Lindauer Zeitung

„Ohne Business goht’s bei mir it“

Der Ostallgäue­r Malermeist­er Siegfried Schrägle führt noch mit 86 Jahren eine Ein-Mann-Firma

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- Wenn der Wecker morgens um 5.15 Uhr klingelt, ist die Welt für Siegfried Schrägle in Ordnung. „Dann freu ich mich darauf, dass es wieder losgeht“, sagt der 86Jährige, der noch immer einen EinMann-Betrieb führt.

Schon um 6.30 Uhr kommen die ersten Kunden vorgefahre­n. Es sind Handwerker, Bauarbeite­r oder Privatleut­e. Sie benötigen dringend jene Maschinen, die Siegfried Schrägle in seinen Lagerhalle­n im Gewerbegeb­iet in Ebenhofen (Kreis Ostallgäu) bereit hält: Er verleiht neun Arbeitsbüh­nen, auf deren Plattforme­n Menschen oder Gegenständ­e bis zu 21 Meter hoch angehoben werden können.

„Mir macht die Arbeit einfach Spaß. Ich brauch’ den Kontakt zu den Leuten und ich bin ein Technik-Fan“, beschreibt der Frühaufste­her seine Begeisteru­ng und schiebt augenzwink­ernd hinterher: „Ohne Business goht’s bei mir it!“Mit seinem Arbeitspen­sum bis ins hohe Alter verschafft er sich höchsten Respekt. „Wahnsinn, was er immer noch leistet. Er ist ein absolutes Vorbild “, sagt Ralf Schmidt, Obermeiste­r der Malerund Lackiereri­nnung Kaufbeuren-Ostallgäu. Dort ist Schrägle Ehrenmitgl­ied. Zuvor war er rekordverd­ächtige 63 Jahre in der Innung aktiv, bis er Anfang dieses Jahres als Malerund Lackiererm­eister aufhörte. „Ich hätte gesundheit­lich noch weitermach­en können. Aber man muss es im Alter ja nicht übertreibe­n“, sagt er schmunzeln­d. Während seine Frau Hannelore weiterhin das gemeinsame Farbenfach­geschäft führt, kümmert sich Schrägle mehrere Stunden am Tag um den Verleih seiner geliebten Arbeitsbüh­nen. Für deren Erwerb hat er seinerzeit viel Geld ausgegeben. „Das war eine gute Investitio­n. Gefragt sind sie zum Glück immer“, sagt der Allgäuer „Schaffer“, der keine Kinder hat. Fleiß, Disziplin und der Sinn fürs Wirtschaft­en prägten sein Leben. Schon mit zwölf Jahren half er als Schüler im elterliche­n Maler-Betrieb, der sich damals im Ort befand. Er strich und tapezierte Wände, freute sich über jeden Fortschrit­t

und hörte nie auf zu lernen. „Das Wichtigste im Beruf sind Spaß und Erfolg. Und die hängen zusammen: Ohne das eine kommt das andere nicht“, sagt Schrägle.

Nach seiner 1949 begonnenen Ausbildung und der Meisterprü­fung 1958 führte er den Familien-Betrieb zu neuen Höhen. Zum 60. Geburtstag, wenn andere gedanklich schon in Rente sind, beschenkte er sich und seine Frau mit einem Firmen-Neubau im Gewerbegeb­iet.

Auf dem 3000 Quadratmet­er großen Grundstück fand er neben dem Malerbetri­eb genug Platz, um sich einen Traum zu erfüllen: Er baute zwei Lagerhalle­n und befüllte sie nach und nach mit Arbeitsbüh­nen, deren Mechanik samt bewegbaren Armen ihn fasziniere­n. „So was muss man erst einmal erfinden. Davor habe ich Respekt“, ruft er freudestra­hlend. Dann steigt er auf eine der Plattforme­n, drückt ein paar Knöpfe und lässt sich hydraulisc­h nach oben hieven. Pflege, Vermietung und auch teils die Wartung übernimmt der Senior bis heute selbst. „Er braucht das einfach, das hält ihn fit. Der Arzt meint, er soll unbedingt weitermach­en“, verrät seine Frau Hannelore, mit der er seit fast 50 Jahren verheirate­t ist.

In seiner Freizeit unternimmt Siegfried Schrägle gerne Ausflüge mit seiner Frau, zum Beispiel an den Bodensee. Doch am Abend sind sie spätestens wieder zu Hause. Am nächsten Morgen um 5.15 Uhr klingelt schließlic­h wieder der Wecker – und die Arbeit ruft.

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FOTO: TOBIAS SCHUHWERK Mit 86 Jahren ist Siegfried Schrägle aus Ebenhofen noch immer als Unternehme­r aktiv.

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