Varta wächst schwächer als erwartet
(dpa) - Der Batteriekonzern Varta hat im ersten Halbjahr 2021 eine Atempause vom rasanten Wachstum der vergangenen Jahre eingelegt. Das hatte Vorstandschef Herbert Schein bereits zum Jahresstart angekündigt. Allerdings fiel das Wachstum bei Umsatz und Gewinn nun etwas schwächer aus, als von Analysten erwartet.
Der Umsatz legte im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,8 Prozent auf 397,6 Millionen Euro zu, wie das MDax-Unternehmen am Freitag in Ellwangen mitteilte. Bereinigt um Sondereffekte sowie vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, erhöhte sich der Gewinn um zehn Prozent auf 112,3 Millionen Euro. Varta steigerte den Konzerngewinn unter dem Strich um gut 14 Prozent auf 45,6 Millionen Euro.
Varta ist insbesondere stark bei Lithium-Ionen-Knopfzellen für die immer beliebteren kabellosen Kopfhörer, aber auch für Hörgeräte. Allerdings hat der Konzern mit 4600 Mitarbeitern auch Haushaltsbatterien mit dem Markennamen Varta seit Anfang 2020 wieder im eigenen Haus und rechnet sich mit Batteriezellen für Elektroautos wachsende Chancen aus. Zudem produziert Varta Wallboxen und andere Energiespeicher.
- Der Fahrstuhl lädt mit offener Tür zum Mitfahren ein und steuert ohne einen einzigen Knopfdruck die erste Etage an. Der Bewohner erreicht voll beladen seine Wohnung, ohne den Einkaufskorb aus der Hand nehmen zu müssen. Die Steuerung der Gegensprechanlage im Wohnkomplex Future Living informiert den Aufzug darüber, wohin der Bewohner will. Beinahe alles ist im Zukunftshaus des Sigmaringer Unternehmens Gesellschaft für Siedlungsund Wohnungsbau (GSW) miteinander vernetzt.
Mit dem Projekt will die GSW zeigen, dass die Technologien, die in einem Haus Heizung, Fenster, Türen und technische Geräte wie Kühlschränke und Alarmanlagen aufeinander abstimmen und zentral steuern, auch in Mietshäusern funktionieren. Bislang sind diese sogenannten Smart-Home-Systeme vor allem in Eigentumswohnungen oder Häusern zu finden, in denen der Eigentümer selbst wohnt, was an den Kosten und der mangelnden Verfügbarkeit der Technik für Mietwohnungen liegt. „Oft wird heute wie vor 20 Jahren gebaut“, sagt GSW-Geschäftsführer Roy Lilienthal. Vergleichbare Projekte im Mietwohnungsbereich gibt es abgesehen vom „Apartimentum“, das Xing-Gründer Lars Hinrichs in Hamburg schuf, in Deutschland wenig.
Ursprünglich hätte Future Living auf dem Kasernenareal in Sigmaringen gebaut werden sollen, doch weil das Land Baden-Württemberg dort eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge eröffnete, schaute sich die GSW nach Alternativen um und bemühte sich mit Erfolg in der Nähe des Wissenschaftsund Technologieparks Adlershof im Süden Berlins um ein Grundstück. Das Sigmaringer Unternehmen gehört zu 100 Prozent dem Sozialverband VDK. 4400 eigene Wohnungen bewirtschaftet die GWS vor allem im Südwesten. Der Jahresumsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp 60 Millionen Euro.
Verglichen mit den mächtigen Riegelbauten in der Nachbarschaft kommt Future Living im Bezirk Treptow-Köpenick der Hauptstadt beinahe kleinstädtisch daher, was an den 14 Einzelhäusern liegt, die wie Bauklötze kreuz und quer über das Grundstück verteilt angeordnet sind. Auf diese Weise wirkt die Siedlung weniger groß, als sie ist: Immerhin sind in den Bauklötzen knapp 90 Wohnungen untergebracht, die alle vermietet sind. Rund 200 Menschen wohnen in der Siedlung, in der auch eine Kindertagesstätte, eine Physiotherapiepraxis und eine Softwareunternehmen zu finden sind. Insgesamt gibt es zehn Gewerbeeinheiten.
Future Living will die Zukunftstechnik alltagstauglich machen oder vielmehr die Hersteller der Technologien dazu bewegen, sich endlich mit dem Mietwohnungsbau zu beschäftigen. Alexa, der Sprachassistent des Internethändlers Amazon, ist in den Wohnungen so etwas wie ein Zentralschlüssel für alles. Auf Befehl senken sich die Verdunklungen, werden alle elektronischen Geräte auf einmal vom Netz getrennt oder lässt sich der Stromverbrauch analysieren. Die Mieter erklären sich im Mietvertrag damit einverstanden, dass ihre Daten ausgewertet werden. „Es gibt eine ständige Interaktion mit den Mietern“, sagt Lilienthal.
Birgid Eberhardt ist als studierte Informatikerin und Gerontologin die Projektleiterin von Future Living. Wissenschaftlich beschäftigte sie sich als Beraterin mit der Alterung von Menschen. In Future Living soll sie Wege ausfindig machen, wie Menschen durch die Unterstützung von smarter Technik länger in ihrer Wohnung leben können. „Wir wollen sehen, was passiert, wenn die Nutzer auf Technik treffen.“Und vor allem: Ob und wie die Bewohner die Technik nutzen.
