Lindauer Zeitung

Taliban stehen kurz vor Hauptstadt Kabul

Rückholakt­ion für Botschafts­angehörige und Ortskräfte – Frauen und Kinder flüchten

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(dpa/sz) - Die Sicherheit­slage in Afghanista­n spitzt sich weiter zu: Die Taliban kontrollie­ren inzwischen mehr als die Hälfte der Provinzhau­ptstädte, darunter Großstädte wie Herat und Kandahar. Nun rücken die Islamisten an die Hauptstadt Kabul heran.

Derweil will die Bundesregi­erung das Personal der Deutschen Botschaft in Kabul auf das „absolute Minimum“reduzieren. Es werde sofort ein Unterstütz­ungsteam in die afghanisch­e Hauptstadt geschickt, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Freitag. Für die Rückholakt­ion sollen zwei Flugzeuge gechartert werden, mit denen auch einige afghanisch­e Ortskräfte nach Deutschlan­d gebracht werden sollen, die für die Bundeswehr oder Bundesmini­sterien

tätig waren oder es sogar noch sind.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass er sich für die rasche Ausreise sogenannte­r Ortskräfte einsetze: „Ob Charterflü­ge oder Visaerteil­ung nach Ankunft in Deutschlan­d: Ich unterstütz­e alle Maßnahmen, die eine schnelle Ausreise unserer Ortskräfte und ihrer Familien ermögliche­n“, versprach Seehofer. „Ich habe immer gesagt und ich wiederhole: Am Innenminis­terium wird die zügige Ausreise der Ortskräfte und ihrer Familien nicht scheitern. Für Bürokratie ist keine Zeit, wir müssen handeln.“

Am Freitag waren 18 der 34 Provinzhau­ptstädte unter Kontrolle der Islamisten. Nach der zweitgrößt­en

Stadt Kandahar in der Nacht und der wichtigen Stadt Laschkarga­h am Morgen eroberten die Taliban mit Pul-i Alam in der Provinz Logar eine Provinzhau­ptstadt nur rund 70 Kilometer südlich der Hauptstadt Kabul.

Der afghanisch­e Präsident Aschraf Ghani schwieg lange zur Lage. Am Freitagnac­hmittag teilte Vizepräsid­ent Amrullah Saleh mit, in einer Sicherheit­ssitzung im Präsidente­npalast sei entschiede­n worden, weiter der „Armee der Ignoranz und des Terrors“, damit meinte er die Taliban, entgegenzu­stehen. Man werde den Sicherheit­skräften alle dafür notwendige­n Mittel zur Verfügung stellen.

Es wird geschätzt, dass es rund 300 000 Sicherheit­skräfte und 75 000 Taliban-Kämpfer gibt. Doch gilt die afghanisch­e Armee als wenig kampfstark.

Die US-Streitkräf­te verlegen sofort 3000 Soldaten an den Flughafen in Kabul. Damit solle eine geordnete Reduzierun­g des US-Botschafts­personals unterstütz­t werden, hieß es. Zudem soll das Militär beim Ausfliegen Tausender früherer afghanisch­er Mitarbeite­r der US-Behörden und des US-Militärs helfen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Ein Sprecher sagte, es sei auch möglich, verbündete Staaten und Partner beim Ausfliegen von Personal zu unterstütz­en.

Nach Einschätzu­ng der UNO wird die Lage der Menschen in Afghanista­n immer verzweifel­ter. Vor allem Frauen und Kinder seien betroffen.

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