Verhandlung gegen ehemaligen Stadtwerke-Chef beginnt im September
Von den ehemals erhobenen Vorwürfen ist zumindest juristisch betrachtet nicht mehr viel übrig
- Der ehemalige Stadtwerke-Chef Thomas Gläßer muss sich am Lindauer Amtsgericht wegen Untreue verantworten. Verhandlungsbeginn ist am 1. September. Allerdings ist von den einstigen Vorwürfen nicht mehr viel übrig – zumindest nicht strafrechtlich.
„Beim Tatvorwurf handelt es sich um Untreue im Bereich von 800 Euro, weil Dienstleistungen für die Reinigung der eigenen Wohnung pflichtwidrig über die Stadtwerke abgerechnet worden sein sollen“, schreibt Sebastian Murer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Kempten, auf Nachfrage. Im Gespräch erläutert er weiter: „Alles andere wurde eingestellt.“Bei allen anderen Vorwürfen sei der Tatbestand der Untreue nicht erfüllt.
Wegen des Vorwurfs der Untreue hatte Polizist und Stadtrat Matthias Kaiser (BL) vor knapp zwei Jahren Anzeige gegen Thomas Gläßer erstattet. Zuvor hatten die Stadträte unter Oberbürgermeister Gerhard Ecker (SPD) den ehemaligen Stadtwerke-Geschäftsführer seines Amtes enthoben.
Oberbürgermeister Ecker und Stadträte aus dem Aufsichtsrat warfen Gläser vor, er habe sich private Vorteile auf Kosten der Stadtwerke verschafft. So soll er auf Rechnung des Unternehmens eine Wohnung für sich unnötig und teuer saniert und dafür zu wenig Miete bezahlt haben. Dafür habe er dem Aufsichtsrat wesentliche Dinge verschwiegen oder sogar falsch dargestellt.
„Beim Umbau konnte kein Schaden
festgestellt werden, der Wert der Wohnung bleibt ja bestehen“, erläutert Staatsanwalt Murer, warum dies im Strafprozess keine Rolle spielt. Auch bei den privaten Fahrten, die Gläßer und dessen Sohn mit dem Dienstwagen der Stadtwerke unternommen haben sollen, konnte kein konkreter Schaden beziffert werden. Ebenso wenig wie bei den Rechnungen vom Lindauer Oktoberfest, wo Gläßer großzügig in die Champagner-Bar eingeladen haben soll – und dann Namen von Mitarbeitern als bewirtete Gäste eingetragen haben soll, die zum Teil gar nicht anwesend waren. „Die Höhe der Bewirtung war auch ohne die angegebenen Gäste nicht zu hoch“, erklärt Murer.
Strafrechtlich relevant war am Ende nur die Tatsache, dass Gläßer die Putzfrau der Stadtwerke seine Wohnung reinigen lassen haben soll. „Die Reinigung der Wohnung ist eine private Angelegenheit“, sagt Murer. Der angeklagte Schaden beläuft sich auf 800 Euro. „Wir haben einen Strafbefehl erlassen, er hat Einspruch eingelegt, jetzt wird das verhandelt.“
Ebenfalls fallengelassen wurde der Vorwurf, Thomas Gläßer habe einen Bekannten als Berater eingeschaltet, welcher wiederum Gläßers Sohn beschäftigt habe. Dieser Berater
sei zwar teuer honoriert worden, es gebe aber keine Belege darüber, ob und wie viel er für die Stadtwerke tatsächlich gearbeitet hat, so die Anschuldigung, die der damalige dritte Bürgermeister und Anwalt Uwe Birk (SPD) im Namen der Stadtwerke vor knapp zwei Jahren formulierte. Doch auch dieser Vorwurf wird im Prozess keine Rolle spielen. „Es war nicht nachweisbar, ob die Leistungen tatsächlich nicht erbracht wurden“, erläutert Staatsanwalt Murer.
Dass von den ursprünglichen Anschuldigungen im Strafprozess nicht mehr viel übrig ist, wundert Stadträtin Katrin Dorfmüller (SPD), Anwältin
und Aufsichtsrätin bei den Stadtwerken, nicht. „In einem Strafprozess bleibt oft nicht mehr viel übrig, das man nachweisen kann“, sagt sie im Gespräch mit der LZ. „Aber der entstandene Vertrauensverlust, den kann man damit nicht kompensieren. Und das war eine Geschichte, die das Vertrauen extrem erschüttert hat.“Zumal das meiste nur deswegen herausgekommen sei, weil sich verunsicherte Stadtwerke-Mitarbeiter an Stadträte gewandt hatten. „Der Vertrauensverlust war so extrem, dass wir die Reißleine ziehen mussten.“
Thomas Gläßer selbst äußert sich vor dem Verfahren nicht, wohl aber besagter Berater, der Hamburger Ralf Borchardt. Zweieinhalb Jahre lang habe er bei den Stadtwerken als Interimsbereichsleiter gearbeitet, sagt er, und dabei auch den Sohn von Thomas Gläßer „unter die Fittiche genommen“. Pro Tag habe er damals 800 Euro abgerechnet, nach dem Rauswurf Gläßers hätten die Stadtwerke seine letzte Rechnung nicht mehr bezahlen wollen.
Borchardt klagte, zwischen dem Berater und den Stadtwerken kam es zum Zivilprozess am Kemptener Landgericht, wie dessen Sprecher, Richter Gunther Schatz, auf Nachfrage bestätigt. „Am 29.04.2021 haben die Parteien sich vergleichsweise abschließend geeinigt“, schreibt Schatz. Borchardt seien bei dem Vergleich 16 000 Euro zugesprochen worden. Thomas Gläßer und die Stadt hatten sich bereits kurz nach dessen Freistellung in einem Vergleich geeinigt. Gläßer hatte bei den Stadtwerken einen Vertrag bis 2033.