Corona stellt Hospiz vor Herausforderungen
Trotz Spendenrekord ist ein dickes Minus auf dem Konto des Lindauer Hospiz
- Die Corona-Pandemie hat das Hospizzentrum Haus Brög zum Engel samt seinem Besuchsdienst für Sterbende und Kranke extrem belastet. Ganz besonders in finanzieller Hinsicht und im weiteren Sinne auch personell. Doch abgesehen davon, dass sich die Lindauer Hospizbewegung nun nach und nach wieder erholt, lautet die beste Nachricht, dass das Hospiz bisher von Corona verschont geblieben ist.
„Es war eine schwierige Zeit“, fasst Maja Dornier das vergangene Jahr zusammen, das wie allerorts geprägt war von der Corona-Pandemie und ihren Lockdowns, den Besuchsverboten und dem Herunterfahren der allermeisten zwischenmenschlichen Beziehungen.
Besonders hart traf es dabei den ambulanten Besuchsdienst für Kranke und Sterbende. Denn dieses Angebot lebt, wie der Name schon sagt, von Besuchen, Begegnungen und persönlichen Beratungen. Gleichzeitig jedoch besteht er aus lauter Ehrenamtlichen und war deshalb zu Beginn der Pandemie sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich komplett verboten.
Erst einige Wochen später, so erklärte Koordinatorin Susanne Brillisauer, wurde diese Regelung aufgehoben und die Helfer durften als anerkannte Mitarbeiter die Hauptamtlichen im Hospiz entlasten. „Aber wie geht das mit dem geforderten Abstand und Maske? Und überhaupt, wie können wir Sterbende und ihre Angehörige begleiten ohne physische Präsenz?“, schildert Maja Dornier die Herausforderungen, mit denen der Besuchsdienst konfrontiert war und immer noch ist.
Im ambulanten Bereich waren die Auswirkungen der Pandemie sogar noch stärker zu spüren. Hier gab es zeitweise gar keine Betreuungen und später nur sehr wenige. „Wir hatten den Eindruck, dass oft Familien vermeiden wollten, dass wegen der Infektionsgefahr von außen jemand Fremdes in den Haushalt mit einem Schwerstkranken kommt“, erklärt die Vorsitzende.
Doch immerhin hat der Besuchsdienst, wie die stellvertretende Einsatzleiterin Evelyn Stohr berichtet, im vergangenen Jahr 28 Schwerstkranke zu Hause, in den Krankenhäusern oder in den Pflegeheimen im ganzen Landkreis Lindau begleitet und dafür 205 Stunden aufgebracht. Hinzu kamen 2068 Stunden im Hospiz. Da viele der Besuchsdienstmitarbeiter
zu der Corona gefährdeten Altersgruppe gehörte oder eine Person aus der Risikogruppe zu schützen hatte, war nur ein Teil der insgesamt 51 aktiven Hospizbegleiter im Einsatz. Mittlerweile seien, so erklärte Brillisauer, lediglich vier Kräfte aus dem gesamten Hospitzteam nicht geimpft.
Allerdings lebt die Lindauer Hospizbewegung auch von den engen und regelmäßigen Kontakten ihrer Mitarbeiter untereinander. Da wegen Corona auch dies nicht möglich war und weder Gruppenabende, Fortbildungen oder Veranstaltungen stattfinden durften, versuchte die Teamleitung die persönlichen Gespräche durch Telefonate, E-Mails, Zoom-Meetings oder Briefe zu ersetzen. „Damit uns die Leute nicht wegbrechen“, veranschaulicht Susanne Brillisauer. Was ihr gut gelungen ist. Denn die Hospizbewegung konnte nicht nur die meisten „alten“Ehrenamtlichen
halten, sondern auch zehn neue hinzugewinnen.
So gut wie der Besuchsdienst mit Ehrenamtlichen ausgestattetet ist, so sehr litt der Hospizbetrieb unter fehlendem Personal. Verstärkte Corona den allgemeinen Pflegekräftemangel, so gestaltete die Pandemie gleichzeitig Neueinstellungen schwierig.
Hinzu kam ein anfänglicher Aufnahmestopp, und später, als dieser aufgehoben war, musste das Hospiz Räume für eventuelle Quarantänemaßnahmen frei halten. All dies führte dazu, dass das Haus im vergangenen Jahr nicht ausgelastet war und mit einer Belegung von insgesamt 48 Gästen, wie hier die zu Pflegenden genannt werden, weit unter den üblichen Zahlen lag. Allerdings, so versicherte Maja Dornier, hätten die Gäste nichts von all den Widrigkeiten gespürt und kein einziger habe allein sterben müssen.
Den Pflegekraftmangel hatte das Hospiz mit Personal einer Zeitarbeitsfirma aufgefangen. Zudem wurden jüngst zwei neue Pflegekräfte eingestellt, so dass bald Entspannung in Sicht ist, versicherte Martina Roder, die seit Oktober vergangenen Jahres die neue Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin des stationären Hospizzentrums ist. Die 56-Jährige, die aus der Altenpflege kommt und zuletzt bei einem ambulanten Pflegedienst in Tettnang als Pflegedienstleiterin eine gerontopsychiatrische Tagespflege und eine Demenz-WG geführt und zudem noch die dortige palliative Versorgung aufgebaut hat, sieht ihre neue Stelle im Lindauer Hospizzentrum als „Krönung“ihrer Berufsweges an.
Nichtsdestotrotz hatte sie insbesondere in ihrer Anfangszeit mit den ständig wechselnden Corona-Regeln und deren Umsetzungen zu kämpfen, ebenso wie mit der Materialbeschaffung, etwa von Schutzausrüstung oder Tests. „Bis jetzt sind wir gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Es hat sich gezeigt, dass unser Schutzkonzept greift“, fasst sie zusammen.
Nicht so gut sieht es finanziell aus. Hier verzeichnet das Hospiz enorme Einbußen. Wegen der geringen Bettenbelegung gab es weniger Geld von den Krankenkassen, aber auch weniger Eigenleistungen der Gäste. Gleichzeitig kostete die Umsetzung der Corona-Maßnahmen extra und das Zeitarbeitspersonal mehr Geld. Da konnten der „Spendenrekord“das „beträchtliche Defizit“nicht verhindern. Weil sich auch dieses Jahr an der Situation kaum etwas ändern wird, „sind wir nach wie vor auf Spenden angewiesen“, sagte Maja Dornier weiter, betonte jedoch, dass sie zuversichtlich in die Zukunft schaue.
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