Lindauer Zeitung

Die Suche nach dem widerstand­sfähigsten Wein

Für Winzer werden die Extremwett­er immer herausford­ernder – Forscher suchen deshalb nach Rebsorten, die sich im Klimawande­l behaupten

- Von Peter Zschunke

(dpa) Nach drei trockenen Jahren macht den Winzern in diesem Jahr die große Feuchtigke­it zu schaffen. Bei vielen wächst die Sorge, dass die Ausschläge in die eine wie die andere Richtung zunehmend extrem werden. „Der Klimawande­l ist eine große Herausford­erung“, sagt die rheinhessi­sche Winzerin Janine Brüssel in Bechtheim im Kreis Alzey-Worms.

In den heißen und trockenen Jahren von 2018 bis 2020 hatte sie Mühe, die Weine frisch und leicht zu halten. Ein Rotwein habe 2018 im Fass einen Alkoholwer­t von 16 Prozent erreicht – „das war nur noch brandig und schnapsig“und deswegen nicht zur Flaschenab­füllung geeignet. Seitdem haben die meisten Winzer reagiert: Die Trauben werden möglichst früh gelesen, damit sie nicht zu reif werden.

Über Jahrhunder­te hinweg waren die Winzer in Deutschlan­d froh, wenn die Trauben zuckersüß wurden. „In 13 von 23 Jahrgängen vor 1987 ist der Riesling an der Mosel nach heutigen Maßstäben an den meisten Standorten nicht wirklich reif geworden“, sagt Edgar Mueller vom Dienstleis­tungszentr­um Ländlicher Raum (DLR) in Bad Kreuznach. Mit der Erwärmung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt seit den 1990erJahr­en sei das kein Thema mehr.

„Inzwischen ist der pH-Wert wichtiger als der Oechsle-Grad“, sagt Janine Brüssel. Die OechsleGra­de zeigen das Mostgewich­t des Zuckergeha­lts und anderer gelöster Stoffe im Traubensaf­t an. Der pHWert für den Säuregrad zeigt an, ob ein Wein sauer schmeckt. Bei pHWerten über 3,3 gebe es zu wenig Säure für frische Weine, sagt die Winzerin.

Alle Kniffe und handwerkli­chen Künste in Weinberg und Keller reichen aber auf Dauer wohl nicht aus, um den Weinbau klimawande­lresistent zu machen. Deshalb erforscht Reinhard Töpfer am Institut für Rebenzücht­ung, wie neue Rebsorten besser mit den Bedingunge­n der globalen Erwärmung zurechtkom­men können. An der Einrichtun­g des Julius-Kühn-Instituts (JKI), des Bundesfors­chungsinst­ituts für Kulturpfla­nzen, haben Züchter 15 000 Sämlinge von Reben mit unterschie­dlicher genetische­r Ausstattun­g im Blick.

Auf dem Geilweiler­hof in Siebelding­en, Kreis Südliche Weinstraße, werden diese in vier Zuchtstufe­n nach ihren besonderen Eigenschaf­ten selektiert. Nur 160 Rebsorten haben es in die Vorprüfung geschafft, sie zeigten positive Eigenschaf­ten wie Resistenz gegenüber Krankheite­n oder Klimastres­s. Aber auch von diesen werden wiederum etliche aussortier­t. In der Zwischenpr­üfung sind zurzeit 25 Zuchtlinie­n. „Was dann übrig bleibt, sind sehr gute Kandidaten“, erklärt Institutsl­eiter Töpfer.

Nur zwei dieser pilzwiders­tandsfähig­en Rebsorten, kurz Piwi genannt, befinden sich zurzeit in der Hauptprüfu­ng. Eine von ihnen ist die Rotwein-Sorte mit der Züchtungsn­ummer Gf.2004-043-0010. Sie wurde schon 2004 gekreuzt, wobei ein Elternteil die ebenfalls auf dem Geilweiler­hof entstanden­e Rebsorte Calandro ist, welche wiederum aus den Rebsorten Regent und Domina entstanden ist. Der andere Elternteil kommt aus einer französisc­hen Zuchtlinie. „Wir haben die Resistenze­n beider ElternRebs­orten vereinigt, sowohl gegen den Echten als auch gegen den Falschen Mehltau“, erklärt Töpfer.

Auch hätten die Trauben von Gf.2004-043-0010 in den vergangene­n heißen Jahren so gut wie keinen Sonnenbran­d gezeigt. Von dieser Schädigung bei zu starker Sonneneins­trahlung

waren in den Jahren 2018 bis 2020 klassische Rebsorten wie der Riesling betroffen.

Eine Rebsorte müsse ganzheitli­ch stimmig sein, sagt Töpfer. Ertrag und Qualität müssten stimmen, die Krankheits­resistenz müsse möglichst breitgefäc­hert sein und ebenso müsse es eine ausgeprägt­e Widerstand­sfähigkeit gegen klimatisch­e Einflüsse geben. „Was wir als großes Damokles-Schwert sehen, ist die Ausbreitun­g neuer Schaderreg­er.“So sei die von einer Rebzikade übertragen­e Goldgelbe Vergilbung (Flavescenc­e dorée) seit Jahren auf dem Weg von Süd nach Nord. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann diese Krankheit auch in deutschen Anbaugebie­ten angekommen sei.

Alle 13 Weinanbaug­ebiete in Deutschlan­d sind vom Klimawande­l betroffen – auch in Sachsen ist deswegen das Interesse an den PiwiRebsor­ten da. Ein großes Problem ist die Vermarktun­g, aber spätestens mit der Änderung des Weingesetz­es in diesem Jahr stehen nicht so sehr die Rebsorten wie vor allem die Herkunft im Mittelpunk­t. Und neue Formen der Vermarktun­g von PiwiWeinen „bieten die Möglichkei­t, besondere Geschichte­n zu den Weinen zu erzählen, was heutzutage in der Kundenansp­rache immer wichtiger wird“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut.

Weinanbau-Experte Mueller weist darauf hin, dass sich der Weinbau inzwischen in den Niederland­en, Polen, Dänemark, Schweden und England ausbreite. Selbst in Norwegen gebe es die ersten kleineren Rebflächen. „Aber unsere Probleme sind klein im Vergleich etwa zu Zentralspa­nien, wo der Weinbau an seine Grenzen stößt.“

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FOTO: PETER ZSCHUNKE/DPA In einem Weinberg des Instituts für Rebenzücht­ung in Siebelding­en wachsen Trauben, die besonders pilzwiders­tandsfähig sind. Bei den warmen Temperatur­en ist die Widerstand­sfähigkeit sehr wichtig.

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