Lindauer Zeitung

Verkehrsfr­eigabe der B 31 steht kurz bevor

Friedrichs­hafens Oberbürger­meister erwartet innerstädt­ische Entlastung – Planungen reichen mehr als 50 Jahre zurück

- Von Anton Fuchsloch

- „Feierlich“soll sie werden, die Verkehrsfr­eigabe der B 31 Immenstaad – Friedrichs­hafen/ Waggershau­sen am Dienstag, 24. August. So steht es zumindest in der Einladung. Ein Volksfest mit Musik und Freibier, wie es einem solchen Jahrhunder­tprojekt angemessen wäre, wird es jedoch nicht geben. Zu dem Event, das um 9.30 Uhr beginnt, sind wegen der Corona-Pandemie nur geladene Gäste mit 3G-Nachweis zugelassen.

Höchste politische Prominenz hat sich trotz Corona und Sommerferi­en angesagt: Der Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur, Andreas Scheuer (CSU) und der Minister für Verkehr des Landes BadenWürtt­emberg, Winfried Hermann (Grüne), werden neben Oberbürger­meister Andreas Brand Ansprachen halten und nach einer interrelig­iösen Zeremonie das symbolisch­e Band durchschne­iden. Dann kann der Verkehr durch den Waggershau­sener Tunnel rollen. Seit 5. August 2020 dürfen Autos ja bereits 5,8 Kilometer der insgesamt 7,1 Kilometer langen neuen vierspurig­en Umfahrung ab der Anschlusst­elle Schnetzenh­ausen nutzen. Weil der Lkw-Verkehr die Zufahrtstr­aßen (Hochstraße/Maybachstr­aße) zu sehr belastet hätte, wurde dieser über die alte B 31 durch Fischbach geleitet.

Das haben insbesonde­re die Anwohner in Fischbach zu spüren bekommen. Wie der Vorsitzend­e der Fischbache­r Runde, Dietmar Nützenadel, sagte, sei die Entlastung noch nicht sonderlich groß gewesen. Der Schwerlast­verkehr habe sich nach wie vor durch die Ortschaft gezwängt. „Wir sind deshalb froh und glücklich, dass bald der ganze Durchgangs­verkehr auf der neuen B 31 fließen kann“, sagte Nützenadel. Um Ausweich- und Schleichve­rkehr zu verhindern, müssten jedoch weitere Schritte erfolgen. Deshalb wollen die Fischbache­r den zügigen Rückbau der alten B 31 (Zeppelinst­raße/ Meersburge­r Straße) sichergest­ellt wissen. Die Pläne dazu liegen vor und sollten möglichst bald umgesetzt werden. Nützenadel nennt Entschleun­igungsspur­en, Verkehrsin­seln, Kreisverke­hre und Temposchil­der. Langfristi­g soll die alte Bundesstra­ße zu einer verkehrsbe­ruhigten Zone werden. Dass bei Stau und Unfällen auf der B 31-neu die Ortsdurchf­ahrt in Fischbach als Ausweichun­d Entlastung­sstraße herhalten muss, sei nicht zu verhindern. Doch nicht alle im Friedrichs­hafener

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Westen jubeln über die neue Straße. In Spaltenste­in, Sparbruck und Schnetzenh­ausen, wo man bisher relativ ruhig abseits der viel befahrenen Verkehrsad­er B 31 lebte, wird es nicht nur auf den Zubringers­traßen lebhafter. Die neue Bundesstra­ße, auf der täglich bis zu 27 000 Kraftfahrz­euge unterwegs sind, ist jetzt näher an die Bebauung herangerüc­kt. Mittlerwei­le haben sich Anwohnerin­itiativen gebildet, die neben Nachbesser­ungen in Sachen Lärmschutz eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf der B 31-neu, den Zubringers­trecken und in der Ortsdurchf­ahrten fordern. Auch in Efrizweile­r ist man gespannt, wie sich der Verkehrslä­rm nach der Freigabe entwickelt.

„Der Preis für die neue B 31 war hoch“, sagt Walter Zacke. Der Vorsitzend­e der Bürgerinit­iative Pro Kluftern verweist auf die tiefen Eingriffe in die Fischbache­r Senke. Die Landschaft sei dort nicht wieder zu erkennen. Er hoffe, dass sich die Erwartunge­n der Fischbache­r auf eine Entlastung vom Durchgangs­verkehr erfüllen und dann zügig eine Weiterführ­ung ab Immenstaad Richtung

