Er war „König Kurt“
Kurt Biedenkopf stirbt mit 91 Jahren – Trotz Herkunft aus dem Westen vertrat er stets die Interessen Ostdeutschlands
(AFP) - Er war „König Kurt“– von den einen verehrt, von anderen als absolutistisch kritisiert: Kurt Biedenkopf, im westdeutschen Ludwigshafen geboren, erreichte im sächsischen Dresden nach der Wiedervereinigung die höchsten Höhen einer wechselvollen politischen Karriere. Am Donnerstagabend starb Biedenkopf nun mit 91 Jahren – als „großen Sachsen“würdigte ihn sein Nachfolger Michael Kretschmer (CDU).
Seinen letzten größeren öffentlichen Auftritt hatte Biedenkopf im April, die Universität Leipzig verlieh dem als Professor und Förderer der Wissenschaft hoch anerkannten früheren Politiker die Ehrendoktorwürde. Schon damals sah Biedenkopf allerdings geschwächt aus, im Juli kam er ins Krankenhaus – er starb nun aber bei sich zu Hause.
Biedenkopf blieb bis zuletzt aktiv – in seiner Rechtsanwaltskanzlei, in der Wissenschaft, sogar noch ein bisschen in der Politik. Bei der jüngsten Landtagswahl mischte der Altministerpräsident im Landtagswahlkampf
mit und fand trotz herber Verluste der CDU danach für Ministerpräsident Kretschmer nur lobende Worte. So zimperlich ging Biedenkopf, der als Regierungschef im Freistaat dreimal die absolute Mehrheit für seine Partei geholt hatte, nicht mit all seinen Nachfolgern um.
Sowohl seinem direkten Amtsnachfolger Georg Milbradt als auch dem früheren Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (beide CDU) sprach Biedenkopf quasi die Eignung zum Spitzenpolitiker ab. Gleichwohl genoss er selbst bei vielen Sachsen bis zu seinem Tod – 19 Jahre nach seinem Rücktritt als Regierungschef – große Popularität. Diese beruhte zum einen auf seiner väterlich-strengen Art, zum anderen auch darauf, dass er sich trotz seiner Westherkunft als einer der energischsten Verfechter der Interessen Ostdeutschlands und Sachsens profilierte.
Allerdings litt Sachsens einst tadelloser Ruf in den vergangenen Jahren vor allem wegen zahlreicher rechtsextremistischer Überfälle, Gewalttaten
und Angriffe gegen Flüchtlinge. Biedenkopfs umstrittener Ausspruch, die Sachsen seien „immun“gegen Rechtsextremismus, wurde inzwischen gründlich widerlegt.
Die politische Karriere des am 28. Januar 1930 geborenen Biedenkopf schien in den 1980er-Jahren eigentlich schon beendet, nachdem der scharfzüngige Kritiker als CDUGeneralsekretär und späterer Bundesvize beim damaligen CDU-Chef
Helmut Kohl in Ungnade gefallen war. Das Verhältnis der beiden CDUGrößen prägte eine stetige Rivalität.
Zudem erlebte er 1980 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als CDU-Herausforderer gegen seinen Kontrahenten Johannes Rau von der SPD eine schwere Wahlschlappe. Ende der 1980er-Jahre zog sich Biedenkopf, der zwischenzeitlich auch mehrere Jahre im Bundestag saß, endgültig aus der nordrheinwestfälischen Landespolitik zurück.
Doch der unbequeme Denker, der zunächst eine steile akademische Lehre hinlegte und Ende der 1960erJahre jüngster Hochschulrektor der Bundesrepublik an der Ruhr-Universität Bochum war, kam im Osten zu neuen Ehren. Die Sachsen-CDU machte ihn 1990 zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl und feierte Biedenkopf als spektakulären „Westimport“.
In der Bundes-CDU blieb der Politikwissenschaftler und Jurist ein Unbequemer und sorgte mit seinen eigenen Positionen etwa zur Rentenpolitik für Aufsehen.