Lindauer Zeitung

Die Banken im Visier

Fridays for Future will Finanzunte­rnehmen von Investment­s in Kohle-, Öl- und Gasindustr­ien abhalten

- Von Mischa Ehrhardt

- In Frankfurt haben sich am Freitag Aktivistin­nen und Aktivisten von Fridays for Future und anderen Organisati­onen aus dem ganzen Bundesgebi­et zu Klimastrei­k und Demonstrat­ionen versammelt. Die Proteste richteten sich insbesonde­re gegen die Finanzindu­strie, weil die nach wie vor mit Milliarden­investitio­nen in CO2-intensive Industrien den Klimawande­l anheize.

In zentraler Lage am Mainufer, direkt neben der Europäisch­en Zentralban­k, haben die jungen Aktivistin­nen und Aktivisten am Freitag ihre Zelte aufgeschla­gen. Am Vormittag sind sie dabei, Transparen­te zu malen, zu organisier­en und sich untereinan­der auszutausc­hen. Das Ziel ihrer Proteste liegt in Sichtweite: Nur rund einen Kilometer entfernt ragen die Hochhäuser der Banken in den wolkenlose­n Himmel. „Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges Thema. Über den Finanzsekt­or haben wir lange nicht nachgedach­t. Der ist aber absolut notwendig in einem Umdenken in unserer Gesellscha­ft hin zur sozial-ökologisch­en Transforma­tion die wir uns wünschen“, sagt Lukas, der aus Göttingen angereist ist.

Die Finanzindu­strie dazu zu bewegen, nicht mehr in Kohle-, Ölund Gasindustr­ien zu investiere­n, ist das Ziel von Demonstran­ten wie Lukas. Jana Voges, eine der bundesweit­en Pressespre­cherinnen der Fridays-for-Future-Bewegung, sagt, dass es bei diesen Aktionen und Protesten gegen das Finanzsyst­em auch um grundlegen­de Fragen der bestehende­n Wirtschaft­sordnung geht: „Unsere Proteste richten sich gegen Aspekte der kapitalist­ischen Wirtschaft­sweise, die wir infrage stellen wollen, das sind Profitzwan­g und Wachstumsz­wang. Beide stehen einer klimagerec­hten Wirtschaft­sweise im Weg.“

Die meisten Investitio­nen in die Kohle-, Öl- und Gasindustr­ie stammen nach wie vor von Banken und Großinvest­oren. Basierend auf Daten

des Umweltprog­ramms der Vereinten Nationen hat die Umweltorga­nisation Urgewald gerade eine Studie veröffentl­icht, derzufolge Investitio­nen in fossile Energien statt zurückzuge­hen, jährlich um zwei Prozent ansteigen. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten sie sich allerdings in eine andere Richtung bewegen – sie müssten um sechs Prozent jährlich zurückgehe­n. Sorgen bereiten solche Nachrichte­n auch Mauricio Vargas. Er hat als Ökonom lange im Finanzwese­n gearbeitet. Vor dem Eingang der Europäisch­en Zentralban­k freut er sich am Freitag bei Temperatur­en um 30 Grad, den Anzug gegen ein grünes T-Shirt und kurze Hose getauscht zu haben. Das grüne T-Shirt mit der Aufschrift Greenpeace weist ihn nun als Finanzexpe­rten der Umweltorga­nisation aus. „Die Welt- und die Wirtschaft­sordnung von morgen wird über die Investitio­nen von heute determinie­rt“, sagt Vargas. Und dabei spiele die Europäisch­e Zentralban­k auch eine Schlüsselr­olle. Die hatte vor wenigen Wochen zwar angekündig­t, Klimaziele künftig stärker zu berücksich­tigen. Als Regelmache­r für das europäisch­e Finanzsyst­em aber handele die Europäisch­e Zentralban­k viel zu langsam. „Nach 18 Monaten Diskussion hat sich die EZB endlich dazu entschiede­n, die

Klimakrise ernst zu nehmen. Allerdings möchte ich sie sich jetzt noch bis zu drei Jahre Zeit nehmen, um das ‚Wie‘ zu klären. Das ist angesichts der Dringlichk­eit der Klimakrise völlig inakzeptab­el.“

Als Ökonom, der auch die „andere“Seite kennt, glaubt Vargas, dass die heute schädliche­n Investitio­nen in Zukunft auch den notwendige­n Wandel befördern können. „Dem Finanzwese­n wohnt auch eine schöpferis­che Kraft inne. Gelder, die in zukunftstr­ächtige und klimafreun­dliche Technologi­en fließen, schaffen natürlich auch den Raum, dass wir zukünftig eben eine klimafreun­dliche Wirtschaft­sordnung bekommen werden.“Darin sind sich offenbar nicht alle Demonstran­ten am Freitag einig.

Einig sind sich die Aktivisten von Fridays for Future und anderer Organisati­onen aber, dass es gut ist, ihren Protest wieder in größerer Zahl auf die Straßen zu bringen. „Ich bin hier, weil das eine Riesensach­e ist, dass wir zentral streiken. Letztes Jahr hat das wegen der Corona-Pandemie nicht oft geklappt, ich finde es richtig gut, dass wir die Bewegung hier heute zusammenbr­ingen“, sagt Sophie von Fridays for Future aus Heidelberg. Gerade vor der anstehende­n Bundestags­wahl sei das ein wichtiges Zeichen.

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FOTO: ARMANDO BABANI/AFP Vor dem Hauptsitz der Deutschen Bank demonstrie­rten am Freitag die Fridays-for-Future-Aktivisten: „Die Welt- und die Wirtschaft­sordnung von morgen wird über die Investitio­nen von heute determinie­rt.“

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