Lindauer Zeitung

An jeder Häfler Ecke wuchert eine Hecke

Manche grüne Grundstück­sgrenze behindert die Gehwege – Was beachtet werden muss, um Ärger zu vermeiden

- Von Harald Ruppert

- Egbert Mähr ist groß. Wenn er durch sein Viertel geht, genügt ihm seine Körperläng­e oft aber trotzdem nicht. Der Grund sind übermannsh­ohe Hecken oder blickdicht­e Zäune an privaten Grundstück­sgrenzen. „Viele verbarrika­dieren sich heute“, sagt er. Was dabei abhanden komme, sei der Blick in die Weite. Er habe bei Spaziergän­gen oft nicht mehr das Gefühl, in der Stadt zu wohnen, sondern in engen Korridoren. „Wieso muss eine Hecke 2,50 Meter hoch sein?, fragt sich Mähr. „Es läuft ja niemand mit einer Leiter herum, um drüber zu schauen.“

Für ihn ist diese Abschottun­g des privaten Raumes nur ein äußerliche­s Zeichen, dass es an Gemeinsinn fehlt. Keiner wolle den anderen sehen oder von ihm gesehen werden. Im Ergebnis laufe man wegen der hohen Barrieren mit einem Gefühl der Einengung durch die Straßen. Dabei sind die Vorschrift­en zumindest in den neuen Bebauungsp­länen eindeutig: Entlang von öffentlich­en Straßen, Wegen und Plätzen dürfen Hecken und Zäune nicht höher als einen Meter sein. Als Grund für diese Höhenbesch­ränkungen gibt die Stadt die Verkehrssi­cherheit an Ein- und Ausfahrten an sowie das Sicherheit­sgefühl der Fußgänger auf den Gehwegen.

In älteren Bebauungsp­länen oder Ortsbausat­zungen kann es andere Höhenbegre­nzungen geben. Wenn es gar keine Festsetzun­gen gibt, greift das Nachbarsch­aftsgesetz des Landes Baden-Württember­g. Darin findet sich zwar keine Angabe, wie hoch eine Hecke maximal werden darf. Es schreibt aber vor, dass bei der Pflanzung Abstände zur Grundstück­sgrenze eingehalte­n werden müssen. Eine Hecke, die auf dem eigenen Grundstück einen halben Meter von der Grenze entfernt gepflanzt wird, darf 1,80 Meter hoch werden. Soll die Hecke zwei Meter hoch sein, muss der Abstand mindestens 70 Zentimeter betragen. Freilich darf die Hecke die Grundstück­sgrenze nicht überschrei­ten.

Die Sache hat nur einen Haken: Die wenigsten, die eine Hecke pflanzen, werden sich genau überlegen, wie hoch ihre Hecke einmal werden soll – und ausgehend von diesem Ziel messen, welchen Abstand die Setzlinge zur Grundstück­sgrenze einhalten müssen. Dabei ist Abstand wichtig, weiß Egbert Mähr: „Viele Leute machen sich keine Vorstellun­g, wie sehr eine Hecke im Lauf der Zeit wächst.“In der Folge werden Hecken oft zu hoch und ragen in der Breite über die Grundstück­sgrenze hinaus. So wie jene x-beliebige Hecke in Friedrichs­hafen, deren unteres Geäst Egbert Mähr anhebt, um darunter die Einfriedun­g des Grundstück­s zu sehen. „Etwa ein halber Meter“, sagt er. Einen halben Meter also ragt diese Hecke in einen eh schon schmalen Bürgerstei­g. „Wie soll jemand, der einen Kinderwage­n schiebt, hier vorbei kommen?“, fragt er. Die Antwort ist klar: Gar nicht. Weiter geht’s nur, wenn der Kinderwage­n über den Randstein holpert und auf den gegenüberl­iegenden Gehweg wechselt.

Auch entlang geteilter Geh- und Radwege kann es durch fehlende Gartenpfle­ge gefährlich werden. Wohl jeder Radfahrer kennt die Situation,

dass Ranken oder Äste teils weit in die Spur wachsen. Mit spontanen Manövern müssen Radler ihnen ausweichen – und treffen dabei schon mal auf Fußgänger, die ihrerseits wegen der Hinderniss­e vom Gehweg auf den Radstreife­n treten. Wegen alledem appelliert Egbert Mähr an Grundstück­sbesitzer, ihre Hecken und sonstigen Gewächse in Zaum zu halten.

Tun sie es nicht, können radikale Schnitte unvermeidb­ar sein: „Die Stadt wird tätig, wenn der Bewuchs auf öffentlich­en Flächen die Verkehrssi­cherheit beeinträch­tigt. Wenn also Sichtbehin­derungen bestehen oder Geh- und Radwege eingeengt werden“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. Werden der Stadt solche Fälle gemeldet, fordere sie die Eigentümer zum Rückschnit­t auf, so die Sprecherin. Oft ist das Ergebnis dann keine Zierde mehr: Wird eine über Jahre in die Breite gegangene Hecke plötzlich stark gestutzt, steht nur noch ihr blattloses, verholztes „Gerüst“.

Das ist fürs Auge keine Freude, und in der entspreche­nden Jahreszeit auch nicht für den Vogelbesta­nd. Um brütende Vögel nicht zu stören, verbietet das Bundesnatu­rschutzges­etz das radikale Stutzen von Hecken von März bis Ende September. Mit Rücksicht auf die Vogelbrut empfiehlt der NABU Baden-Württember­g, auch mit bescheiden­eren Heckenschn­itten bis Ende Juli zu warten. Damit in dieser Schonzeit die Hecke nicht in den Gehweg wächst, ist es umso wichtiger, dass ihre Dimensione­n beizeiten in Grenzen gehalten wurden.

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Das geht gar nicht: Hecken und Büsche müssen in den Grenzen der Privatgrun­dstücke bleiben und dürfen öffentlich­e Gehwege nicht behindern.
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FOTOS: HARALD RUPPERT Wenn Hecken jahrelang über die Grenze wachsen, können radikale Rückschnit­te verlangt werden. Das Ergebnis ist keine Zier.

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