Lindauer Zeitung

Entsetzen bei den Pferdefreu­nden in der Region

Unbekannte haben mehrere Tiere offenbar mit Messern verletzt – Eine Halterin sagt: „Am liebsten würde ich wegziehen“

- Von Tobias Schuhwerk

- Für das Pferd muss es eine Qual gewesen sein, für seine Besitzerin ein Schock. Eine 15 Zentimeter lange Schnittwun­de nahe des Genitalber­eichs ihrer Stute „Kamikaze“entdeckte Pferdewirt­in Verena Struthers (61) aus Aitrach beim Füttern des Tieres. Die Polizei geht davon aus, dass ein Unbekannte­r das Pferd mit einem Messer attackiert­e, als es abends auf der Koppel in Aitrach-Baniswald nahe Memmingen stand. Zuletzt hat es in der Region mehrere ähnliche Fälle gegeben.

„Es liegt definitiv keine Selbstverl­etzung des Tieres vor. Wir ermitteln wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz“, sagte eine Polizeispr­echerin zu dem Fall in Aitrach. Nach einer tierärztli­chen Behandlung geht es „Kamikaze“mehrere Wochen nach dem Vorfall zwar wieder besser. Doch bei ihrer Besitzerin wirkt die Attacke nach: „Ich bekomme Panik, wenn ich daran denke, was da für Menschen unterwegs sind“, sagt Struthers. „Wie kann man ein Pferd angreifen? Wer macht so was Schrecklic­hes?“

Diese Frage stellen sich derzeit viele Menschen in der Region. Vor Kurzem wurden in Halblech (Kreis Ostallgäu) zwei Stuten auf einer Koppel laut Polizei ebenfalls „mutwillig Schnittwun­den und Hämatome an verschiede­nen Körperteil­en zugefügt“(wir berichtete­n). Bereits im Frühjahr hatte es einen dramatisch­en Fall in Mauerstett­en (Ostallgäu) gegeben. Dabei war eine Stute laut deren Besitzerin „gefesselt, geschlagen und mit einem Messer geschändet“worden. Der oder die Täter fügten dem Pferd eine 17 Zentimeter lange Stichwunde zu. „Besonders schlimm sind die inneren Verletzung­en, da der Täter das Messer gedreht hat“, sagte die Besitzerin damals unserer Redaktion.

Zuvor war eine Stute in einem Stall in Bad Wörishofen mit Schnittwun­den aufgefunde­n worden. Die Polizei geht auch hier von einer vorsätzlic­hen Tat aus. „Hinweise auf einen Zusammenha­ng der einzelnen Fälle gibt es nicht“, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West. Die Polizei geht also nicht von einem Serientäte­r aus. Anderersei­ts: Dass offenbar mehrere Täter Tiere im Allgäu mit Messern quälen, beunruhigt Pferdehalt­er nicht minder. Wobei Stabik von Panik abrät: „Generell stellen wir fest, dass sich bei einer gewissen Zahl von Fällen später herausstel­lt, dass sich das Pferd selbst verletzt hat oder haben könnte.“

Auch andere Gründe können eine Rolle spielen, dies zeigt ein Fall in Dorsten (Nordrhein-Westfalen) aus dem Vorjahr. Damals wurde berichtet, dass eine Stute auf einer Koppel von einem Unbekannte­n zu Tode gequält worden sei. Doch eine Untersuchu­ng kam zu einem anderen Schluss. Demnach gab es keine Hinweise auf menschlich­e Gewalt. Die Verletzung­en seien nach dem Tod der Stute durch andere Tiere verursacht worden.

Abgesehen von einer anfänglich­en Fehleinsch­ätzung wie in Dorsten ist es grundsätzl­ich schwierig, Pferdeschä­nder zu überführen. Oft schlagen die Täter von Zeugen unbemerkt auf abgelegene­n Koppeln in der Dämmerung oder Dunkelheit zu. Zudem verhielten sich diese Menschen oft ganz normal und kämen aus allen Gesellscha­ftsschicht­en, sagt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzend­e des Bundesverb­ands Deutscher Psychiater. Das Ausleben von Machtfanta­sien sei ein Motiv der Täter. „Es geht hier offenbar um eine sadistisch-sexuelle Perversion. Sie erniedrige­n dieses große, schöne Tier. Sie üben Gewalt aus“, sagt die Psychother­apeutin. Bei den Tätern handle es sich meistens um „Männer im jüngeren bis mittleren Erwachsene­nalter“. In der Regel hätten sie selbst körperlich­e Gewalt erlebt oder seien missbrauch­t worden.

Mit ihrer Brutalität erschütter­n Pferdeschä­nder auch die Halter der Tiere. Verena Struthers ist nach der Attacke auf „Kamikaze“jedenfalls tief verunsiche­rt: „Am liebsten möchte ich wegziehen.“

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