht.

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