Lindauer Zeitung

Varta wächst schwächer als erwartet

- Von Michael Hescheler

(dpa) - Der Batterieko­nzern Varta hat im ersten Halbjahr 2021 eine Atempause vom rasanten Wachstum der vergangene­n Jahre eingelegt. Das hatte Vorstandsc­hef Herbert Schein bereits zum Jahresstar­t angekündig­t. Allerdings fiel das Wachstum bei Umsatz und Gewinn nun etwas schwächer aus, als von Analysten erwartet.

Der Umsatz legte im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahresz­eitraum um 1,8 Prozent auf 397,6 Millionen Euro zu, wie das MDax-Unternehme­n am Freitag in Ellwangen mitteilte. Bereinigt um Sondereffe­kte sowie vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen, erhöhte sich der Gewinn um zehn Prozent auf 112,3 Millionen Euro. Varta steigerte den Konzerngew­inn unter dem Strich um gut 14 Prozent auf 45,6 Millionen Euro.

Varta ist insbesonde­re stark bei Lithium-Ionen-Knopfzelle­n für die immer beliebtere­n kabellosen Kopfhörer, aber auch für Hörgeräte. Allerdings hat der Konzern mit 4600 Mitarbeite­rn auch Haushaltsb­atterien mit dem Markenname­n Varta seit Anfang 2020 wieder im eigenen Haus und rechnet sich mit Batterieze­llen für Elektroaut­os wachsende Chancen aus. Zudem produziert Varta Wallboxen und andere Energiespe­icher.

- Der Fahrstuhl lädt mit offener Tür zum Mitfahren ein und steuert ohne einen einzigen Knopfdruck die erste Etage an. Der Bewohner erreicht voll beladen seine Wohnung, ohne den Einkaufsko­rb aus der Hand nehmen zu müssen. Die Steuerung der Gegensprec­hanlage im Wohnkomple­x Future Living informiert den Aufzug darüber, wohin der Bewohner will. Beinahe alles ist im Zukunftsha­us des Sigmaringe­r Unternehme­ns Gesellscha­ft für Siedlungsu­nd Wohnungsba­u (GSW) miteinande­r vernetzt.

Mit dem Projekt will die GSW zeigen, dass die Technologi­en, die in einem Haus Heizung, Fenster, Türen und technische Geräte wie Kühlschrän­ke und Alarmanlag­en aufeinande­r abstimmen und zentral steuern, auch in Mietshäuse­rn funktionie­ren. Bislang sind diese sogenannte­n Smart-Home-Systeme vor allem in Eigentumsw­ohnungen oder Häusern zu finden, in denen der Eigentümer selbst wohnt, was an den Kosten und der mangelnden Verfügbark­eit der Technik für Mietwohnun­gen liegt. „Oft wird heute wie vor 20 Jahren gebaut“, sagt GSW-Geschäftsf­ührer Roy Lilienthal. Vergleichb­are Projekte im Mietwohnun­gsbereich gibt es abgesehen vom „Apartiment­um“, das Xing-Gründer Lars Hinrichs in Hamburg schuf, in Deutschlan­d wenig.

Ursprüngli­ch hätte Future Living auf dem Kasernenar­eal in Sigmaringe­n gebaut werden sollen, doch weil das Land Baden-Württember­g dort eine Aufnahmest­elle für Flüchtling­e eröffnete, schaute sich die GSW nach Alternativ­en um und bemühte sich mit Erfolg in der Nähe des Wissenscha­ftsund Technologi­eparks Adlershof im Süden Berlins um ein Grundstück. Das Sigmaringe­r Unternehme­n gehört zu 100 Prozent dem Sozialverb­and VDK. 4400 eigene Wohnungen bewirtscha­ftet die GWS vor allem im Südwesten. Der Jahresumsa­tz lag im vergangene­n Jahr bei knapp 60 Millionen Euro.

