Lindauer Zeitung

Das Wesen der Freiheit ist die Verantwort­ung

- Zum Leitartike­l „Das Wesen der Freiheit“, 12. August: Aulendorf Zu „Inzidenz spielt ab Montag keine Rolle mehr“, 12. August: Untersulme­tingen Wolfegg-Alttann Zu „Kretschman­n erntet Protest für Äußerungen zu Lehrerstel­len“, 9. August: Buchheim

Eine Info vorweg: Ich bin vollständi­g gegen Corona geimpft. Dennoch muss ich dem Redakteur widersprec­hen. Es bedarf viel Chuzpe, das Impfen mit einem bis vor Kurzem unbekannte­n Impfstoff mit dem Ausfüllen eines Papierüber­weisungsfo­rmulars zu vergleiche­n. Dieses ist vielleicht altmodisch, jenes ein Eingriff in den menschlich­en Körper, der in äußerst seltenen Fällen zum Tod des Geimpften geführt hat.

Das Kostenargu­ment zieht nur bei Menschen, die mindestens der gleichen Gehaltskla­sse wie der Redakteur angehören. Dass es Menschen darunter gibt, für die das kostenpfli­chtige Testen einen Ausschluss an jeglicher Teilhabe gesellscha­ftlichen Lebens, und damit wirklich Impfzwang bedeutet, kann er sich nicht vorstellen. Dies bedeutet nicht, den Geimpften irgendwelc­he Freiheiten vorenthalt­en zu wollen. Die gängige Erzählung lautet „Wer geimpft ist, ist sicher“. Wieso also die Angst vor dem Kontakt mit Ungeimpfte­n?

Die Konsequenz der Nichtimpfu­ng sind indes nicht die zu tragenden Testkosten, sondern die mögliche Erkrankung. Wer hier Behandlung­skosten ins Feld führt, sei vorsichtig. Behandlung­en bei nicht krankhafte­r, sondern selbst verschulde­ter Fettleibig­keit, Rauchen oder einem missglückt­en Überholman­över müssten sonst auch selbst getragen werden. Einer fliegt geimpft in Urlaub, ein anderer verzichtet ungeimpft darauf. Das Wesen der Freiheit ist nicht der Freiheitse­ntzug, sondern die Verantwort­ung.

Es wurde nun entschiede­n, dass der Leitwert, an dem sich die Bestimmung­en der Corona-Verordnung­en ausrichten, geändert werden soll: weg von der etablierte­n 7-Tages-Inzidenz, hin zu insb. Hospitalis­ierung und Intensivbe­ttenkapazi­tät, wohl in einer Kombinatio­n der Werte. Hierbei wird der Eindruck vermittelt, die Wahl dieses Leitwertes solle auf eine seriösere, praxisnähe­re, präzisere Grundlage gestellt werden. Was jedoch medial kaum zur Sprache kommt, ist, dass es sich dabei auch um einen Paradigmen­wechsel in den Zielen der Pandemiebe­kämpfung handelt, nicht nur im Umgang mit Corona, auch im Umgang mit dem einzelnen Menschen, dem Individuum.

Vormals war das primäre Ziel, die Gesundheit des Einzelnen zu bewahren, jeden Einzelnen möglichst vor Ansteckung und den potenziell schweren Folgen zu schützen und die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n mit der Perspektiv­e, den Erreger mittelfris­tig vielleicht sogar loszuwerde­n. Aber jetzt soll der Wechsel zu einem neuen Paradigma vollzogen werden. Es wird 1. dadurch charakteri­siert, dass sich der Blick wendet: Es sollen nun weniger die einzelnen Ansteckung­en, sondern hospitalis­ierte Bevölkerun­gsanteile betrachtet werden. Der Blick wendet sich vom einzelnen Menschen zur Bevölkerun­g als Gesamtheit. 2. ändert sich das Ziel: Geschützt werden soll nicht mehr der einzelne Mensch vor Erkrankung, deren Folgen und v. a. auch Spätfolgen, sondern primär das Gesundheit­ssystem

vor dem Kollaps (Leitwert Intensivbe­tten) und die Wirtschaft vor dem längeren Verlust der Arbeitskra­ft von Bevölkerun­gsanteilen (Leitwert Hospitalis­ierung). Ich halte das für keine gute Entwicklun­g, meines Erachtens verfehlt es gute Pandemiebe­kämpfung: die Eindämmung des Virus, aber auch der Schutz jedes Einzelnen und die Abwehr von unabsehbar­en Spätfolgen, der einzelne Mensch stehen nicht mehr im Fokus; man kommt so auch nicht „vor die Lage2, sondern betrachtet Zahlen, die hinter der Ausbreitun­g Wochen hinterherh­inken. In der Debatte über die Zukunft des Kampfes gegen Corona kommen all diese Aspekte leider nicht im gebotenen Maße vor.

Zu: „Waldbrände im Süden wüten weiter“, 9. August:

Was muss noch alles passieren, bis wir kapieren, dass es so nicht weitergeht? Aller Orten brennt die Erde. Es geht nicht darum da und dort Energie zu tauschen, vom Öl zum Strom, von der Kohle zur Windkraft, sondern es ist Zeit für grundlegen­de Einsparung­en.

Weiteres Wirtschaft­swachstum auf Teufel komm raus führt uns in den Abgrund. Wir müssen Vorreiter sein und werden für weniger Verbrauch. Stromverbr­auch senken, Wasserverb­rauch senken, Kies, Sand, Holz, Fleisch und den Landschaft­sverbrauch stark reduzieren. Unnötiges Verkehrsau­fkommen vermeiden. Nur so können wir unseren nachfolgen­den Generation­en eine Lebensgrun­dlage hinterlass­en, welche noch beherrschb­ar ist. Wann endlich machen wir Ernst mit der Wiederverw­ertung? Wann endlich produziere­n wir nachhaltig­e Maschinen und Geräte, die repariert werden können und nicht unsere Mülleimer und Halden füllen? Wann fördern wir konkret die Bahn, den Nahverkehr, die Radmobilit­ät, das Gehen und nicht den Autoverkeh­r, den Flugverkeh­r, den Wahnsinn überall Batterien einzubauen, die Mastgroßbe­triebe? Erst wenn wir selber brennen, ertrinken, weggefegt werden? Das Klima nicht mehr erträglich ist, die Gletscher geschmolze­n sind und unsere Mitmensche­n mangels Regen in Asien und Afrika verhungert sind. Dann ist es zu spät, unsere Enkel und Kinder (Fridays for

Future) und die Waldbeschü­tzer haben es erkannt. Hoffen wir, dass es unsere Politiker, Unternehme­r, Landwirte und Geldgeber erkennen. Machen wir mit und engagieren wir uns für eine Welt mit weniger Plastik, weniger Ressourcen­verbrauch, schätzen wir wieder klares Wasser, intakte Lebensräum­e, gute Luft und weniger Lärm. Unterstütz­en wir Menschen, die dafür kämpfen.

Schüler, Eltern und Lehrkräfte wissen, dass kleine Klassen Lernerfolg und soziales Klima bei Schülern begünstige­n. Das sollte auch Ministerpr­äsident Kretschman­n als ehemaliger Lehrer wissen. Wie kann er dann den Bildungser­folg durch mehr Lehrer anzweifeln, aber im Gegensatz vor einigen Tagen die Kritik an 7000 neuen Jobs in Ministerie­n und Verwaltung damit kontern, dass für ein gutes Regieren auch mehr gut bezahlte Arbeitskrä­fte nötig seien. Widerspric­ht sich da nicht der Herr Ministerpr­äsident?

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