In die Luft gehen, damit nichts anbrennt
Waldbrand-Luftbeobachter passen von oben auf Bayerns Wälder auf
(dpa) - Wenn es brenzlig wird, steigen sie auf: Waldbrand-Luftbeobachter überwachen die Lage aus schwindelerregender Höhe. Ihr Einsatz trägt Früchte, wie Statistiken zeigen. Und ihre Erfahrung lehrt: Meistens ist es der Mensch, der die Feuer verursacht.
„Du sitzt in dem engen Ding drin, mit den Karten drauf, da ist wenig Platz. Dann soll man schreiben und gucken und fotografieren. Man ist am Anfang wirklich überfordert damit, seine Hände an die richtigen Stellen zu bringen und die Aufträge auszuführen“, sagt Andreas Carmanns auf dem Flugplatz Giebelstadt in Unterfranken. In seinem Beruf im Veterinäramt hat Carmanns eigentlich festen Boden unter den Füßen. Eben saß er aber noch in Hunderten Metern Höhe in der engen Kabine eines Kleinflugzeugs: Der Fluglaie wird zum WaldbrandLuftbeobachter ausgebildet. Die steigen auf, wenn es brenzlig wird: Herrscht Waldbrandgefahr, werden die Beobachter von Piloten in Kleinflugzeugen oder Hubschraubern in die Luft gebracht, um von oben die Lage zu überwachen. Sie helfen auch bei anderen Notlagen, etwa Hochwassern.
Bei den jüngsten Überschwemmungen in Bayern hätten sie nicht ausrücken müssen, diese seien nicht so großflächig gewesen, sagt Karl Herrmann, Präsident der Luftrettungsstaffel Bayern, die seit 1968 Luftbeobachtung und Ausbildung organisiert. Mit 130 Einsatzstunden sei 2021 mit dem verregneten Sommer bislang das einsatzärmste Jahr seit 20 Jahren. „Aber das kann sich ganz schnell ändern“, sagt er.
Rund 350 Einsätze absolvierten sie 2020, wie das Innenministerium mitteilt. In den zwei Jahren davor mit besonders vielen Tagen mit hoher Waldbrandgefahr waren es sogar 532 Einsätze (2019) beziehungsweise 747 Einsätze (2018). Rund 280 Luftbeobachter gibt es derzeit. Gestartet wird von Flugplätzen in allen Regierungsbezirken.
Haben die Luftbeobachter eine Rauchsäule entdeckt, geht die Arbeit erst richtig los, wie Jürgen Schemmel von der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg erklärt, der selbst seit mehr als 20 Jahren Luftbeobachter ist. Sie müssen den Brand melden, anhand Windrichtung und Hanglage einschätzen, wie er sich ausbreiten könnte, Fotos machen. Sie müssen den Einsatz der Feuerwehr am Boden koordinieren: Wo sind befahrbare Wege? Wie kommen Fahrzeuge zum Brand? Wo ist eigentlich Löschwasser? Und all das in luftiger Höhe kreisend.
„Wenn dann die Sonne rauskommt, sitzt man im Backofen. Dann wird’s richtig heiß und man klebt im Sitz fest. Und irgendwann ist man froh, wenn man wieder unten ist“, sagt der Neu-Luftbeobachter Carmanns. Seine Mitauszubildende Julia Bischof sagt: „Die Herausforderung ist, die vielen Dinge unter einen Hut zu bekommen. Man muss funken, sich gleichzeitig im Flugzeug orientieren und hat natürlich viele neue Eindrücke beim Fliegen.“Bischof arbeitet sonst als Försterin. Die Luftbeobachter werden aus dem öffentlichen Dienst in Bayern rekrutiert. Der Vorteil: Bei Waldbrandgefahr können sie leichter als bei privaten Firmen von ihrem Beruf abgezogen werden.
Luftbeobachter bräuchten ein gewisses Gottvertrauen, sagt Herrmann, von der Luftrettungsstaffel Bayern. Gedanken, was alles passieren könnte, während man über brennendem Wald kreise, müsse man verdrängen. Abstürze oder Verletzte gab es bisher aber nicht. Wichtig sei gute Teamarbeit mit den Piloten, sagt Schemmel. Oft kennen sich Beobachter und Pilot seit Jahren, Vertrauen ist wichtig. „Ich kann keinen Draufgänger und keine Wildsau brauchen“, sagt er.
Die Beobachter rücken auf Anordnung der Regierungsbezirke aus, wenn die höchste oder zweithöchste Gefahrenstufe des fünfstufigen Waldbrandgefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes (DWD) herrscht. In diesen Index fließen etwa Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Niederschlagsmenge ein.
Geflogen wird vor allem am Wochenende, wenn besonders viele Menschen im Wald unterwegs sind – denn die lösen Waldbrände meistens aus. Zwar gebe es auch natürliche Ursachen wie Blitzschlag, sagt Schemmel. Meist seien aber weggeworfene Kippen, menschengemachte Feuer, landwirtschaftliche Maschinen oder im trockenen Gras geparkte Autos schuld, die unten noch heiß sind. Vor allem nachmittags wird geflogen. Abends und am Morgen sei es feuchter, erklärt Schemmel. „Und da sind noch nicht so viele Leute unterwegs, die was anstellen können.“Die seien heute auch in Gegenden unterwegs, die früher nicht touristisch erschlossen waren. Andererseits könnten Brände heute viel schneller gemeldet werden als in Zeiten ohne Handy, sagt Schemmel.
Langfristig ist die Zahl der Tage mit hohen Warnstufen in Bayern laut DWD gestiegen. In den Jahren 1961 bis 1990 gab es im Schnitt sieben Tage mit den höchsten Warnstufen vier oder fünf. Von 1991 bis 2020 waren es durchschnittlich schon 16,7 Tage.
Vorsichtsmaßnahmen wie Luftbeobachter-Einsätze zeigen aber Wirkung: Es gibt immer mehr Tage mit Waldbrandgefahr, die Zahl tatsächlich ausgebrochener Brände nimmt aber gleichzeitig ab: In Deutschland gibt es laut DWD pro Jahr etwa 500 bis 1000 Brände – und damit nur halb so viele wie im Schnitt der 1980er- und 1990er-Jahre. 2018, 2019 und 2020 gab es aber Ausreißer nach oben. Auch in Bayern ging der Trend in den vergangenen 30 Jahren nach unten, wie aus Waldbrandstatistiken der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hervorgeht. „Der rückläufige Trend ist auf eine verbesserte Prävention zurückzuführen“, sagt DWD-Waldbrandexperte Christopher Böttcher.
Eine tolle Abwechslung zum Amtsalltag sei die Aufgabe, sagt Veterinäramtsmitarbeiter Carmanns, der künftig in Oberbayern im Einsatz sein wird. „Ich denke, da kann man das Schöne mit dem Nützlichen verbinden.“Auch die Försterin Julia Bischof hat in der Ausbildung die positiven Seiten der Aufgabe zu schätzen gelernt. Gerade auf dem Rückflug sei noch Zeit, sich umzuschauen, sagt sie. „Das ist schon sehr schön, dass man die Möglichkeit hat zu fliegen.“