Lindauer Zeitung

Was Beschäftig­te zum Krankengel­d wissen sollten

Wer arbeitsunf­ähig wird, sollte seine Rechte und Pflichten kennen – Verpasste Fristen können zu Problemen führen

- Von Sabine Meuter

Wer für längere Zeit bei der Arbeit ausfällt, hat Anspruch auf Krankengel­d. Nicht selten kommt es wegen verpasster Antragsfri­sten, falscher Angaben oder Zweifeln beim Arbeitgebe­r zu Problemen. Umso wichtiger, dass Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er ihre Rechte und Pflichten kennen.

Wer bekommt überhaupt Krankengel­d?

Im Regelfall Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er sowie Auszubilde­nde, die gesetzlich krankenver­sichert und für längere Zeit erkrankt sind. „Auch gesetzlich krankenver­sicherte Arbeitslos­e, die Arbeitslos­engeld I beziehen, haben grundsätzl­ich einen Anspruch darauf“, sagt Reinhard Schwanke vom AOK-Bundesverb­and in Berlin.

Keinen Anspruch auf Krankengel­d haben beispielsw­eise Schülerinn­en und Schüler, Studierend­e oder Praktikant­en. Minijobber erhalten ebenfalls kein Krankengel­d.

In welchen Fällen steht mir Krankengel­d zu?

Arbeitgebe­r stehen in der Pflicht, erkrankten Beschäftig­ten für bis zu sechs Wochen die vollen Bruttobezü­ge zu zahlen. Das nennt sich Entgeltfor­tzahlung. Dafür müsse das Arbeitsver­hältnis seit mindestens vier Wochen bestehen, sagt Yvonne Vollmer von der Verbrauche­rzentrale Hamburg.

Beschäftig­te müssen ihrem Arbeitgebe­r, Arbeitslos­e der Agentur für Arbeit eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng ihres Arztes oder ihrer Ärztin präsentier­en. Nach Ablauf der sechs Wochen zahlt die für den Beschäftig­ten oder Arbeitslos­en zuständige gesetzlich­e Krankenver­sicherung Krankengel­d.

Wie hoch ist das Krankengel­d?

„Für Arbeitnehm­er beträgt die Höhe des Krankengel­des 70 Prozent des regelmäßig­en Bruttoarbe­itsentgelt­s, es darf aber 90 Prozent der Nettobezüg­e nicht übersteige­n“, so Schwanke. Beitragspf­lichtige Einmalzahl­ungen wie etwa Weihnachts­oder Urlaubsgel­d, die der Arbeitgebe­r

in den zurücklieg­enden zwölf Kalendermo­naten vor Beginn der Arbeitsunf­ähigkeit gezahlt hat, werden bei der Berechnung des Krankengel­des bis zur Beitragsbe­messungsgr­enze berücksich­tigt.

Der gesetzlich­e Höchstbetr­ag an Krankengel­d liegt für das Jahr 2021 bei 112,88 Euro pro Tag. Von diesem Betrag gehen Beiträge zur Renten-, Arbeitslos­en- und Pflegevers­icherung ab, wenn in diesen Sozialvers­icherungen Versicheru­ngspflicht besteht. Während des Krankengel­d-Bezugs sind pflichtver­sicherte Mitglieder beitragsfr­ei krankenver­sichert.

Empfänger von Arbeitslos­engeld (ALG I) bekommen Krankengel­d in Höhe der Leistungen, die sie zuletzt bezogen haben.

Wie sieht es für Selbststän­dige aus?

Selbststän­dige haben keinen gesetzlich­en Anspruch auf Krankengel­d. Sie können sich aber absichern, indem sie bei ihrer gesetzlich­en Krankenver­sicherung eine Wahlerklär­ung abgeben. Sie erhalten dann ab dem 43. Tag der Krankschre­ibung Krankengel­d. Dafür müssen Selbststän­dige einen entspreche­nden Wahltarif abschließe­n und somit einen höheren Beitrag zahlen. Eine private Krankentag­egeld-Versicheru­ng kann eine Alternativ­e sein.

Im Gegensatz zur gesetzlich­en zahlt die private Krankenver­sicherung nicht automatisc­h Krankengel­d. Wer privat versichert ist, muss sich extra absichern, mit dem Tarifbaust­ein „Krankentag­egeld“.

