Lindauer Zeitung

Corona stellt Hospiz vor Herausford­erungen

Trotz Spendenrek­ord ist ein dickes Minus auf dem Konto des Lindauer Hospiz

- Von Isabel de Placido

- Die Corona-Pandemie hat das Hospizzent­rum Haus Brög zum Engel samt seinem Besuchsdie­nst für Sterbende und Kranke extrem belastet. Ganz besonders in finanziell­er Hinsicht und im weiteren Sinne auch personell. Doch abgesehen davon, dass sich die Lindauer Hospizbewe­gung nun nach und nach wieder erholt, lautet die beste Nachricht, dass das Hospiz bisher von Corona verschont geblieben ist.

„Es war eine schwierige Zeit“, fasst Maja Dornier das vergangene Jahr zusammen, das wie allerorts geprägt war von der Corona-Pandemie und ihren Lockdowns, den Besuchsver­boten und dem Herunterfa­hren der allermeist­en zwischenme­nschlichen Beziehunge­n.

Besonders hart traf es dabei den ambulanten Besuchsdie­nst für Kranke und Sterbende. Denn dieses Angebot lebt, wie der Name schon sagt, von Besuchen, Begegnunge­n und persönlich­en Beratungen. Gleichzeit­ig jedoch besteht er aus lauter Ehrenamtli­chen und war deshalb zu Beginn der Pandemie sowohl im ambulanten als auch im stationäre­n Bereich komplett verboten.

Erst einige Wochen später, so erklärte Koordinato­rin Susanne Brillisaue­r, wurde diese Regelung aufgehoben und die Helfer durften als anerkannte Mitarbeite­r die Hauptamtli­chen im Hospiz entlasten. „Aber wie geht das mit dem geforderte­n Abstand und Maske? Und überhaupt, wie können wir Sterbende und ihre Angehörige begleiten ohne physische Präsenz?“, schildert Maja Dornier die Herausford­erungen, mit denen der Besuchsdie­nst konfrontie­rt war und immer noch ist.

Im ambulanten Bereich waren die Auswirkung­en der Pandemie sogar noch stärker zu spüren. Hier gab es zeitweise gar keine Betreuunge­n und später nur sehr wenige. „Wir hatten den Eindruck, dass oft Familien vermeiden wollten, dass wegen der Infektions­gefahr von außen jemand Fremdes in den Haushalt mit einem Schwerstkr­anken kommt“, erklärt die Vorsitzend­e.

Doch immerhin hat der Besuchsdie­nst, wie die stellvertr­etende Einsatzlei­terin Evelyn Stohr berichtet, im vergangene­n Jahr 28 Schwerstkr­anke zu Hause, in den Krankenhäu­sern oder in den Pflegeheim­en im ganzen Landkreis Lindau begleitet und dafür 205 Stunden aufgebrach­t. Hinzu kamen 2068 Stunden im Hospiz. Da viele der Besuchsdie­nstmitarbe­iter

zu der Corona gefährdete­n Altersgrup­pe gehörte oder eine Person aus der Risikogrup­pe zu schützen hatte, war nur ein Teil der insgesamt 51 aktiven Hospizbegl­eiter im Einsatz. Mittlerwei­le seien, so erklärte Brillisaue­r, lediglich vier Kräfte aus dem gesamten Hospitztea­m nicht geimpft.

Allerdings lebt die Lindauer Hospizbewe­gung auch von den engen und regelmäßig­en Kontakten ihrer Mitarbeite­r untereinan­der. Da wegen Corona auch dies nicht möglich war und weder Gruppenabe­nde, Fortbildun­gen oder Veranstalt­ungen stattfinde­n durften, versuchte die Teamleitun­g die persönlich­en Gespräche durch Telefonate, E-Mails, Zoom-Meetings oder Briefe zu ersetzen. „Damit uns die Leute nicht wegbrechen“, veranschau­licht Susanne Brillisaue­r. Was ihr gut gelungen ist. Denn die Hospizbewe­gung konnte nicht nur die meisten „alten“Ehrenamtli­chen

halten, sondern auch zehn neue hinzugewin­nen.

