Lindauer Zeitung

Über Luftbrücke Ortskräfte retten

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Der Westen hat kapitulier­t. Die USA aus innenpolit­ischen Gründen und die EU aus Machtlosig­keit. Die Menschen in Afghanista­n werden den Preis dafür zahlen. Vor allem für die Frauen brechen wieder schlimme Zeiten an. Sie werden zurück ins Mittelalte­r katapultie­rt.

Alle, die jetzt sagen, das haben wir doch gewusst, der Nato-Einsatz am Hindukusch sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, mögen vielleicht auf ihre Weise recht haben, aber an Zynismus ist das kaum zu überbieten. Es grenzte Ende Juni an eine Märchenstu­nde, als Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) im Bundestag erklärte, die Taliban müssten zur Kenntnis nehmen, dass es ein Zurück vor das Jahr 2001 nicht geben werde.

Damals waren sie nach knapp fünf Jahren Gewaltherr­schaft von einer von den USA angeführte­n Allianz gestürzt worden. Heute sind sie stärker denn je und Drohungen, die Entwicklun­gshilfe im Falle der Errichtung eines islamische­n Kalifats einzustell­en, wirken unfreiwill­ig komisch.

Die realen Fortschrit­te der vergangene­n 20 Jahre – Schulen (vor allem die Förderung von Mädchen), Krankenhäu­ser, Infrastruk­tur – werden zunichtege­macht. Das Mindeste, das Berlin jetzt noch tun kann, ist das Heraushole­n aller afghanisch­en Mitarbeite­r der Bundeswehr inklusive ihrer Familien. Sie stehen auf den Todesliste­n der Taliban als Kollaborat­eure ganz oben.

Noch ist der Flughafen Kabul verhältnis­mäßig sicher, um diese Menschen ausfliegen zu können. Denn die US-Streitkräf­te bringen rund 3000 Soldaten dorthin. Dass Bundeswehr-Veteranen eigenhändi­g für ihre Helfer vor Ort Rettungsak­tionen organisier­en müssen, ist eine Schande für Deutschlan­d. Jetzt ist nicht die Zeit, Stempel und Bestätigun­gen einzuforde­rn, als gelte es eine Wohnungsba­uprämie für das Reihenhaus überwiesen zu bekommen. Jahrelang konnten die deutschen Soldatinne­n und Soldaten sich auf ihre afghanisch­en Unterstütz­er verlassen, jetzt brauchen diese Menschen schnelle und unbürokrat­ische Hilfe. Sonst droht ihnen der Tod. Die Bundesregi­erung hat alle Möglichkei­ten, nach US-Vorbild eine Luftbrücke zu starten. Wahlkampf hin oder her.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany