Die Liga der vielen Gesichter
Bundesliga startet in 59. Saison – Bayern winkt ein historischer Triumph – Spannung gibt’s aber wohl nur abseits des Titelkampfes
Eine neue Liga ist wie ein neues Leben. Was Anhänger gerne trotzig singen, wenn ihr Verein gerade mal wieder abgestiegen ist, bekommt in diesem Sommer eine ganz neue Bedeutung: Die am Freitag startende Bundesliga-Saison löst schließlich in der ganzen Republik Glücksgefühle aus. Denn endlich dürfen die Fans ihre Lieder auch wieder im Stadion singen. Die Euphorie ist groß, nicht nur wegen der Zuschauerrückkehr, tatsächlich scheint die Liga endlich mal wieder Spannung zu versprechen. Die Bayern, so glauben viele, sind nach den Abgängen von Trainer Hansi Flick und Abwehrchef David Alaba in diesem Jahr wirklich schlagbar – vielleicht ja schon im Auftaktmatch bei Borussia Mönchengladbach (20.30 Uhr/DAZN und Sat.1).
Gerardo Seoane
(Borussia Mönchengladbach)
Fußball lebt von diesem unbeirrbaren Glauben der Fans an die Leistungsfähigkeit der eigenen Mannschaft. Realistisch gesehen wird die Saison aber wieder gleich ablaufen wie die letzten Spielzeiten auch. Der FC Bayern wird die Zehn vollmachen. So viele Titel in Serie wären einerseits einsamer Rekord in den Topligen Europas, andererseits das Jubiläum des langweiligsten Meisterkampfes der Geschichte. Inzwischen scheint die Konkurrenz eine imaginäre Liga erschaffen zu haben, in der der Zweitplatzierte Meister ist – was angesichts des Aderlasses der vermeintlichen Verfolger Borussia Dortmund (Jadon Sancho) und RB Leipzig (Dayot Upamecano, Ibrahima Konaté) nicht verwunderlich ist. Es lohnt sich daher, den Titelkampf etwas zur Seite zu schieben und den Blick auf die wirklich interessanten Geschichten der neuen Saison zu richten:
(Bayern München) 42,5 Mio. €
Marco Rose
Mark van Bommel
(VfB Stuttgart)
(FC Augsburg)
(Borussia Dortmund) 30 Mio. €
Trainer.
Zuvorderst sind da die
Wohl noch nie hat sich das vielbeschriebene Trainerkarussell so wild gedreht wie in diesem Sommer. Fast die halbe Bundesliga geht mit einem neuen Cheftrainer in die Saison. Allein bei sieben der besten acht Clubs der vergangenen Spielzeit hat es einen Wechsel gegeben. Der Blick ist dabei natürlich vor allem auf Julian Nagelsmann gerichtet: Schafft es das Trainerwunderkind, mit gerade einmal 34 Jahren an die Erfolge von Neu-Bundestrainer Hansi Flick anzuknüpfen? Spannend wird auch, wie sich Marco Rose nach seinem unrühmlichen Abgang in Gladbach bei der anderen Borussia aus Dortmund zurechtfindet – zumal sein Vorgänger Edin Terzic, immerhin DFB-Pokalsieger, nach wie vor im Verein ist. Mit seinem Wechsel hat der Tempofußball liebende Rose abseits des Feldes auf jeden Fall für eine Menge Wirbel
Julian Nagelsmann
gesorgt: In seinem Sog haben auch Adi Hütter, Oliver Glaser und Mark van Bommel die Trainerbank gewechselt. Die spannendste Personalie ist aber wohl der hierzulande recht unbekannte Schweiz-Spanier Gerardo Seoane, der Bayer Leverkusen zurück Richtung Champions League führen soll.
Klar ist, dass alle Trainer
entwickeln sollen, schließlich hat die Bundesliga längst den Ruf einer Ausbildungsliga. Viele junge Talente haben das Potenzial für den Shootingstar des Jahres – allen voran Tanguy Nianzou. Nach einer schweren ersten Saison in München hat der 19-jährige Franzosen jetzt gute Chancen auf einen Startplatz in der Innenverteidigung des Rekordmeisters – vor allem nach den Abgängen von David Alaba und Jérôme Boateng sowie großen Verletzungssorgen in der Defensive. „Er ist ein Ausnahmetalent,
Spieler
Adi Hütter
(Bayern München)
Steffen Baumgart
junge
und wird einer der besten Innenverteidiger der nächsten zehn Jahre“, sagte einst Ralf Rangnick. Die Blicke lohnen sich aber auch auf Luca Netz – mit vier Millionen als teuerster Transfer eines 18-Jährigen innerhalb der Bundesliga von Hertha BSC zu Borussia Mönchengladbach gewechselt – und den erst 17-Jährigen Türken Ömer Beyaz, den Sportdirektor und „Diamantauge“Sven Mislintat trotz großer Konkurrenz aus ganz Europa von Fenerbahce zum VfB Stuttgart gelotst hat. Niklas Dorsch hingegen hat den Status als als Talent längst abgelegt. Dafür ist der 23-Jährige schon zu erfahren: ausgebildet in der Jugend des FC Bayern, 32 Zweitligaspiele für den 1. FC Heidenheim, U21-Europameister. Und dennoch hat der defensive Mittelfeldspieler das Zeug zum Aufsteiger des Jahres, wenn er den nächsten Schritt in seiner Entwicklung macht und sich beim FC
Christian Streich
Union Berlin, 34
(RB Leipzig) 23 Mio. €
Oliver Glasner
VfL Bochum, 35
Augsburg zum Stammspieler entwickelt, der auch vorangehen kann.
Eine solche Entwicklung ist mit Sicherheit auch für die
vorgesehen. Verteidiger Dayot Upamecano, als Königstransfer für 42 Millionen
Euro von RB Leipzig zum FC Bayern gewechselt, hat die schwierige Aufgabe aber auch das Potenzial in die Fußstapfen von Alaba und Boateng zu treten. Auch Donyell Malen hat einen großen Vorgänger: Der Niederländer soll bei Borussia Dortmund Dribbelkünstler Sancho ersetzen, der für 85 Millionen Euro in seine Heimat zu Manchester United zurückgekehrt ist.
Ob das gelingt, ist nur eine von vielen Fragen, die uns in dieser Saison begleiten werden. Spannung ist also garantiert – vielleicht ja, und da wird der Autor auch zum Fan, sogar auch mal wieder im Titelkampf.
Einkäufe der Liga
Jesse Marsch
Eintracht Frankfurt, 37
Odilon Kossounou
teuersten
Hertha BSC, 36