Region ist laut Funker für Katastrophe nicht gerüstet
Ein Verein könnte im Ernstfall lebenswichtige Kommunikation sichern – Doch es fehlt Ausrüstung
- Zerstörte Häuser, weggerissene Straßen, Wasser und Schlamm überall: Die Hochwasser-Katastrophe im Westen Deutschlands hat Betroffene und Helfer fassungslos gemacht. So etwas könnte auch in Oberschwaben passieren, sagt Funkexperte Stefan Heckner aus Berg.
Dann gebe es im schlimmsten Fall keinen Strom, kein Telefon, keinen Mobilfunk, kein Internet mehr. Die Region müsse sich auf einen solchen Ernstfall vorbereiten, sagt Heckner. Und hat auch konkrete Vorschläge: Funkamateure könnten im Katastrophenfall lebenswichtige Kommunikation aufrechterhalten. Aber dafür fehlt aus seiner Sicht einiges.
Stefan Heckner hat schon beim Roten Kreuz und bei der Feuerwehr gearbeitet, war Rettungstaucher und Ausbilder im Katastrophenschutz. Er hat schon viele Ausnahmesituationen miterlebt.
So sei er zum Beispiel einmal nach einem Bombenattentat in Ägypten als Helfer vor Ort gewesen und habe gesehen, vor welchen Problemen man steht, wenn die Infrastruktur plötzlich wegbricht: „Man konnte nichts koordinieren. Es gab Stellen, an denen dringend benötigtes Material lagerte, aber wir konnten
TRAUERANZEIGEN diese Stellen nicht kontaktieren.“
Wenn man solche Krisensituationen und Notfälle miterlebe, komme man unweigerlich ins Grübeln, sagt Stefan Heckner. „Man überlegt sich dann: Was wäre, wenn so etwas mal bei uns passiert? Wenn der Strom ausfällt, das Handynetz zusammenbricht? Das kann man sich kaum vorstellen, was das bedeuten würde. Dann funktioniert keine Zapfsäule mehr, keine Kühlung, kein Transport von Lebensmitteln. Manche Leute sagen: Aber mein Handy-Akku hält doch ein paar Tage. Doch sie vergessen, dass auch der Funkmast Strom braucht. Außerdem ist das Mobilfunknetz in solchen Situationen oft schnell überlastet. Auch das Festnetz ist von der Stromversorgung abhängig, außerdem sind bei einem Katastrophenfall oft Leitungen zerstört.“
In der Corona-Anfangszeit habe man eine Ahnung davon bekommen, wie schnell eine Ausnahmesituation aus dem Ruder laufen könne, sagt Heckner. Obwohl es gar keine Notlage gab, kauften die Menschen im Supermarkt massenweise Regale leer und prügelten sich um die letzte Packung Klopapier.
Da könne man sich ausdenken, was passiert, wenn die Lage wirklich mal ernst wird, so Heckner. Es gebe aber eine Möglichkeit, um im Ernstfall
zumindest die Kommunikation aufrechtzuerhalten: über Funk. Eine wichtige Rolle würden im Katastrophenfall deshalb Funkamateure spielen, so Heckners Einschätzung. Er selbst ist Funker und erklärt, wie dieses Metier funktioniert.
Funkamateure betreiben das Funken in ihrer Freizeit. Sie müssen zunächst eine Lizenz-Prüfung ablegen und können dann zugewiesene Frequenzbänder zum Funken benutzen. Im Regelfall kommunizieren sie mit anderen Inhabern einer Amateurfunkgenehmigung. Bei Notfällen und Katastrophen dürfen sie ihre Technik aber auch einsetzen, um Betroffenen oder Einsatzkräften zu helfen.
„Über Funk kann man im Notfall Einsätze koordinieren und Informationen austauschen, zum Beispiel, wo ein Rettungswagen oder die Feuerwehr gebraucht wird“, erklärt Stefan Heckner. Vermisste Personen könnten sich trotz Strom- und Internetausfall bei ihren Familien melden, Lebensmittellieferungen organisiert und Helfer auf dem Laufenden gehalten werden. Funkamateure brauchen für ihre Funkgeräte zwar auch Strom, hätten aber meist Notstromaggregate oder Batterien in ihrer Ausrüstung.
