Mitarbeiter der TK-Lindau kündigen reihenweise
Der „Fachkräftemangel“sei hausgemacht, sagen sie – Geschäftsführer Hannes Rösch hält sich bedeckt
- Hinter den Kulissen brodelt es bei den Lindauer Stadtwerken gewaltig. Nachdem Geschäftsführer Hannes Rösch angekündigt hatte, dass für die Telekommunikation Lindau unter anderem wegen des Fachkräftemangels nun ein Partner gesucht werde, meldeten sich ein halbes Dutzend ehemaliger Mitarbeiter bei der LZ. Sie alle haben in den vergangenen Monaten gekündigt.
„Von Fachkräftemangel zu sprechen, ist pervers“, sagt Florian Küllmar im Gespräch. Er hatte seit April 2020 bei den Lindauer Stadtwerken als Systemingenieur gearbeitet. „Die TK Lindau war mein Traumjob.“Mittlerweile hat er gekündigt und ist in die Schweiz gezogen. „Ich habe sogar um einen Aufhebungsvertrag gebeten“, sagt er. Küllmar ist einer von insgesamt acht Mitarbeitern der TK Lindau, die ihren Job in den vergangenen Monaten an den Nagel gehängt haben. Das ist immerhin mehr als ein Viertel der gesamten TK-Lindau-Belegschaft, auch ehemalige Betriebsratsmitglieder sind darunter.
Küllmar und fünf weitere ehemalige Mitarbeiter haben sich gemeldet, nachdem die Stadtwerke in einer Pressemitteilung verkündet hatten, dass sie die Telekommunikation nicht mehr allein stemmen können und deswegen nun auf der Suche nach einem Partner für die Tochterfirma TK Lindau sind.
Die Entscheidung fußte auch auf der Analyse eines externen Beraters, den die Stadtwerke seit März eingesetzt hatten. „Eine strategische und analytische Überprüfung der Tochter durch einen externen Fachberater zeigte uns auf, dass die Sparte Telekommunikation und IT/Rechenzentrum ohne einen riesigen finanziellen Aufwand im Strukturwandel dieser Branche nicht zukunftsfähig und wirtschaftlich wäre“, hieß es damals in der Pressemitteilung. „Daraufhin hat die Geschäftsführung zusammen mit den zuständigen Gremien entschieden, für die Telekommunikation Lindau nach guten Partnern zu suchen.“
Er glaube aber, dass sich für die Lindauer Kunden nicht viel ändern wird, so Rösch damals auf Nachfrage. „Wir gehen davon aus, dass die Versorgungssicherheit für die Kunden gewährleistet ist“, sagte er. Zwar könne er das nicht versprechen, er glaube aber, dass auch die Preise für die Telekommunikation nicht oder nicht viel teurer würden. „Im besten Fall merkt der Kunde gar nichts.“
Im Gespräch mit der LZ sprach Stadtwerke-Geschäftsführer Hannes Rösch von Personalmangel. „Wir spüren den Fachkräftemangel enorm“, sagte er. Vor allem in den Bereichen Netzwerk und Systemadministration habe die TK Lindau Probleme, geeignete Fachkräfte zu finden.
„Dieser Fachkräftemangel ist hausgemacht“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Auch Gianetta Parrotta, die bis Mitte Mai bei der TK Lindau in der Systemadministration gearbeitet hat, sagt: „Das hat mit Fachkräftemangel nichts zu tun.“Laut Florian Küllmar haben allein drei von insgesamt vier Systemingenieuren gekündigt.
Als Grund geben alle ehemaligen Mitarbeiter übereinstimmend das Verhalten einer neuen Führungskraft
an, die Hannes Rösch im Sommer 2020 eingestellt hat. Gleichzeitig seien Mitarbeiter degradiert worden. „Unser Vorgesetzter hat sich geändert, vier Wochen später war ich kein Rechenzentrumsleiter mehr“, sagt Uwe Knöpfle, ehemalige Führungskraft bei den Stadtwerken. Die Begründung für seine Herabsetzung sei damals gewesen, bei der TK Lindau müssten nun Prozesse optimiert werden.
Geschäftsführer Hannes Rösch verweist auf eine schriftliche Stellungnahme. „Dass wir – gerade in einer sich derart rasant verändernden Branche wie der Telekommunikation – sehr weit in die Zukunft schauen und denken müssen, ist unsere Verantwortung unseren Kundinnen und Kunden und auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber“, schreibt er. Dabei ließen sich die Stadtwerke natürlich auch von externen Experten beraten, die die Branche und die Entwicklungen insgesamt und auf längere Sicht im Blick haben.
Gerade auch Corona habe aufgezeigt, welche Anforderungen künftig auf die verschiedenen Telekommunikationsbereiche zukämen und dass die Herausforderungen gewaltig sind. „Dass diese externen Beraterinnen und Berater zu einer Neuausrichtung unserer TK geraten haben, das mag bestimmt nicht jeder/ jedem gefallen haben und dafür haben wir viel Verständnis“, so Rösch. „Auch dafür, dass manche Kolleginnen und Kollegen diesen Weg nicht mit uns gehen mögen.“
Auf Nachfragen zu den Kündigungen geht Hannes Rösch nicht ein. Fest steht aber, dass der neue Vorgesetzte, den alle ehemaligen Mitarbeiter als Problem identifizieren, kein externer Berater, sondern fest bei den Stadtwerken angestellt ist. „Er wurde eingestellt, um zu koordinieren und zu optimieren“, sagt Uwe Knöpfle.
„Wir sind alle zum Betriebsrat“, sagt Gianetta Parrotta, „doch der konnte nichts ausrichten.“Das Schlimmste sei gewesen, dass die Probleme der Mitarbeiter keinen interessiert hätten – auch das sagen fast alle ehemaligen Mitarbeiter einstimmig. „Plötzlich waren alle weg, und keiner hat nachgefragt oder versucht, das zu verhindern“, sagt ein Mitarbeiter. Unter den ehemaligen Mitarbeitern gibt es längst Gerüchte,
dass die TK Lindau verkauft werden soll. Rösch spricht allerdings weiter von einem Partner, der für die TK Lindau gefunden werden soll. In einem halben Jahr soll der Wechsel bereits vollzogen sein. „Wir wollen Klarheit bis Jahresende“, sagte Rösch vor ein paar Wochen. Unklar ist, wie viel von der TK Lindau dann noch übrig bleibt – zum Beispiel, ob es sie namentlich dann noch geben wird.
Das Glasfasernetz soll bei einem zukünftigen Betriebsmodell in der Verantwortung der Stadtwerke Lindau bleiben, die nach dem Übergang als Infrastrukturgesellschaft fungieren, heißt es in der Pressemitteilung weiter. So können die Synergien mit dem Stadtwerkenetz auch weiterhin optimal ausgenutzt werden. Ganz ähnlich seien auch andere Stadtwerke mit den Veränderungen im Markt umgegangen.
Es sei die Verantwortung der Stadtwerke, „für das Unternehmen und für unsere Kundinnen und Kunden die besten und zukunftsfähigsten Entscheidungen zu treffen“, schreibt Rösch. „Und wir meinen, dass wir mit der Partnersuche auf dem richtigen Weg sind.“