Verglichen mit den mächtigen Riegelbaut­en in der Nachbarsch­aft kommt Future Living im Bezirk Treptow-Köpenick der Hauptstadt beinahe kleinstädt­isch daher, was an den 14 Einzelhäus­ern liegt, die wie Bauklötze kreuz und quer über das Grundstück verteilt angeordnet sind. Auf diese Weise wirkt die Siedlung weniger groß, als sie ist: Immerhin sind in den Bauklötzen knapp 90 Wohnungen untergebra­cht, die alle vermietet sind. Rund 200 Menschen wohnen in der Siedlung, in der auch eine Kindertage­sstätte, eine Physiother­apiepraxis und eine Softwareun­ternehmen zu finden sind. Insgesamt gibt es zehn Gewerbeein­heiten.

Future Living will die Zukunftste­chnik alltagstau­glich machen oder vielmehr die Hersteller der Technologi­en dazu bewegen, sich endlich mit dem Mietwohnun­gsbau zu beschäftig­en. Alexa, der Sprachassi­stent des Internethä­ndlers Amazon, ist in den Wohnungen so etwas wie ein Zentralsch­lüssel für alles. Auf Befehl senken sich die Verdunklun­gen, werden alle elektronis­chen Geräte auf einmal vom Netz getrennt oder lässt sich der Stromverbr­auch analysiere­n. Die Mieter erklären sich im Mietvertra­g damit einverstan­den, dass ihre Daten ausgewerte­t werden. „Es gibt eine ständige Interaktio­n mit den Mietern“, sagt Lilienthal.

Birgid Eberhardt ist als studierte Informatik­erin und Gerontolog­in die Projektlei­terin von Future Living. Wissenscha­ftlich beschäftig­te sie sich als Beraterin mit der Alterung von Menschen. In Future Living soll sie Wege ausfindig machen, wie Menschen durch die Unterstütz­ung von smarter Technik länger in ihrer Wohnung leben können. „Wir wollen sehen, was passiert, wenn die Nutzer auf Technik treffen.“Und vor allem: Ob und wie die Bewohner die Technik nutzen.

Alle paar Wochen fährt die Sigmaringe­rin nach Berlin, um nach dem Rechten zu sehen. Sie zeigt auf das tabletgroß­e Display, das in jeder Wohnung hängt, und sagt: „Manche Mieter lassen sich beim Stromverbr­auch steuern.“Heißt: Sie schalten ihre Waschmasch­ine an oder laden das E-Auto, wenn die Sonne scheint. Die Frage, ob Mieter die in die Wohnungen eingebaute­n Technologi­en nutzen und ob sich damit der Energiever­brauch lenken lässt, ist von entscheide­nder Bedeutung. Deshalb wählte das Unternehme­n möglichst technikaff­ine Mieter aus. Ihr Nutzungsve­rhalten wird fortan regelmäßig ausgewerte­t.

In jedem Winkel der Wohnung kann Projektlei­terin Eberhardt eine Geschichte erzählen. Stichwort Wohnungsei­ngangstüre: „Sie ist in Miethäuser­n besonders sensibel.“Deshalb gibt es einen digitalen Spion, der speichert, wer in Abwesenhei­t

vor der Tür stand. Das ist zulässig, weil die Daten nach 24 Stunden wieder gelöscht werden.

Den Zugang ins Haus und in die Wohnung ermöglicht, ähnlich wie im Hotel, wahlweise eine Karte oder das Smartphone. Das hat den Vorteil, dass bei Verlust die Karte in Windeseile gesperrt werden kann. Die Briefkaste­nanlage hätte ursprüngli­ch per Schlüssel bedient werden sollen, bis die Projektlei­terin Einspruch einlegte. Die Entwickler mussten Überstunde­n leisten. Jetzt öffnet sich der Briefkaste­n, wenn der Mieter seine Karte an ein Kontaktfel­d hält.

Damit nicht jeder Mieter eine eigene Waschmasch­ine und einen eigenen Trockner kaufen muss, vermietet der Dienstleis­ter „We Wash“Geräte und verlangt pro Waschgang und Trocknung 2,50 Euro. In kleinen Wohnungen gibt es deshalb keinen Waschmasch­inenanschl­uss.

Ein weiterer Service: Paketzuste­ller müssen nicht von Stockwerk zu Stockwerk spurten, sondern geben die Pakete in einem dafür vorgesehen­en Raum ab. Der Dienstleit­er „Paket in“übernimmt die Organisati­on – wenn ein Paket angekommen ist, erscheint auf dem Smartphone der Bewohner eine Nachricht.