So gut wie der Besuchsdie­nst mit Ehrenamtli­chen ausgestatt­etet ist, so sehr litt der Hospizbetr­ieb unter fehlendem Personal. Verstärkte Corona den allgemeine­n Pflegekräf­temangel, so gestaltete die Pandemie gleichzeit­ig Neueinstel­lungen schwierig.

Hinzu kam ein anfänglich­er Aufnahmest­opp, und später, als dieser aufgehoben war, musste das Hospiz Räume für eventuelle Quarantäne­maßnahmen frei halten. All dies führte dazu, dass das Haus im vergangene­n Jahr nicht ausgelaste­t war und mit einer Belegung von insgesamt 48 Gästen, wie hier die zu Pflegenden genannt werden, weit unter den üblichen Zahlen lag. Allerdings, so versichert­e Maja Dornier, hätten die Gäste nichts von all den Widrigkeit­en gespürt und kein einziger habe allein sterben müssen.

Den Pflegekraf­tmangel hatte das Hospiz mit Personal einer Zeitarbeit­sfirma aufgefange­n. Zudem wurden jüngst zwei neue Pflegekräf­te eingestell­t, so dass bald Entspannun­g in Sicht ist, versichert­e Martina Roder, die seit Oktober vergangene­n Jahres die neue Einrichtun­gs- und Pflegedien­stleiterin des stationäre­n Hospizzent­rums ist. Die 56-Jährige, die aus der Altenpfleg­e kommt und zuletzt bei einem ambulanten Pflegedien­st in Tettnang als Pflegedien­stleiterin eine gerontopsy­chiatrisch­e Tagespfleg­e und eine Demenz-WG geführt und zudem noch die dortige palliative Versorgung aufgebaut hat, sieht ihre neue Stelle im Lindauer Hospizzent­rum als „Krönung“ihrer Berufswege­s an.

Nichtsdest­otrotz hatte sie insbesonde­re in ihrer Anfangszei­t mit den ständig wechselnde­n Corona-Regeln und deren Umsetzunge­n zu kämpfen, ebenso wie mit der Materialbe­schaffung, etwa von Schutzausr­üstung oder Tests. „Bis jetzt sind wir gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Es hat sich gezeigt, dass unser Schutzkonz­ept greift“, fasst sie zusammen.

Nicht so gut sieht es finanziell aus. Hier verzeichne­t das Hospiz enorme Einbußen. Wegen der geringen Bettenbele­gung gab es weniger Geld von den Krankenkas­sen, aber auch weniger Eigenleist­ungen der Gäste. Gleichzeit­ig kostete die Umsetzung der Corona-Maßnahmen extra und das Zeitarbeit­spersonal mehr Geld. Da konnten der „Spendenrek­ord“das „beträchtli­che Defizit“nicht verhindern. Weil sich auch dieses Jahr an der Situation kaum etwas ändern wird, „sind wir nach wie vor auf Spenden angewiesen“, sagte Maja Dornier weiter, betonte jedoch, dass sie zuversicht­lich in die Zukunft schaue.

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 ?? FOTO: ISA ?? Gemeinsam stark während der schwierige­n Corona-Zeiten ist das Team der Lindauer Hospizbewe­gung (von links): Evelyn Stohl, stellvertr­etende Einsatzlei­terin des Besuchdien­stes, Maja Dornier als Vorsitzend­e des Besuchsdie­nstes für Kranke und Sterbende sowie des Hospizzent­rums Haus Brög zum Engel, Martina Roder, Einrichtun­gsund Pflegedien­stleiterin des stationäre­n Hospizzent­rums und Koordinato­rin Susanne Brillisaue­r.
FOTO: ISA Gemeinsam stark während der schwierige­n Corona-Zeiten ist das Team der Lindauer Hospizbewe­gung (von links): Evelyn Stohl, stellvertr­etende Einsatzlei­terin des Besuchdien­stes, Maja Dornier als Vorsitzend­e des Besuchsdie­nstes für Kranke und Sterbende sowie des Hospizzent­rums Haus Brög zum Engel, Martina Roder, Einrichtun­gsund Pflegedien­stleiterin des stationäre­n Hospizzent­rums und Koordinato­rin Susanne Brillisaue­r.

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