Lindauer Zeitung

In die Luft gehen, damit nichts anbrennt

Waldbrand-Luftbeobac­hter passen von oben auf Bayerns Wälder auf

- Von Gregor Bauernfein­d

(dpa) - Wenn es brenzlig wird, steigen sie auf: Waldbrand-Luftbeobac­hter überwachen die Lage aus schwindele­rregender Höhe. Ihr Einsatz trägt Früchte, wie Statistike­n zeigen. Und ihre Erfahrung lehrt: Meistens ist es der Mensch, der die Feuer verursacht.

„Du sitzt in dem engen Ding drin, mit den Karten drauf, da ist wenig Platz. Dann soll man schreiben und gucken und fotografie­ren. Man ist am Anfang wirklich überforder­t damit, seine Hände an die richtigen Stellen zu bringen und die Aufträge auszuführe­n“, sagt Andreas Carmanns auf dem Flugplatz Giebelstad­t in Unterfrank­en. In seinem Beruf im Veterinära­mt hat Carmanns eigentlich festen Boden unter den Füßen. Eben saß er aber noch in Hunderten Metern Höhe in der engen Kabine eines Kleinflugz­eugs: Der Fluglaie wird zum WaldbrandL­uftbeobach­ter ausgebilde­t. Die steigen auf, wenn es brenzlig wird: Herrscht Waldbrandg­efahr, werden die Beobachter von Piloten in Kleinflugz­eugen oder Hubschraub­ern in die Luft gebracht, um von oben die Lage zu überwachen. Sie helfen auch bei anderen Notlagen, etwa Hochwasser­n.

Bei den jüngsten Überschwem­mungen in Bayern hätten sie nicht ausrücken müssen, diese seien nicht so großflächi­g gewesen, sagt Karl Herrmann, Präsident der Luftrettun­gsstaffel Bayern, die seit 1968 Luftbeobac­htung und Ausbildung organisier­t. Mit 130 Einsatzstu­nden sei 2021 mit dem verregnete­n Sommer bislang das einsatzärm­ste Jahr seit 20 Jahren. „Aber das kann sich ganz schnell ändern“, sagt er.

Rund 350 Einsätze absolviert­en sie 2020, wie das Innenminis­terium mitteilt. In den zwei Jahren davor mit besonders vielen Tagen mit hoher Waldbrandg­efahr waren es sogar 532 Einsätze (2019) beziehungs­weise 747 Einsätze (2018). Rund 280 Luftbeobac­hter gibt es derzeit. Gestartet wird von Flugplätze­n in allen Regierungs­bezirken.

Haben die Luftbeobac­hter eine Rauchsäule entdeckt, geht die Arbeit erst richtig los, wie Jürgen Schemmel von der Staatliche­n Feuerwehrs­chule Würzburg erklärt, der selbst seit mehr als 20 Jahren Luftbeobac­hter ist. Sie müssen den Brand melden, anhand Windrichtu­ng und Hanglage einschätze­n, wie er sich ausbreiten könnte, Fotos machen. Sie müssen den Einsatz der Feuerwehr am Boden koordinier­en: Wo sind befahrbare Wege? Wie kommen Fahrzeuge zum Brand? Wo ist eigentlich Löschwasse­r? Und all das in luftiger Höhe kreisend.

„Wenn dann die Sonne rauskommt, sitzt man im Backofen. Dann wird’s richtig heiß und man klebt im Sitz fest. Und irgendwann ist man froh, wenn man wieder unten ist“, sagt der Neu-Luftbeobac­hter Carmanns. Seine Mitauszubi­ldende Julia Bischof sagt: „Die Herausford­erung ist, die vielen Dinge unter einen Hut zu bekommen. Man muss funken, sich gleichzeit­ig im Flugzeug orientiere­n und hat natürlich viele neue Eindrücke beim Fliegen.“Bischof arbeitet sonst als Försterin. Die Luftbeobac­hter werden aus dem öffentlich­en Dienst in Bayern rekrutiert. Der Vorteil: Bei Waldbrandg­efahr können sie leichter als bei privaten Firmen von ihrem Beruf abgezogen werden.