„Funker können weltumspannend arbeiten“, sagt Stefan Heckner. Das funktioniert über Reflexion der Funksignale an Himmelskörpern oder bestimmten Schichten der Atmosphäre sowie über AmateurfunkSatelliten. Sein Verein „Notfunk Bodensee“zum Beispiel habe eine selbstausrichtende Satellitenschüssel auf dem Vereinsfahrzeug. Über den geostationären Satelliten könne man eine Internetverbindung herstellen. Dazu müsse nur jemand irgendwo in diesem Drittel der Welt, an dem das Netz funktioniert, Internet über diesen Satelliten einspeisen. „Und wir können es dann an unserem Standort runterziehen und einen Hotspot einrichten.“Auf diese Weise könnten dann sowohl die Bevölkerung als auch die Behörden und Einsatzkräfte per E-Mail kommunizieren. Damit Funkamateure diese Hilfe leisten können, fehle allerdings oft die notwendige Ausrüstung, so
Heckner. Er berichtet, seine Gruppe sei im Juli von der Bundesregierung angefragt worden, ob sie in den Flutgebieten unterstützen könne. Das sei aber nicht möglich gewesen. „Wir haben kein Material, um große Einsätze zu bewältigen.“Nötig wären zahlreiche Handfunkgeräte sowie ein paar größere Geräte zur Einrichtung von Hochfrequenz-Funkverbindungen. Damit könnte man dann zum Beispiel Informationen über EMails austauschen. Da Funkamateure ihr Hobby generell nicht gewerblich ausüben dürfen, müssten sie ihre komplette Ausrüstung selbst finanzieren, sagt Heckner. Größere Anschaffungen seien daher oft nicht möglich. Der Verein „Notfunk Bodensee“habe in der Firma Airbus aus Immenstaad eine große Unterstützerin gefunden. Diese habe ein Spezialfahrzeug gespendet, in das die Funker ihre Ausrüstung einbauen können. Das Unternehmen ND Satcom, ebenfalls mit Sitz in Immenstaad, habe eine Satellitenschüssel fürs Fahrzeugdach zur Verfügung gestellt. „Wir bräuchten aber noch mehr Firmen,
die zum Beispiel Patenschaften für Fahrzeuge oder Geräte übernehmen“, so Heckner. Alleine könnten die Funkamateure das nicht finanzieren. Bereits jetzt würden die Vereinsmitglieder Versicherung, Steuer und Kraftstoff für ihr Fahrzeug privat finanzieren. Auch ein Stellplatz im Raum Ravensburg, im Idealfall in Berg, wird für das Fahrzeug noch gesucht.
„Katastrophenschutz ist Ländersache“, sagt Heckner. Daher wäre eigentlich das Landratsamt für die Anliegen der Funkamateure zuständig. Er habe schon Gespräche geführt, es gebe aber noch keine konkreten Ergebnisse. Dranbleiben will er auf jeden Fall. Denn „im Zuge des Klimawandels werden solche Schadenslagen voraussichtlich erst der Anfang sein“, befürchtet er. Und: „Je mehr digitalisiert wird und am Strom hängt, desto größer wird das Risiko eines Blackouts.“Ein solches Szenario ist laut Stefan Heckner nicht unrealistisch: „Wir waren schon mehrfach knapp davor.“Die Flutkatastrophe im Ahrtal – so schlimm sie auch sei – habe dazu beigetragen, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekomme, so Stefan Heckner. „Seit Jahren warnen wir vor genau den Szenarien, die jetzt eingetreten sind und die uns vorher keiner glauben wollte.“
Auch in der Region BodenseeOberschwaben sei man vor solchen Ereignissen nicht gefeit. Deshalb ist es aus seiner Sicht wichtig, die Funkamateur-Gruppen zu unterstützen, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen und Geräte anzuschaffen. In anderen Ländern sei man diesbezüglich schon weiter, so Heckner. „Da ist Deutschland eindeutig ein Nachzügler.“
Weitere Informationen zum Verein „Notfunk Bodensee“
gibt es im Internet unter
www.notfunk-bodensee.de
Erreichbar sind die Mitglieder per E-Mail an