Alle paar Wochen fährt die Sigmaringerin nach Berlin, um nach dem Rechten zu sehen. Sie zeigt auf das tabletgroße Display, das in jeder Wohnung hängt, und sagt: „Manche Mieter lassen sich beim Stromverbrauch steuern.“Heißt: Sie schalten ihre Waschmaschine an oder laden das E-Auto, wenn die Sonne scheint. Die Frage, ob Mieter die in die Wohnungen eingebauten Technologien nutzen und ob sich damit der Energieverbrauch lenken lässt, ist von entscheidender Bedeutung. Deshalb wählte das Unternehmen möglichst technikaffine Mieter aus. Ihr Nutzungsverhalten wird fortan regelmäßig ausgewertet.
In jedem Winkel der Wohnung kann Projektleiterin Eberhardt eine Geschichte erzählen. Stichwort Wohnungseingangstüre: „Sie ist in Miethäusern besonders sensibel.“Deshalb gibt es einen digitalen Spion, der speichert, wer in Abwesenheit
vor der Tür stand. Das ist zulässig, weil die Daten nach 24 Stunden wieder gelöscht werden.
Den Zugang ins Haus und in die Wohnung ermöglicht, ähnlich wie im Hotel, wahlweise eine Karte oder das Smartphone. Das hat den Vorteil, dass bei Verlust die Karte in Windeseile gesperrt werden kann. Die Briefkastenanlage hätte ursprünglich per Schlüssel bedient werden sollen, bis die Projektleiterin Einspruch einlegte. Die Entwickler mussten Überstunden leisten. Jetzt öffnet sich der Briefkasten, wenn der Mieter seine Karte an ein Kontaktfeld hält.
Damit nicht jeder Mieter eine eigene Waschmaschine und einen eigenen Trockner kaufen muss, vermietet der Dienstleister „We Wash“Geräte und verlangt pro Waschgang und Trocknung 2,50 Euro. In kleinen Wohnungen gibt es deshalb keinen Waschmaschinenanschluss.
Ein weiterer Service: Paketzusteller müssen nicht von Stockwerk zu Stockwerk spurten, sondern geben die Pakete in einem dafür vorgesehenen Raum ab. Der Dienstleiter „Paket in“übernimmt die Organisation – wenn ein Paket angekommen ist, erscheint auf dem Smartphone der Bewohner eine Nachricht.
In der Tiefgarage stehen fünf ESmarts, die von „Fleetshare“vermietet werden. „Berlin macht das Autofahren so unattraktiv wie möglich“, sagt die Projektleiterin. Heißt: Gebaut werden darf, ohne einen einzigen Stellplatz vorzuweisen. Der Sigmaringer Investor wählte einen Mittelweg und baute eine Tiefgarage mit 35 Plätzen. Fünf von ihnen sind für Elektro-Smarts reserviert, die die Mieter – derzeit noch kostenlos – für drei Stunden entleihen können. Da die Bewohner jeweils separate Zugangsdaten und Benutzerkonten benötigen, machen diese Nebenleistungen den Mieterwechsel komplizierter.
Projektleiterin Eberhardt führt die Rauchmelder vor: Wenn sie auslösen, flackert das Licht, ist im in jeder Wohnung eingebauten Lautsprecher ein dunkler Ton zu hören, öffnen sich die Rollos und erscheint auf dem Fernsehgerät eine Warnmeldung. Das ist gut für ältere Herrschaften und für Kinder, weil Kinder erst ab einem Alter von zwölf Jahren die hohen Töne wahrnehmen. „Deshalb gehören nicht vernetzte Rauchmelder verboten“, sagt Eberhardt.
Elf der knapp 90 Wohnungen sind barrierefrei und deshalb für Rollstuhlfahrer oder ältere Menschen geeignet. So sind die Einbauküchen mit höhenverstellbaren Arbeitsplatten der Pfullendorfer Firma Kimocon ausgestattet. Möglichst lange sollen sich die Bewohner dank der Technik selbst versorgen können.
Knapp 13 Euro bezahlen die Mieter pro Quadratmeter, dieser Preis liegt knapp unter der in Berlin-Adlershof üblichen Miete. „Dass die Mieten in Berlin zuletzt gestiegen sind, hilft uns bei der Finanzierung“, sagt der Geschäftsführer. Da Future Living in kein Förderprogramm des Staates passte, finanzierte die Sigmaringer Firma die knapp 39 Millionen Euro ohne öffentliche Unterstützung. Laut Aussage des Geschäftsführers ist die Kalkulation über die Mieteinnahmen kostendeckend.
Per Laptop spielen zwei Mitarbeiter des Aufzugherstellers Schickler eine neue Software ein. Der Industriepartner hat auch die Steuerung der Klingelanlage entwickelt. Auf dem digitalen Display erscheinen die Namen der Mieter zuerst in Rot- und Grüntönen. Doch da rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerung unter Rot-Grün-Blindheit leiden und niemand benachteiligt werden soll, mussten an der Türbeschriftung die Farben und Kontraste geändert werden. Die digitale Klingelbeschriftung hat einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: Bei einem Mieterwechsel kann der Verwalter die Namen sehr einfach ändern: von Sigmaringen aus über das Internet.
Wie sieht Future Living aus und wie funktioniert das Wohnen der Zukunft in Berlin-Adlershof? Bilder und Videos im Internet unter www.schwäbische.de/futureliving. Alles weitere zum Thema Bauen, Mieten und Wohnen in der Region gibt es im Dossier unter www.schwäbische.de/zuhause