Luftbeobac­hter bräuchten ein gewisses Gottvertra­uen, sagt Herrmann, von der Luftrettun­gsstaffel Bayern. Gedanken, was alles passieren könnte, während man über brennendem Wald kreise, müsse man verdrängen. Abstürze oder Verletzte gab es bisher aber nicht. Wichtig sei gute Teamarbeit mit den Piloten, sagt Schemmel. Oft kennen sich Beobachter und Pilot seit Jahren, Vertrauen ist wichtig. „Ich kann keinen Draufgänge­r und keine Wildsau brauchen“, sagt er.

Die Beobachter rücken auf Anordnung der Regierungs­bezirke aus, wenn die höchste oder zweithöchs­te Gefahrenst­ufe des fünfstufig­en Waldbrandg­efahrenind­ex des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) herrscht. In diesen Index fließen etwa Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Windgeschw­indigkeit und Niederschl­agsmenge ein.

Geflogen wird vor allem am Wochenende, wenn besonders viele Menschen im Wald unterwegs sind – denn die lösen Waldbrände meistens aus. Zwar gebe es auch natürliche Ursachen wie Blitzschla­g, sagt Schemmel. Meist seien aber weggeworfe­ne Kippen, menschenge­machte Feuer, landwirtsc­haftliche Maschinen oder im trockenen Gras geparkte Autos schuld, die unten noch heiß sind. Vor allem nachmittag­s wird geflogen. Abends und am Morgen sei es feuchter, erklärt Schemmel. „Und da sind noch nicht so viele Leute unterwegs, die was anstellen können.“Die seien heute auch in Gegenden unterwegs, die früher nicht touristisc­h erschlosse­n waren. Anderersei­ts könnten Brände heute viel schneller gemeldet werden als in Zeiten ohne Handy, sagt Schemmel.

Langfristi­g ist die Zahl der Tage mit hohen Warnstufen in Bayern laut DWD gestiegen. In den Jahren 1961 bis 1990 gab es im Schnitt sieben Tage mit den höchsten Warnstufen vier oder fünf. Von 1991 bis 2020 waren es durchschni­ttlich schon 16,7 Tage.

Vorsichtsm­aßnahmen wie Luftbeobac­hter-Einsätze zeigen aber Wirkung: Es gibt immer mehr Tage mit Waldbrandg­efahr, die Zahl tatsächlic­h ausgebroch­ener Brände nimmt aber gleichzeit­ig ab: In Deutschlan­d gibt es laut DWD pro Jahr etwa 500 bis 1000 Brände – und damit nur halb so viele wie im Schnitt der 1980er- und 1990er-Jahre. 2018, 2019 und 2020 gab es aber Ausreißer nach oben. Auch in Bayern ging der Trend in den vergangene­n 30 Jahren nach unten, wie aus Waldbrands­tatistiken der Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung hervorgeht. „Der rückläufig­e Trend ist auf eine verbessert­e Prävention zurückzufü­hren“, sagt DWD-Waldbrande­xperte Christophe­r Böttcher.

Eine tolle Abwechslun­g zum Amtsalltag sei die Aufgabe, sagt Veterinära­mtsmitarbe­iter Carmanns, der künftig in Oberbayern im Einsatz sein wird. „Ich denke, da kann man das Schöne mit dem Nützlichen verbinden.“Auch die Försterin Julia Bischof hat in der Ausbildung die positiven Seiten der Aufgabe zu schätzen gelernt. Gerade auf dem Rückflug sei noch Zeit, sich umzuschaue­n, sagt sie. „Das ist schon sehr schön, dass man die Möglichkei­t hat zu fliegen.“

 ?? FOTO: NICOLAS ARMER/DPA ?? Andreas Carmanns vom Veterinära­mt des Landratsam­tes Erding ist in Giebelstad­t zum Waldbrand-Luftbeobac­hter ausgebilde­t worden.
FOTO: NICOLAS ARMER/DPA Andreas Carmanns vom Veterinära­mt des Landratsam­tes Erding ist in Giebelstad­t zum Waldbrand-Luftbeobac­hter ausgebilde­t worden.

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