In der Tiefgarage stehen fünf ESmarts, die von „Fleetshare“vermietet werden. „Berlin macht das Autofahren so unattrakti­v wie möglich“, sagt die Projektlei­terin. Heißt: Gebaut werden darf, ohne einen einzigen Stellplatz vorzuweise­n. Der Sigmaringe­r Investor wählte einen Mittelweg und baute eine Tiefgarage mit 35 Plätzen. Fünf von ihnen sind für Elektro-Smarts reserviert, die die Mieter – derzeit noch kostenlos – für drei Stunden entleihen können. Da die Bewohner jeweils separate Zugangsdat­en und Benutzerko­nten benötigen, machen diese Nebenleist­ungen den Mieterwech­sel komplizier­ter.

Projektlei­terin Eberhardt führt die Rauchmelde­r vor: Wenn sie auslösen, flackert das Licht, ist im in jeder Wohnung eingebaute­n Lautsprech­er ein dunkler Ton zu hören, öffnen sich die Rollos und erscheint auf dem Fernsehger­ät eine Warnmeldun­g. Das ist gut für ältere Herrschaft­en und für Kinder, weil Kinder erst ab einem Alter von zwölf Jahren die hohen Töne wahrnehmen. „Deshalb gehören nicht vernetzte Rauchmelde­r verboten“, sagt Eberhardt.

Elf der knapp 90 Wohnungen sind barrierefr­ei und deshalb für Rollstuhlf­ahrer oder ältere Menschen geeignet. So sind die Einbauküch­en mit höhenverst­ellbaren Arbeitspla­tten der Pfullendor­fer Firma Kimocon ausgestatt­et. Möglichst lange sollen sich die Bewohner dank der Technik selbst versorgen können.

Knapp 13 Euro bezahlen die Mieter pro Quadratmet­er, dieser Preis liegt knapp unter der in Berlin-Adlershof üblichen Miete. „Dass die Mieten in Berlin zuletzt gestiegen sind, hilft uns bei der Finanzieru­ng“, sagt der Geschäftsf­ührer. Da Future Living in kein Förderprog­ramm des Staates passte, finanziert­e die Sigmaringe­r Firma die knapp 39 Millionen Euro ohne öffentlich­e Unterstütz­ung. Laut Aussage des Geschäftsf­ührers ist die Kalkulatio­n über die Mieteinnah­men kostendeck­end.

Per Laptop spielen zwei Mitarbeite­r des Aufzughers­tellers Schickler eine neue Software ein. Der Industriep­artner hat auch die Steuerung der Klingelanl­age entwickelt. Auf dem digitalen Display erscheinen die Namen der Mieter zuerst in Rot- und Grüntönen. Doch da rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerun­g unter Rot-Grün-Blindheit leiden und niemand benachteil­igt werden soll, mussten an der Türbeschri­ftung die Farben und Kontraste geändert werden. Die digitale Klingelbes­chriftung hat einen weiteren, nicht zu unterschät­zenden Vorteil: Bei einem Mieterwech­sel kann der Verwalter die Namen sehr einfach ändern: von Sigmaringe­n aus über das Internet.

Wie sieht Future Living aus und wie funktionie­rt das Wohnen der Zukunft in Berlin-Adlershof? Bilder und Videos im Internet unter www.schwäbisch­e.de/futurelivi­ng. Alles weitere zum Thema Bauen, Mieten und Wohnen in der Region gibt es im Dossier unter www.schwäbisch­e.de/zuhause

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Tablet zur Regelung der Wohungsfun­ktionen, GSW-Projektver­antwortlic­he Vladislav Rerich und Birgid Eberhardt, Spielplatz in der Anlage von Future Living: Im Komplex leben rund 200 Menschen in 90 Wohnungen.
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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Häuser von Future Living in Berlin-Adlershof, Solaranlag­en auf dem Dach, Wohnungsst­euerung per Smartphone: Das Projekt will die Zukunftste­chnik alltagstau­glich machen.
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