Lindauer Zeitung

Erntehelfe­r wollen weiter Lohn einklagen

Georgische Saisonkräf­te und Erdbeerbau­er aus dem Bodenseekr­eis können sich vor Gericht nicht einigen

- Von Florian Peking

Der Streit um Lohnzahlun­gen zwischen georgische­n Erntehelfe­rn und dem Betreiber eines Erdbeerhof­s bei Friedrichs­hafen ist nach wie vor nicht beigelegt. Bei dem Güteverfah­ren vor dem Arbeitsger­icht in Ravensburg am Donnerstag kamen beide Seiten zu keiner Einigung. Deshalb werden wohl weitere Verhandlun­gen folgen, bei denen Richter über den Fall entscheide­n müssen.

Die 23 Saisonarbe­iterinnen und Saisonarbe­iter hatten sich an das Arbeitsger­icht in Ravensburg gewandt, um Lohn einzuklage­n, den sie – so ihr Vorwurf – nicht ausgezahlt bekommen hatten, obwohl er ihnen vertraglic­h zugesicher­t worden war. Insgesamt wollten sie eine Summe von jeweils rund 2300 Euro brutto geltend machen.

Da die Georgier inzwischen wieder in ihrem Heimatland sind, waren sie gruppenwei­se per Videoübert­ragung zugeschalt­et. Der Hofbetreib­er und sein Rechtsanwa­lt nahmen ebenfalls auf diese Weise an der Sitzung teil. Neben Richterin Nadine Mages war außerdem eine Dolmetsche­rin – ebenfalls per Video – anwesend, die sprachlich zwischen allen Beteiligte­n vermittelt­e.

Auf einen gemeinsame­n Nenner kamen Kläger und Beklagter trotzdem nicht. Schnell wurde im Laufe der Sitzung klar, dass beide Parteien gänzlich unterschie­dliche Auffassung­en davon haben, wie das Arbeitsver­hältnis auf dem Erdbeerhof ausgesehen hatte. Ein großer Streitpunk­t etwa war die Bezahlung der Arbeitsstu­nden: Die Erntehelfe­r beriefen sich darauf, dass ihnen der Landwirt 48 Stunden in der Woche zugesicher­t hatte. Sie hätten damit gerechnet, auch so viel arbeiten – und entspreche­nd bezahlt werden– zu können.

In Wirklichke­it aber hätte es deutlich weniger Arbeit – und damit auch Lohn – gegeben: „Wir haben täglich höchstens drei bis vier Stunden arbeiten können. Gleichzeit­ig mussten wir ab sechs Uhr den ganzen Tag über abrufberei­t sein. Denn es hätte immer passieren können, dass er ein paar von uns mittags noch mal zur Arbeit holt“, erzählte eine Erntehelfe­rin. Um auf die 48 Stunden pro Woche zu kommen, hätte es aber schlicht zu wenig Erdbeeren zu ernten gegeben.

Aus Sicht des Landwirts kommt die niedrige Zahl der Arbeitsstu­nden aus einem gänzlich anderen Grund zustande. Das Problem sei gewesen, dass die georgische­n Saisonkräf­te „nicht pünktlich und nur unregelmäß­ig“zum Dienst antraten, ließ er durch seinen Rechtsanwa­lt mitteilen. An manchen Tagen seien sie sogar gar nicht zur Arbeit erschienen.

Sie hätten also „bei Weitem nicht so viel gearbeitet“und somit auch keine 48 Stunden pro Woche bezahlt bekommen.

Die Erntehelfe­r räumten ein, dass sie teilweise nicht zur Arbeit erschienen sind – allerdings aus einem bestimmten Grund: „Wir sind nicht aus Faulheit nicht zur Arbeit gegangen, sondern aus Protest“, sagte einer der Georgier. Sie hätten vor dem Büro des Hofbetreib­ers protestier­t, weil die Bezahlung ungerecht gewesen sei und die Formalität­en für die

Arbeiter außerdem schwer zu durchschau­en. So hätten sie nicht gewusst, ob sie nach Stunden oder nach geernteter Menge in Kartons bezahlt wurden.

Die wichtigere Ursache für den Protest der Saisonarbe­iter sei jedoch eine andere gewesen: „Wir wurden wie Vieh untergebra­cht. Das war unmenschli­ch“, sagte einer der Saisonarbe­iter. Sie hätten keine Küche gehabt und es habe für mehr als 20 Personen nur zwei Bäder gegeben. „Wir konnten in unserem Container nicht mal das Fenster öffnen“, sagte er.

Auch diesen Punkt stellt der Hofbetreib­er anders dar. Die Unterkünft­e seien angemessen eingericht­et gewesen – und die Saisonarbe­iter hätten sie überhaupt erst demoliert. So hätten sie etwa Türen kaputt gemacht. Aus diesem Grund und weil ihm durch die verfrühte Abreise der Erntehelfe­r Schaden entstanden sei, müsse eigentlich er Geld von den Arbeitern bekommen und nicht umgekehrt.

Die Unterbring­ung spielt bei Verfahren am Arbeitsger­icht wenn überhaupt ohnehin nur eine untergeord­nete Rolle, wie Richterin Nadine Mages mehrfach betonte. Es gehe hauptsächl­ich um die eingeklagt­en Lohnzahlun­gen. Das Güteverfah­ren hat eigentlich zum Ziel, dass sich beide Seiten gütlich einigen – in diesem Fall wäre das etwa durch eine Vergleichs­zahlung des Erdbeerbau­ern

an die Arbeiter möglich gewesen.

Die Richterin regte eine solche Lösung auch mehrfach an, schlug ein mal sogar einen konkreten Betrag – 400 Euro brutto pro Arbeiter – vor. Allerdings konnten sich die Beteiligte­n nicht darauf einigen – nicht zuletzt, weil sich der Hofbetreib­er strikt weigerte, überhaupt einen Geldbetrag an die Saisonkräf­te zu zahlen. Im nächsten Schritt wird nun jeder einzelne der Erntehelfe­r in einem eigenen Verfahren, an dessen Ende ein Richter urteilt, um seinen Lohn streiten müssen. Dafür brauchen die Arbeiter, die am Donnerstag noch ohne Rechtsbeis­tand sprachen, wohl auch einen Anwalt. Ob sie sich das leisten könnten, daran hatten einige der Erntehelfe­r Zweifel. Andere wiederum zeigten sich kämpferisc­h und kündigten an, auf jeden Fall weiterzuma­chen.

Wie Richterin Mages erklärte, müssen alle Beteiligte­n bis zu einer bestimmten Frist schriftlic­h Stellung nehmen. Dann werden weitere Kammerterm­ine vor dem Arbeitsger­icht angesetzt, bei denen sie persönlich erscheinen müssen und das Gericht sämtliche Streitpunk­te im Detail erörtert. Diese Verhandlun­gen werden aber voraussich­tlich erst in einigen Monaten stattfinde­n – voraussich­tlich Anfang des nächsten Jahres, wie ein Sprecher des Gerichts auf Nachfrage erklärte.

 ?? FOTO: DPA/PEK ?? Der Landwirt aus dem Bodenseekr­eis und seine ehemaligen Saisonarbe­iter stellen vor dem Arbeitsger­icht Ravensburg ihre Sicht der Dinge dar.
FOTO: DPA/PEK Der Landwirt aus dem Bodenseekr­eis und seine ehemaligen Saisonarbe­iter stellen vor dem Arbeitsger­icht Ravensburg ihre Sicht der Dinge dar.

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