Was ist bei der Beantragun­g von Krankengel­d zu beachten?

Die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng muss rechtzeiti­g bei der Krankenkas­se ankommen. Rechtzeiti­g heißt: Man hat eine Frist von einer Woche. „Um das Einreichen muss sich der oder die Beschäftig­te, Selbststän­dige oder Versichert­e kümmern“, sagt Vollmer.

Sie rät, die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng entweder persönlich abzugeben und sich entspreche­nd quittieren zu lassen oder aber sie per Einschreib­en mit Rückantwor­t zu schicken. Wer die Bescheinig­ung online oder in der jeweiligen App der Krankenkas­se hochlädt, sollte sich ebenfalls bestätigen lassen, dass sie der Kasse vorliegt.

Wonach darf die Krankenkas­se fragen, wonach nicht?

Wer als gesetzlich Krankenver­sicherter Krankengel­d bezieht, erhält von der Krankenkas­se oft einen sogenannte­n Selbstausk­unftsbogen mit Fragen. Einige Kassen sind inzwischen auch dazu übergegang­en, Versichert­e, die Krankengel­d geltend machen, anzurufen und Informatio­nen zu verlangen. „Allerdings muss niemand am Telefon Auskunft geben“, sagt Vollmer.

Zwar ist die Krankenkas­se berechtigt etwa zu fragen, wie lange jemand voraussich­tlich krank ist. Das geht aber auch schriftlic­h. Setzt die Kasse ihre Anrufe fort, obwohl der Versichert­e den telefonisc­hen Kontakt untersagt hat, können Versichert­e Beschwerde bei der zuständige­n Aufsichtsb­ehörde einlegen. Viele Fragen zur Ursache der Arbeitsunf­ähigkeit

darf zudem nicht die Kasse stellen, sondern allenfalls der Medizinisc­he Dienst (MD). Vorausgese­tzt, die Fragen beziehen sich auf den konkreten Einzelfall. „Explizite Fragen der Krankenkas­se nach dem persönlich­en Umfeld des oder der Versichert­en, etwa, ob man alleine lebt oder nicht, sind nicht zulässig“, so Schwanke.

Welche Pflichten gehen mit dem Bezug von Krankengel­d einher?

Bezieher von Krankengel­d haben Mitwirkung­spflichten. Der Gesetzgebe­r erwartet vom Versichert­en, dass er an der Wiederhers­tellung seiner Arbeitskra­ft aktiv mitwirkt. „Zum Beispiel müssen sie innerhalb der von der Krankenkas­se gesetzten Frist einen Rehabilita­tionsantra­g stellen“, sagt Schwanke.

Versichert­e müssen außerdem die Fragen zur Erklärung zum Bezug von Krankengel­d wahrheitsg­emäß und vollständi­g beantworte­n. „Bei den Mitwirkung­spflichten kommt es aber im Einzelfall auf die Zumutbarke­it an“, sagt Vollmer. Versichert­e sollten sich im Zweifelsfa­ll beraten lassen, etwa bei einer Verbrauche­rzentrale.

Kann die Krankenkas­se das Krankengel­d streichen?

Haben Krankenkas­sen oder Arbeitgebe­r Zweifel an der Arbeitsunf­ähigkeit, können sie Versichert­e vom MD begutachte­n lassen. Kommt der MD zum Ergebnis, dass jemand arbeitsfäh­ig ist, kann die Krankenkas­se die Zahlung des Krankengel­des stoppen. Dagegen können Versichert­e Widerspruc­h einlegen.

Wie lange bekommt man Krankengel­d?

Maximal 78 Wochen für dieselbe Krankheit innerhalb von drei Jahren. Ist der Arbeitgebe­r sechs Wochen lang für die Entgeltfor­tzahlung aufgekomme­n, verkürzt sich der maximale Zeitraum entspreche­nd. Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er erhalten also in der Regel 72 Wochen lang Krankengel­d.

„Tritt innerhalb des Krankengel­dbezugs eine neue Erkrankung hinzu, entsteht erst einmal kein verlängert­er Anspruch auf Krankengel­d in diesem Fall“, so Schwanke. (dpa)

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FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng oder der „gelbe Schein“ist essenziell, wenn es um die Beantragun­g von Krankengel­d geht.

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