Schöne Bilder, unschöne Umfragewerte
Die Union startet mit einem Appell der Geschlossenheit in den Wahlkampfendspurt
- Es könnte so schön sein. Ein Bild der Geschlossenheit, der Führungsstärke, des harmonischen Wandels. Ziemlich zum Schluss der Wahlkampfveranstaltung im Berliner Tempodrom gehen Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Markus Söder zu Unionskanzlerkandidat Armin Laschet auf die Bühne, loben ihn für seine Rede und stellen sich rechts und links von ihm auf. Sie lächeln und stellen Zuversicht zur Schau. Das Publikum, das corona-bedingt auf 100 Unionswahlkämpfer beschränkt wurde, gibt derweil sein Bestes: stehende Ovationen und ein paar Armin-, Armin-Rufe. Derweil reckt der so Gefeierte sein Arme in die Höhe, was wohl Kampfgeist und Entschlossenheit signalisieren soll.
Das schöne Bild passt allerdings nicht zur Lage der Union rund einen Monat vor der Bundestagswahl, wie ein Blick auf die neusten Umfragen nahelegt. Laut aktuellem ARDDeutschlandtrend würde bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers der SPD-Kandidat Scholz eindeutig vorne liegen – 41 Prozent der Deutschen würden sich für ihn entscheiden. Dass nur zwölf Prozent die GrünenKandidatin Annalena Baerbock wählen würden, kann nur ein schwacher Trotz für Armin Laschet sein, der selbst auf 16 Prozent kommt. Auch in der Sonntagsfrage sind die Sozialdemokraten der Union dicht auf den Fersen – mit 21 zu 23 Prozent. Nach der jüngsten Insa-Studie liegen die beiden Parteien sogar gleich auf. Kein Wunder also, dass es brodelt bei CDU und CSU. Viele Bundestagskandidaten, die nicht über einen Listenplatz abgesichert sind, fürchten um den Wiedereinzug ins Parlament.
Der Samstag im Tempodrom soll endlich die Wende einläuten. Nach der Veranstaltung geht es raus zum Haustürwahlkampf, Klinken putzen für den Unionssieg. Die wichtigsten Wahlkampfstrategen sind in Berlin vor Ort, der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und sein CSU-Pendant Markus Blume. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSUSpitzenkandidat Alexander Dobrindt, zudem Vorsitzender der CSULandesgruppe im Bundestag, dürfen auf die Bühne, um die politische Konkurrenz zu kritisieren und Armin Laschet zu rühmen. Aber mehr Gewicht haben natürlich die Worte der Bundeskanzlerin, die nach 16 Jahren nicht mehr antritt.
Dass sich Angela Merkel in den Bundestagswahlkampf einmischt, hat Seltenheitswert - und könnte in besseren Zeiten als Ritterschlag für ihren möglichen Nachfolger verstanden werden. Doch so entsteht der Eindruck, selbst die Kanzlerin müsse nun eingreifen, um das Schlimmste für die Union abzuwenden. Merkel lobt Laschet als Politiker, „für den das C der Kompass ist“. Ihm sei es immer wichtig gewesen, den Menschen
mit seiner Würde in den Mittelpunkt zu stellen und zwischen den Menschen Brücken zu bauen.
Die CDU habe mehr als 50 Jahre lang den Kanzler gestellt. Dies sei Ansporn, dafür zu arbeiten, dass weitere folgen werden. „Für unser Land und für Armin Laschet als zukünftigen Kanzler der Bundesrepublik“, so Merkel. So viel Rückendeckung gab es bislang nicht für den nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten aus dem Munde der Kanzlerin. Als es im April im Streit um die Unionskanzlerkandidatur zwischen Laschet und Söder hoch herging, war von ihr nichts zu hören.
Gerade dieser Zweikampf mit Söder, den er mit großer Beharrlichkeit nach mehr als einer Woche Dauerdebatte gewonnen hat, macht die Situation für Laschet nun umso schwieriger. Denn natürlich sind die Vorbehalte gegen ihn als Kanzlerkandidat nicht verstummt nach seinem Sieg über den bayerischen Ministerpräsidenten. Gerade im Süden und Osten der Republik hätten viele CDU-Abgeordnete gerne dem Chef der kleinen Schwester den Vortritt gegeben bei der Bewerbung ums Kanzleramt. All jenen scheinen die Umfragewerte für Laschet nun recht zu geben.
Doch noch hält der CDU-Chef diesem Druck stand. „Wir werden kämpfen, ich werde kämpfen, mit allem, was ich habe, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“, sagt er am Ende seiner Rede. Die Union müsse regieren, „damit Deutschland einen guten Weg nimmt“. „Das ist mein Ziel. Und dafür treten wir an mit aller Klarheit“, so Laschet. Das war gleichzeitig auch der Höhepunkt seiner Rede. Zuvor hatte er den Unionsmitgliedern seinen Kurs durch die verschiedenen Politikfelder von der Außenüber die Klimabis zur Wirtschaftspolitik aufgezeigt – Ankündigungen, die vielen Wahlkämpfern bekannt sein dürften.
Der CDU-Chef attackierte SPD, Grüne und die AfD, die FDP hingegen nicht. Dabei könnten vor allem die Liberalen der Union gefährlich werden, als Alternative zu Laschet für die Wähler der bürgerlichen Mitte. Die CSU warnt bereits seit Wochen davor, dass jede Zweitstimme für die FDP oder die Feien Wähler letztlich nur die Möglichkeit einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen erhöhe.
An diesem Samstag gibt Söder alles, um den Kampfgeist der Union zu demonstrieren und gleichzeitig seine Einigkeit mit Laschet unter Beweis zu stellen. Die Union sei weder müde noch ausgelaugt, sondern entschieden „für Deutschland das Richtige zu tun“. Noch sei nichts verloren. „Ich habe keine Lust, keinen Bock auf Opposition, liebe Freunde“, sagt der CSU-Chef, um den Wahlkämpfern noch einmal so richtig Dampf zu machen. „Sexy und solide“müsse die Union zeigen, was sie könne. Er wolle, dass Armin Laschet Kanzler wird, die Union müsse ihren Kanzlerkandidaten stärken. „Die Aussage ist ehrlich gemeint. Darauf kannst du dich verlassen“, versichert Söder. Dass er dies dermaßen betont, macht deutlich, wie wenig selbstverständlich die Unterstützung für Laschet ist.
In den vergangenen Wochen hat die CSU-Spitze wenige Gelegenheiten ausgelassen, den unmotivierten Wahlkampf der Union zu kritisieren. Dabei geht es weniger um die Inhalte, das zeigte sich auch in den Reden von Laschet und Söder, als um die Ansprache der Wähler. „Vollgas“, hatte CSU-Generalsekretär Blume für den Wahlkampfendspurt gefordert. Laschet kündigte derweil an, „mehr Köpfe“zu präsentieren, um klarzumachen, dass die Union „ein starkes Team“sei.