Lindauer Zeitung

In Sachen Klimaschut­z wird es ernst

Parteien schlagen sehr unterschie­dliche Wege zur Reduktion von Emissionen vor

- Von Igor Steinle

- Der Bericht des Weltklimar­ates und die Flutkatast­rophe im Westen haben die Klimapolit­ik in den Mittelpunk­t des Wahlkampfe­s gerückt. Wer macht die besten Vorschläge?

Patrick Graichen hatte fast schon prophetisc­he Weitsicht. Kurz bevor das Bundesverf­assungsger­icht die Regierung zu mehr Klimaschut­z verdonnert­e, hat der Chef der Denkfabrik „Agora Energiewen­de“gemeinsam mit anderen Thinktanks einen Plan vorgelegt, wie Deutschlan­d schon 2045 klimaneutr­al werden, also fünf Jahre früher als geplant auf den Ausstoß von Kohlendiox­id verzichten könnte. Er wurde gehört. Die Regierung präsentier­te ein neues, verschärft­es Klimaschut­zgesetz. Dieses zwingt kommende Regierunge­n, die klimaschäd­lichen Emissionen drastisch zu reduzieren.

Wie das allerdings geschehen soll, ließ die Große Koalition offen. Graichen fordert: „Damit auf Ziele Taten folgen, muss die künftige Bundesregi­erung innerhalb der ersten 100 Tage das größte Klimaschut­z-Sofortprog­ramm, das es in der Geschichte der Bundesrepu­blik je gegeben hat, auf den Weg bringen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Welche Vorschläge machen die Parteien (mit Ausnahme der AfD, die den menschenge­machten Klimawande­l leugnet) also, um das große Ziel Klimaneutr­alität zu erreichen? Werden sie der Forderung gerecht?

Verkehr:

Grundsätzl­ich ist in den Wahlprogra­mmen eine klare Trennlinie zu erkennen: auf der einen Seite Union und FDP, die technologi­eoffene und marktbasie­rte Lösungen anstreben, auf der anderen Seite SPD, Grüne und Linke, die Wirtschaft und Verbrauche­rn klare Vorgaben machen wollen. Am besten lässt sich das beim Verkehr ausmachen: Nicht nur ist Schwarz-Gelb gegen ein Tempolimit auf Autobahnen, Rot-Rot-Grün dafür. Uneinigkei­t herrscht auch beim Thema E-Mobilität. Zwar ist allen klar, dass die Zukunft elektrisch ist. 14 Millionen E-Autos müssen bis 2030 auf der Straße sein, damit die Klimaziele erreicht werden, schätzt Graichen.

Bei der Frage allerdings, ob die Autos batteriebe­trieben oder mit CO2-freien Kraftstoff­en fahren werden, herrscht Uneinigkei­t. Umweltschü­tzer plädieren für die Batterie, weil sie weniger Energie verbraucht, die Wirtschaft für Technologi­eoffenheit. Dementspre­chend setzen Union und FDP darauf, dass der Markt die beste Lösung findet. Grüne und Linksparte­i fordern, dass nach 2030 keine Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Dazwischen die SPD, die Deutschlan­d zwar zu einem führenden Batteriest­andort machen will, aber kein konkretes Auslaufdat­um für den Verbrenner fordert.

CO2-Preis:

Eine große Rolle spielt auch die Abgabe auf CO2. Sie wird von vielen Ökonomen als Königsinst­rument der Klimapolit­ik angesehen. Die Idee: Wenn sich der Ausstoß von CO2 verteuert, werden Verbrauche­r und Unternehme­n von alleine auf umweltfreu­ndliche Alternativ­en umsteigen. Im Verkehr würde sich das E-Auto schneller durchsetze­n, beim Heizen die Wärmepumpe und in Stahlfabri­ken der Wasserstof­f. Die Parteien bleiben bei dem Thema jedoch vage. Konkret werden nur die Grünen, die bereits für 2023 einen Anstieg der Steuer auf 60 Euro je Tonne CO2 fordern, 25 Euro mehr als ohnehin vorgesehen, womit Benzin sich um 16 Cent verteuern würde. Bei der Union ist lediglich davon die Rede, den Aufwuchspf­ad zu „straffen“. Die Linke ist gegen einen höheren CO2-Preis. Alle Parteien sind sich einig, die höheren Belastunge­n durch Entlastung­en an anderer Stelle auszugleic­hen.

Erneuerbar­e Energie:

Aufgrund der Elektrifiz­ierung wird der Stromverbr­auch in den kommenden Jahrzehnte­n stark ansteigen. Die große Herausford­erung lautet deswegen, mehr Strom zu erzeugen, ohne das Klima zu belasten. Die Energiewir­tschaft schätzt, dass bis 2030 jährlich 1500 neue Windräder nötig sind – während Genehmigun­gsverfahre­n nach wie vor zu lange dauern und es mehr Flächen bräuchte. Aktuell gibt es knapp 30 000 Windräder.

Die Union will Genehmigun­gsprozesse straffen und mit einem „Sonnenpakt“den Ausbau der Photovolta­ik stärker fördern. Konkrete Zahlen werden nicht genannt. Auch nicht bei der FDP, die darauf setzt, dass erneuerbar­e Energien sich mit steigenden CO2-Preisen von alleine durchsetze­n. Bei der SPD ist von einem „Zukunftspa­kt“die Rede, in dem Bund, Länder und Kommunen gemeinsame Ausbauziel­e beschließe­n sollen, mit dem Ziel einer zu 100 Prozent grünen Stromverso­rgung bis 2040. Die Linke will dies sogar schon 2035. Noch konkreter werden die Grünen, die eine Million Solardäche­r in den kommenden vier Jahren fordern und diese bei Neubauten vorschreib­en wollen. Zudem möchten sie bereits 2030 aus der Kohle aussteigen und zwei Prozent der Landfläche für Windkraft zur Verfügung stellen.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Windkrafta­nlagen spielen in den Vorschläge­n der Parteien zur Rettung des Klimas eine entscheide­nde Rolle.

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