Entsetzen bei den Pferdefreunden in der Region
Unbekannte haben mehrere Tiere offenbar mit Messern verletzt – Eine Halterin sagt: „Am liebsten würde ich wegziehen“
- Für das Pferd muss es eine Qual gewesen sein, für seine Besitzerin ein Schock. Eine 15 Zentimeter lange Schnittwunde nahe des Genitalbereichs ihrer Stute „Kamikaze“entdeckte Pferdewirtin Verena Struthers (61) aus Aitrach beim Füttern des Tieres. Die Polizei geht davon aus, dass ein Unbekannter das Pferd mit einem Messer attackierte, als es abends auf der Koppel in Aitrach-Baniswald nahe Memmingen stand. Zuletzt hat es in der Region mehrere ähnliche Fälle gegeben.
„Es liegt definitiv keine Selbstverletzung des Tieres vor. Wir ermitteln wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz“, sagte eine Polizeisprecherin zu dem Fall in Aitrach. Nach einer tierärztlichen Behandlung geht es „Kamikaze“mehrere Wochen nach dem Vorfall zwar wieder besser. Doch bei ihrer Besitzerin wirkt die Attacke nach: „Ich bekomme Panik, wenn ich daran denke, was da für Menschen unterwegs sind“, sagt Struthers. „Wie kann man ein Pferd angreifen? Wer macht so was Schreckliches?“
Diese Frage stellen sich derzeit viele Menschen in der Region. Vor Kurzem wurden in Halblech (Kreis Ostallgäu) zwei Stuten auf einer Koppel laut Polizei ebenfalls „mutwillig Schnittwunden und Hämatome an verschiedenen Körperteilen zugefügt“(wir berichteten). Bereits im Frühjahr hatte es einen dramatischen Fall in Mauerstetten (Ostallgäu) gegeben. Dabei war eine Stute laut deren Besitzerin „gefesselt, geschlagen und mit einem Messer geschändet“worden. Der oder die Täter fügten dem Pferd eine 17 Zentimeter lange Stichwunde zu. „Besonders schlimm sind die inneren Verletzungen, da der Täter das Messer gedreht hat“, sagte die Besitzerin damals unserer Redaktion.
Zuvor war eine Stute in einem Stall in Bad Wörishofen mit Schnittwunden aufgefunden worden. Die Polizei geht auch hier von einer vorsätzlichen Tat aus. „Hinweise auf einen Zusammenhang der einzelnen Fälle gibt es nicht“, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Die Polizei geht also nicht von einem Serientäter aus. Andererseits: Dass offenbar mehrere Täter Tiere im Allgäu mit Messern quälen, beunruhigt Pferdehalter nicht minder. Wobei Stabik von Panik abrät: „Generell stellen wir fest, dass sich bei einer gewissen Zahl von Fällen später herausstellt, dass sich das Pferd selbst verletzt hat oder haben könnte.“
Auch andere Gründe können eine Rolle spielen, dies zeigt ein Fall in Dorsten (Nordrhein-Westfalen) aus dem Vorjahr. Damals wurde berichtet, dass eine Stute auf einer Koppel von einem Unbekannten zu Tode gequält worden sei. Doch eine Untersuchung kam zu einem anderen Schluss. Demnach gab es keine Hinweise auf menschliche Gewalt. Die Verletzungen seien nach dem Tod der Stute durch andere Tiere verursacht worden.
Abgesehen von einer anfänglichen Fehleinschätzung wie in Dorsten ist es grundsätzlich schwierig, Pferdeschänder zu überführen. Oft schlagen die Täter von Zeugen unbemerkt auf abgelegenen Koppeln in der Dämmerung oder Dunkelheit zu. Zudem verhielten sich diese Menschen oft ganz normal und kämen aus allen Gesellschaftsschichten, sagt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Psychiater. Das Ausleben von Machtfantasien sei ein Motiv der Täter. „Es geht hier offenbar um eine sadistisch-sexuelle Perversion. Sie erniedrigen dieses große, schöne Tier. Sie üben Gewalt aus“, sagt die Psychotherapeutin. Bei den Tätern handle es sich meistens um „Männer im jüngeren bis mittleren Erwachsenenalter“. In der Regel hätten sie selbst körperliche Gewalt erlebt oder seien missbraucht worden.
Mit ihrer Brutalität erschüttern Pferdeschänder auch die Halter der Tiere. Verena Struthers ist nach der Attacke auf „Kamikaze“jedenfalls tief verunsichert: „Am liebsten möchte ich wegziehen.“