An jeder Häfler Ecke wuchert eine Hecke
Manche grüne Grundstücksgrenze behindert die Gehwege – Was beachtet werden muss, um Ärger zu vermeiden
- Egbert Mähr ist groß. Wenn er durch sein Viertel geht, genügt ihm seine Körperlänge oft aber trotzdem nicht. Der Grund sind übermannshohe Hecken oder blickdichte Zäune an privaten Grundstücksgrenzen. „Viele verbarrikadieren sich heute“, sagt er. Was dabei abhanden komme, sei der Blick in die Weite. Er habe bei Spaziergängen oft nicht mehr das Gefühl, in der Stadt zu wohnen, sondern in engen Korridoren. „Wieso muss eine Hecke 2,50 Meter hoch sein?, fragt sich Mähr. „Es läuft ja niemand mit einer Leiter herum, um drüber zu schauen.“
Für ihn ist diese Abschottung des privaten Raumes nur ein äußerliches Zeichen, dass es an Gemeinsinn fehlt. Keiner wolle den anderen sehen oder von ihm gesehen werden. Im Ergebnis laufe man wegen der hohen Barrieren mit einem Gefühl der Einengung durch die Straßen. Dabei sind die Vorschriften zumindest in den neuen Bebauungsplänen eindeutig: Entlang von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen dürfen Hecken und Zäune nicht höher als einen Meter sein. Als Grund für diese Höhenbeschränkungen gibt die Stadt die Verkehrssicherheit an Ein- und Ausfahrten an sowie das Sicherheitsgefühl der Fußgänger auf den Gehwegen.
In älteren Bebauungsplänen oder Ortsbausatzungen kann es andere Höhenbegrenzungen geben. Wenn es gar keine Festsetzungen gibt, greift das Nachbarschaftsgesetz des Landes Baden-Württemberg. Darin findet sich zwar keine Angabe, wie hoch eine Hecke maximal werden darf. Es schreibt aber vor, dass bei der Pflanzung Abstände zur Grundstücksgrenze eingehalten werden müssen. Eine Hecke, die auf dem eigenen Grundstück einen halben Meter von der Grenze entfernt gepflanzt wird, darf 1,80 Meter hoch werden. Soll die Hecke zwei Meter hoch sein, muss der Abstand mindestens 70 Zentimeter betragen. Freilich darf die Hecke die Grundstücksgrenze nicht überschreiten.
Die Sache hat nur einen Haken: Die wenigsten, die eine Hecke pflanzen, werden sich genau überlegen, wie hoch ihre Hecke einmal werden soll – und ausgehend von diesem Ziel messen, welchen Abstand die Setzlinge zur Grundstücksgrenze einhalten müssen. Dabei ist Abstand wichtig, weiß Egbert Mähr: „Viele Leute machen sich keine Vorstellung, wie sehr eine Hecke im Lauf der Zeit wächst.“In der Folge werden Hecken oft zu hoch und ragen in der Breite über die Grundstücksgrenze hinaus. So wie jene x-beliebige Hecke in Friedrichshafen, deren unteres Geäst Egbert Mähr anhebt, um darunter die Einfriedung des Grundstücks zu sehen. „Etwa ein halber Meter“, sagt er. Einen halben Meter also ragt diese Hecke in einen eh schon schmalen Bürgersteig. „Wie soll jemand, der einen Kinderwagen schiebt, hier vorbei kommen?“, fragt er. Die Antwort ist klar: Gar nicht. Weiter geht’s nur, wenn der Kinderwagen über den Randstein holpert und auf den gegenüberliegenden Gehweg wechselt.
Auch entlang geteilter Geh- und Radwege kann es durch fehlende Gartenpflege gefährlich werden. Wohl jeder Radfahrer kennt die Situation,
dass Ranken oder Äste teils weit in die Spur wachsen. Mit spontanen Manövern müssen Radler ihnen ausweichen – und treffen dabei schon mal auf Fußgänger, die ihrerseits wegen der Hindernisse vom Gehweg auf den Radstreifen treten. Wegen alledem appelliert Egbert Mähr an Grundstücksbesitzer, ihre Hecken und sonstigen Gewächse in Zaum zu halten.
Tun sie es nicht, können radikale Schnitte unvermeidbar sein: „Die Stadt wird tätig, wenn der Bewuchs auf öffentlichen Flächen die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Wenn also Sichtbehinderungen bestehen oder Geh- und Radwege eingeengt werden“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. Werden der Stadt solche Fälle gemeldet, fordere sie die Eigentümer zum Rückschnitt auf, so die Sprecherin. Oft ist das Ergebnis dann keine Zierde mehr: Wird eine über Jahre in die Breite gegangene Hecke plötzlich stark gestutzt, steht nur noch ihr blattloses, verholztes „Gerüst“.
Das ist fürs Auge keine Freude, und in der entsprechenden Jahreszeit auch nicht für den Vogelbestand. Um brütende Vögel nicht zu stören, verbietet das Bundesnaturschutzgesetz das radikale Stutzen von Hecken von März bis Ende September. Mit Rücksicht auf die Vogelbrut empfiehlt der NABU Baden-Württemberg, auch mit bescheideneren Heckenschnitten bis Ende Juli zu warten. Damit in dieser Schonzeit die Hecke nicht in den Gehweg wächst, ist es umso wichtiger, dass ihre Dimensionen beizeiten in Grenzen gehalten wurden.