Über Luftbrücke Ortskräfte retten
Der Westen hat kapituliert. Die USA aus innenpolitischen Gründen und die EU aus Machtlosigkeit. Die Menschen in Afghanistan werden den Preis dafür zahlen. Vor allem für die Frauen brechen wieder schlimme Zeiten an. Sie werden zurück ins Mittelalter katapultiert.
Alle, die jetzt sagen, das haben wir doch gewusst, der Nato-Einsatz am Hindukusch sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, mögen vielleicht auf ihre Weise recht haben, aber an Zynismus ist das kaum zu überbieten. Es grenzte Ende Juni an eine Märchenstunde, als Außenminister Heiko Maas (SPD) im Bundestag erklärte, die Taliban müssten zur Kenntnis nehmen, dass es ein Zurück vor das Jahr 2001 nicht geben werde.
Damals waren sie nach knapp fünf Jahren Gewaltherrschaft von einer von den USA angeführten Allianz gestürzt worden. Heute sind sie stärker denn je und Drohungen, die Entwicklungshilfe im Falle der Errichtung eines islamischen Kalifats einzustellen, wirken unfreiwillig komisch.
Die realen Fortschritte der vergangenen 20 Jahre – Schulen (vor allem die Förderung von Mädchen), Krankenhäuser, Infrastruktur – werden zunichtegemacht. Das Mindeste, das Berlin jetzt noch tun kann, ist das Herausholen aller afghanischen Mitarbeiter der Bundeswehr inklusive ihrer Familien. Sie stehen auf den Todeslisten der Taliban als Kollaborateure ganz oben.
Noch ist der Flughafen Kabul verhältnismäßig sicher, um diese Menschen ausfliegen zu können. Denn die US-Streitkräfte bringen rund 3000 Soldaten dorthin. Dass Bundeswehr-Veteranen eigenhändig für ihre Helfer vor Ort Rettungsaktionen organisieren müssen, ist eine Schande für Deutschland. Jetzt ist nicht die Zeit, Stempel und Bestätigungen einzufordern, als gelte es eine Wohnungsbauprämie für das Reihenhaus überwiesen zu bekommen. Jahrelang konnten die deutschen Soldatinnen und Soldaten sich auf ihre afghanischen Unterstützer verlassen, jetzt brauchen diese Menschen schnelle und unbürokratische Hilfe. Sonst droht ihnen der Tod. Die Bundesregierung hat alle Möglichkeiten, nach US-Vorbild eine Luftbrücke zu starten. Wahlkampf hin oder her.