3G-Regel weckt Sorgen und Unsicherheit
Ab Inzidenz von 35 gilt: Geimpft, Genesen oder Getestet in vielen Bereichen des Lebens
- Aktuell sind die CoronaTestzahlen so niedrig wie lange nicht mehr. 500 bis 700 PCR-Tests pro Woche wurden im Lindauer Testzentrum in den letzten Wochen durchgeführt. „In den Wintermonaten wurde diese Anzahl an nur einem Tag erreicht“, sagt Sibylle Ehreiser vom Lindauer Landratsamt. Aber mit der Flaute könnte bald Schluss sein, denn ab Montag gilt auch in Lindau die bundesweit beschlossene Verordnung zu den 3G-Regeln. Ungeimpfte Menschen müssen von da an in vielen Bereichen wieder Testnachweise erbringen. Doch auch mancher Unternehmer sieht eine große Belastung auf sich zukommen.
Die Argumentation der Politik ist eindeutig: Auf lange Sicht könnten die zahlreichen kostenlosen Tests nicht dauerhaft dem Steuerzahler aufgebürdet werden. Effektiv bedeutet das: Wer sich nicht impfen lassen will, der muss seine Tests in Zukunft selbst bezahlen. Das mag vielen geimpften Bürgern aus der Seele sprechen, doch bedeutet es für viele Geschäftstreibende in Lindau eine ziemliche Belastung. Denn der Tourismus ist in der heißesten Phase, alle Lokale sind brechend voll. Der Ansturm ist so schon schwer zu bewältigen. Jetzt aber bekommen sie von der Politik auch noch die Verantwortung zur Kontrolle ihrer Kunden und Gäste.
Die betroffenen Gastronomen und Dienstleister in Lindau sind wenig begeistert davon, dass die Verantwortung auf sie abgewälzt wird. „Das muss ja auch auch jemand kontrollieren“, heißt es im Café Großstadt. „Aber wer soll das machen? Mitten in den Sommerferien arbeiten wir jetzt doch schon am Anschlag.“Doch es ist nicht nur der Aufwand, der Sorgen macht. Auch der Wegfall der kostenlosen Tests am 11. Oktober könnte zum Problem werden. „Ich fürchte, wir verlieren da ein Drittel unserer Kundschaft“, sagt Katja Scheck vom Buchcafé Augustin. Aber auch der persönliche Aspekt macht ihr Sorgen: „Ich bin ja nicht die Staatspolizei, die jetzt kontrolliert. Das ist mir auch sehr unangenehm den Gästen gegenüber. Wir machen das, natürlich, und wir achten da dann auch drauf, aber eigentlich sollte das nicht unsere Aufgabe sein.“
Ähnlich sieht es auch beim Friseur Athmoshair aus. Die Friseure haben zwar schon Erfahrung mit den Testkontrollen, aber auch damit, wie sich das auf die Kunden auswirkt: „Das war im Frühjahr schon schwierig. Nicht alle Kunden wollen sich testen lassen, manche bleiben dann lieber einfach weg. Und wenn die Tests ab Oktober etwas kosten, dann wird das vermutlich noch einmal schwerer“, sagt eine Angestellte. Schon jetzt müssen sie sich beinahe täglich informieren, wie der Stand der Vorgaben ist. Auch zu Wissen was aktuell gilt, ist ein Problem. Selbst im Landratsamt wird noch auf Informationen gewartet. „Wir erfahren das leider auch meist nur sehr kurzfristig“, sagt Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Landratsamts.
Die aktuell geltende bayerische Corona-Verordnung läuft Mitte nächster Woche aus. Die Frage, ob dann wie bisher die Regelverschärfung erst nach drei Tagen über dem Schwellenwert eintritt, oder sofort nach erreichen der 35er-Inzidenzgrenze, bleibt noch unbeantwortet. Dass die Grenze erreicht werden wird, ist jedoch bei aktueller Betrachtung der Infektionslage ziemlich sicher. Die aktuelle Sieben-Tages-Inzidenz liegt im Landkreis Lindau Stand Freitag bei 30,5. In weiterführenden Schulen ist mit über drei Tagen in Folge über dem Wert von 25 die Maskenpflicht wieder vorgeschrieben, auch wenn das aufgrund der Ferien gerade nur wenige betrifft. Bereits 18 Kommunen in Bayern haben sogar den Wert von 50 wieder überschritten, wie das RKI am Freitag mitgeteilt hat.
Die IHK versteht die Sorgen der Gastronomen gut, schöpft aus der Regelung aber auch Hoffnung. „Natürlich stehen die Unternehmer da nun in einer Drucksituation“, sagt Thomas Holderried, Regionalvorsitzender der IHK. „Aber im Vergleich zum letzten Jahr ist es zumindest ein Fortschritt, dass die Politik erkannt hat, dass ein erneuter Lockdown keine Lösung gewesen ist.“Über Monate hinweg waren die Gastronomen gezwungen, ihre Lokale zu schließen. Die Branche wurde durch die Pandemie schwer gebeutelt. „Es ist ein Weg, der zwar
Mehraufwand bedeutet, aber verhindert, dass erneut geschlossen werden muss“, sagt Holderried. „Die Hoffnung der IHK ist natürlich, dass sich so mehr Menschen überzeugen lassen, geimpft zu werden.“Wenn die Impfzahlen wieder steigen, dann könnten auch die Regeln einfacher werden. „Gerade, wer vielleicht bisher aus Bequemlichkeit auf eine Impfung verzichtet hat, könnte so nun motivierter sein“, hofft er.
Dass diese Hoffnung begründet ist, zeigt sich beim Blick über die Landesgrenze. In Baden-Württemberg sind die 3G-Regeln bereits seit einer Woche in Kraft. Und die Zahl der Erstimpfungen sind dort wieder stark angestiegen. Im Kreis Ravensburg sind sie in der ersten Woche um über 50 Prozent gestiegen. Das Landratsamt will da noch keine Aussage treffen, ob dies den Regelungen geschuldet sei oder nicht.
Aber auch im Bodenseekreis sieht es ähnlich aus. Roland Schwarz vom dortigen Landratsamt berichtet, dass gerade bei den mobilen Impfteams die Nachfrage stark gestiegen ist: „Anfangs lief es da recht schleppend, nun berichten die mobilen Impfteams, dass sie völlig leer zurück kommen und alles, was sie an Impfstoff dabei haben verimpfen.“Vom Schlagwort „Impfmüdigkeit“hält er gar nichts und gibt zu bedenken, dass im Bodenseekreis bereits ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist. „Es war nie so, dass sich gar keiner mehr impfen lassen wollte.“Trotzdem sei in der letzten Woche ein spürbarer Schwung in die Impfkampagne gekommen: „Auch bei den Jugendlichen gehen die Zahlen beispielsweise stark nach oben. Da bewegt sich was.“