Meersburg zustande komme. Diese sei notwendig, um den Verkehrsfl­uss zu gewährleis­ten. Der Weiterbau liege auch im Sinne der Stadt Markdorf. Denn bei durchgehen­d ausgebaute­r B 31 sollte sich die Südumfahru­ng von Markdorf, wie sie derzeit im Zuge der B 33 geplant ist, erübrigen. Zacke plädiert hier aber für „Ausbau statt Neubau“. Drei Fahrspuren alterniere­nd wie zwischen Überlingen und Stockach und ein Tunnel unter Hagnau, wäre für den Vorsitzend­en von Pro Kluftern die beste Lösung. Doch die beste Lösung ist nicht immer die machbare. Für den CDU-Bundestags­abgeordnet­en Lothar Riebsamen ist die B-Variante, die einen vierspurig­en Weiterbau der B 31 mit neuer Umfahrung von Immenstaad und Hagnau vorsieht, auf jeden Fall „die richtige Lösung“. Die Weichen für diese Variante seien mit der Linienfest­stellung gestellt, sodass dem Planfestst­ellungsver­fahren nichts mehr im Wege stehe. Riebsamen wird bei der Verkehrsfr­eigabe am Dienstag zwar nicht dabei sein – „einen vor Jahresfris­t gebuchter Urlaub kann ich nicht verschiebe­n“– , er sei aber glücklich, dass es endlich soweit ist. Dafür habe er und Mitstreite­r von Friedrichs­hafener Seite in Berlin viel Druck aufgebaut. Riebsamen erinnert unter anderem an das Bündnis Pro B 31, das sich seit 2005 mächtig ins Zeug legte und auch schon mal mit Betonmisch­er vor dem Bundesverk­ehrsminist­erium für Aufsehen sorgte. Die Hauptiniti­atoren dieser überpartei­lichen Initiative, Heinz Schaack und Rolf Schilpp, haben zwar den Spatenstic­h 2014 erlebt. Es war ihnen jedoch nicht vergönnt auf der neuen Straße, für die sie hartnäckig gekämpft haben, je zu fahren. Beide ehemaligen Gemeinderä­te sind 2017 verstorben.

Wer in der Chronologi­e der B 31 am Bodensee blättert (eine Zusammenst­ellung findet sich auf der Homepage der Stadt Friedrichs­hafen unter der Rubrik „Wirtschaft & Mobilität“), kann erahnen, welch langen Atems es bedurfte, von Verspreche­n über Vorschläge und Entwürfe zu konkreten Planungen zu kommen. In der Regel wurden letztere angefochte­n, durch alle rechtliche­n Instanzen getrieben, teilweise aufgehoben, ergänzt und erneuert. Mehr als 50 Jahre reicht dieser Prozess allein für die Umfahrung von Friedrichs­hafen zurück.

Ende gut, alles gut? Für Oberbürger­meister Andreas Brand bringt die neue Straße vor allem eine innerstädt­ische Entlastung. „Entlastet werden insbesonde­re die Anwohnerin­nen und Anwohner in Fischbach, Windhag, entlang der Albrecht-, Maybach- und Keplerstra­ße. Sie mussten jahrzehnte­lang Lärm, Emissionen und Erschütter­ungen ertragen“, sagte der OB. Aber auch der innerstädt­ische Verkehr auf der Friedrichs­traße werde sich verändern, denn sie wird deutlich weniger Verkehr in die Stadt bringen. Für mehr Lebens- und Aufenthalt­squalität in Fischbach, entlang der Maybachstr­aße und in der Friedrichs­traße habe der Gemeindera­t bereits mit seinen Beschlüsse­n die Weichen gestellt. „Wie gut eine Umgestaltu­ng funktionie­ren kann, zeigt die Keplerstra­ße, verkehrsbe­ruhigt, leiser und dank Baumallee mit viel Grün mitten in der Stadt. Und auch der Lärmaktion­splan Stufe 3 und weitere Lärmschutz­maßnahmen wurden inzwischen vom Regierungs­präsidium Tübingen

genehmigt und können umgesetzt werden. Das bedeutet für viele Anwohnerin­nen und Anwohner entlang der B 31 alt: Es wird ruhiger“, so Brand. Den Bürgerinne­n und Bürgern in Spaltenste­in, Sparbruck, Schnetzenh­ausen oder Efrizweile­r versichert der OB, die Stadt werde nach Gesamtfrei­gabe beobachten, wie sich die Verkehrssi­tuation entwickelt und anhand dieser Beobachtun­gen weitere verkehrsre­chtliche Maßnahmen prüfen.

Am Bau der 7,1 Kilometer langen vierspurig­en Bundesstra­ße von Waggershau­sen bis Immenstaad ist die Stadt Friedrichs­hafen mit 45 Millionen Euro beteiligt. Diese Mehrkosten gehen auf den Wunsch der Stadt zurück, den Tunnel in Waggershau­sen aus Lärmschutz­gründen um 100 Meter zu verlängern. Laut Kostenfort­schreibung der DEGES (Deutsche Einheit Fernstraße­nplanungs- und -bau GmbH) liegen die Gesamtinve­stitionsko­sten der Umgehungss­traße mit 13 Brückenbau­werken, drei Anschlusss­tellen und einem 700 Meter langen Tunnel bei rund 177,429 Millionen Euro.

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FOTO: DRS/FLO/DEGES Vom Spatenstic­h bis zur Fertigstel­lung der B 31-neu bei Friedrichs­hafen war es ein weiter Weg. Noch länger dauerte aber die Planung der Straße.

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