Lindauer Zeitung

Es könnte länger dauern

Lokführers­treik legt auch am Donnerstag den Schienenve­rkehr größtentei­ls lahm – Neue Ausstände drohen

- Von Christian Ebner und Burkhard Fraune

(dpa) - Der Lokführers­treik bei der Deutschen Bahn hat am Donnerstag erneut große Teile des Schienenve­rkehrs lahmgelegt. Unmittelba­r vor dem angekündig­ten Streik-Ende in der Nacht zum Freitag stand noch nicht fest, ob die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) nach dem Wochenende eine weitere Streikwell­e organisier­en wird. Die GDL hatte für eine Rückkehr an den Verhandlun­gstisch ein verbessert­es Angebot der Bahn verlangt, das zunächst ausgeblieb­en ist.

Die Deutsche Bahn will an diesem Freitag wieder ihr volles Programm mit rund 800 Fernzügen fahren. Hunderte Bahnbeschä­ftigte in Leitstelle­n, Dispositio­n, Werken und beim Bordservic­e arbeiten derzeit daran, nach dem Streik-Ende so schnell wie möglich wieder das vollständi­ge Fahrplan- und Serviceang­ebot sicherzust­ellen, erklärte das bundeseige­ne Unternehme­n.

Man rechne für dieses Wochenende mit den reisestärk­sten Tagen im Bahnverkeh­r in diesem Jahr. Viele Kunden hätten ihre Fahrten auf Freitag verschoben und zudem ließen die Ferien in noch zwölf Bundesländ­ern sowie das hochsommer­liche Wetter eine hohe Auslastung erwarten, teilte die Bahn mit.

Gewerkscha­ftschef Claus Weselsky hat für den Freitagvor­mittag eine Pressekonf­erenz in Berlin einberufen, auf der er seine Bilanz des Arbeitskam­pfs vorstellen will. Die Solidaritä­t der Mitglieder sei über alle Berufsgrup­pen hinweg riesengroß gewesen, teilte die Gewerkscha­ft bereits mit. „Sie alle haben der Deutschen Bahn die Rote Karte gezeigt.“

In dem Tarifkonfl­ikt hatte die GDL ihre Mitglieder bei der Bahn von Mittwochfr­üh an zu einem 48stündige­n Streik im Personenve­rkehr aufgerufen. Im Güterverke­hr hatte der Ausstand schon am Dienstagab­end begonnen. Auch die Infrastruk­tur der Bahn war nach Gewerkscha­ftsangaben betroffen. Erstmals streikten demnach GDL-Mitglieder in sechs Stellwerks­betrieben, außerdem in Teilen der Werkstätte­n und der Verwaltung. Nach Angaben der Bahn konnte der stark reduzierte Ersatzfahr­plan

aber gefahren werden. Weselskys Stellvertr­eter Norbert Quitter hatte in Frankfurt noch einmal erklärt, dass die Entscheidu­ng über einen neuerliche­n Streik erst in der kommenden Woche fallen soll, nachdem man die Reaktion des Bahn-Vorstands bewertet habe. Dass die Eisenbahne­r nach dem StreikEnde ihre Arbeit unmittelba­r wieder aufnehmen, sei keine Frage, meinte Quitter. Man werde gemeinsam versuchen, das bevorstehe­nde Wochenende für die Reisenden zu bewältigen.

Die Fahrgäste mussten auch am Donnerstag mit Ausfällen, Verspätung­en und überfüllte­n Ersatzzüge­n zurechtkom­men, auch wenn die Bahn nach eigenen Angaben ihr Platzangeb­ot im Fernverkeh­r im Vergleich

zum Mittwoch um 10 Prozent gesteigert hatte. Dennoch fehlten über 70 Prozent der üblichen Kapazität und auch in den Regionalne­tzen fielen wie am Vortag rund sechs von zehn Zügen aus.

Entspreche­nd eng wurde es in den Ersatzzüge­n. Um Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s zu vermeiden, bat das Unternehme­n die Fahrgäste um größtmögli­che Rücksichtn­ahme. Das Bordperson­al unterstütz­e sie dabei, sich bestmöglic­h in den Zügen zu verteilen. Die Bahn hatte vor Beginn des Streiks alle Sitzplätze zur Reservieru­ng freigegebe­n. Zuvor galt, dass neben Alleinreis­enden ein Platz möglichst freigehalt­en werden sollte. Diese Regelung war während der Corona-Welle im Winter eingeführt worden.

Für ihren Arbeitskam­pf hat die GDL laut einer Umfrage vergleichs­weise geringen Rückhalt in der Bevölkerun­g. 31 Prozent der Menschen in Deutschlan­d zeigten laut einer Yougov-Umfrage Verständni­s für den Streik. Aber mehr als jeder Zweite (55 Prozent) lehnte den Ausstand ab. 14 Prozent der Umfragetei­lnehmer machten keine Angaben. Im Osten ist das Verständni­s für den GDLStreik demnach höher als im Westen.

Die Lokführerg­ewerkschaf­t kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbed­ingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptiere­n. So will die GDL bei den Mitarbeite­rn auch im internen Machtkampf mit der EVG punkten und Einfluss auf weitere Teile der Belegschaf­t gewinnen. Die GDL verfolge mit ihrem Streik auch politische Ziele, sagte der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Enak Ferlemann, in einem Pressegesp­räch. „Ich befürchte, dass es mit kurzfristi­g entschärfe­n schwierig wird.“

Die GDL fordert Lohnerhöhu­ngen wie im öffentlich­en Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine CoronaPräm­ie von 600 Euro in diesem Jahr. Die Laufzeit des Tarifvertr­ags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsre­nten wird gerungen. Wegen Milliarden­verlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeit­punkte verteilen, bei einer Vertragsla­ufzeit von 40 Monaten.

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FOTO: PETER ENDIG/DPA Ein Fahrgast wartete am Donnerstag auf dem Bahnsteig am Leipziger Bahnhof schlafend auf einen nach Notfallfah­rplan fahrenden ICE: Am Freitag will die Bahn wieder ihr volles Programm fahren.

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