Lindauer Hospizbewegung rüttelt auf
Maja Dornier lädt anlässlich des Jubiläums des Besuchsdienstes für Kranke und Sterbende zu Ethikgesprächen
- Der Besuchsdienst für Kranke und Sterbende wird in diesen Tagen 35 Jahre alt. Doch statt eines Festes nimmt die Lindauer Hospizbewegung das Jubiläum zum Anlass um die Gesellschaft aufzurütteln. Mit ihren „Ethikgesprächen Nr. 4“, die den Titel „Assistierter Suizid – In welcher Gesellschaft wollen wir leben“haben, will sie eine kritische Auseinandersetzung über Sterbehilfe entfachen und ins Bewusstsein der Menschen tragen, wie gefährlich die Aufhebung des Paragrafen 217 StGB für die Gesellschaft ist.
„Für alle, die den Hospizgedanken pflegen, ist dieses Urteil ein Schlag ins Gesicht“, entrüstet sich Maja Dornier. Sie war die Frau, die vor über 35 Jahren den Hospizgedanken nach Lindau brachte und vor genau 35 Jahren gemeinsam mit der mittlerweile verstorbenen Christa Popper den „Besuchsdienst für Kranke und Sterbende in Lindau und Westallgäu“gegründet hatte und damit Pionierarbeit leistete. Pionierarbeit deshalb weil Maja Dornier nicht nur den Hospizgedanken nach Lindau und überhaupt nach Deutschland getragen hatte, sondern sich mit der Gründung des Besuchsdiensts für ein Sterben in Würde einsetzte, zu einer Zeit, in der die Menschen zum Sterben noch in die Bäder der Krankenhäuser geschoben wurden. Das Sterben in Würde, der menschliche Tod, natürlich sterben ohne allein zu sein, selbstbestimmt leben ohne Schmerzen bis zum Schluss - das ist es, was Maja Dornier und ihre Mitstreiter seit jeher ermöglichen wollen. „Damals hat man uns nicht mehr zum Kaffee eingeladen und die Leute haben die Seite des Bürgersteigs gewechselt“, erinnert sie sich an die Anfangszeiten des Besuchsdienstes. Auch wenn bis heute Tod und Sterben noch Tabuthemen sind, trägt der Besuchsdienst seit 35 Jahren doch dazu bei, dass nicht mehr hinter verschlossenen Vorhängen gestorben wird.
Umso entsetzter ist Maja Dornier darüber, dass das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 den Paragrafen 217 StGB und damit das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aufgehoben hat. Diese Aufhebung bedeutet, dass Sterbehilfe, also die Beihilfe zur Selbsttötung, straffrei ist. Die Karlsruher Richter haben mit diesem Urteil ausdrücklich das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“anerkannt. Zudem haben sie hinzugefügt, dass dieses Recht die Freiheit einschließe „sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen“. Und das ganz gleich in welchem Alter oder Gesundheitszustand
der Lebensmüde ist oder welche besonderen Motive er hat.
In der Aufhebung des Gesetzes sieht Maja Dornier zahlreiche Gefahren. Sowohl für Hospize als auch für die Gesellschaft. Dabei weiß sie aus der Erfahrung ihrer Hospizarbeit ganz genau: „Die Menschen möchten nicht sterben, wenn sie die Zuwendung bekommen, die sie brauchen. Und die Palliativmedizin hilft gegen die Schmerzen.“Während die Hospizbewegung die Menschen beim Sterben begleitet und betreut, damit sie einen „möglichst natürlichen Tod sterben können“und ihnen Menschlichkeit, Wärme, Respekt und Würde angedeihen lässt, bedeutet das Urteil für Maja Dornier genau das Gegenteil. „Es ist auf den Tod ausgerichtet und fördert die Kälte in der Gesellschaft. Dabei ist die Brutalität auf der Welt eh schon groß“, findet sie und erklärt: „Darum habe ich gesagt: Ich muss was machen.“
Zum Anlass dazu nimmt die Vorsitzende der Maja-Dornier-Hospitzstiftung, des stationären Hospizes Haus Brög zum Engel und des Besuchsdienstes für Kranke und Sterbende
Maja Dornier über das Urteil zur Aufhebung des Paragrafen 217 StGB
das 35-jährige Bestehen. Unter der Überschrift „Assistierter Suizid – In welcher Gesellschaft wollen wir leben“lädt sie zu der vierten Ausgabe der schon etablierten Ethikgespräche ein. Hochrangige Referenten, wie etwa der deutsche Palliativmediziner Friedemann Nauck, der österreichische Organisationsethiker Andreas Heller und die Schweizer Psychiaterin Diana Meier-Allmendinger werden sich am Samstag, 11. September, im Lindauer Stadttheater intensiv mit dem Thema beschäftigen. „Da dieses Urteil für die Zukunft unserer Solidargemeinschaft einschneidend und die Risiken einer gesetzlichen Regelung groß sind, muss Information und Diskussion einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, ist Maja Dornier überzeugt und lädt daher alle Interessierte zu den Ethikgesprächen Nummer vier ein.
„Es ist auf den Tod
ausgerichtet und fördert die Kälte in der Gesellschaft. Dabei ist die Brutalität auf der Welt eh schon groß.“
Die „Ethikgespräche Nr. 4“mit dem Titel „Assistierter Suizid – In welcher Gesellschaft wollen wir leben“finden am Samstag, 11. September, von 13.30 bis 17 Uhr im Lindauer Stadttheater statt. Wegen Corona ist die Teilnehmerzahl auf 200 beschränkt. Allerdings ist auch ein Streaming angedacht. Wer teilnehmen möchte, kann sich schon jetzt per E-Mail anmelden: