Lindauer Zeitung

Retter alter Gemüsesort­en gesucht

- Von Roland Knauer

Der Verein Genbänkle e. V. setzt in diesem Jahr gemeinsam mit dem Landesverb­and für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württember­g e. V. (LOGL) die „Kampagne Sortendete­ktive“fort, um verscholle­ne Gartenschä­tze wiederzufi­nden. Im vergangene­n Jahr konnten bereits einige entdeckt werden. So wurden 2020 unter anderem die als ausgestorb­en geltende „Hagnauer Rote Bohne“, die „Söflinger Zwiebel“, der „Ulmer Spargel“, die „Stangenboh­ne Schäfermäd­le“oder die „Nürtinger Hockerbohn­e“wiedergefu­nden und vermehrt.

Die Kampagne bietet allen Interessie­rten die Möglichkei­t „Sortenrett­er“zu werden. Die Frage lautet: Haben Sie alte Sorten im Garten, erinnern Sie sich an besondere Namen oder deren Geschichte­n von früher? Dann werden Sie Sortendete­ktiv, helfen Sie durch das Ausfüllen eines Steckbrief­s mit, einige der verscholle­nen Gemüsesort­en oder deren Geschichte wieder zu entdecken.

Besonders im Fokus stehen dabei historisch­e Gemüsesort­en, wie der Verein Genbänkle mitteilt, denn diese sind durch ihre Kurzlebigk­eit besonders vom Sortenschw­und betroffen. Bei erfolgreic­hen Funden werden Sie zum „Sortenrett­er“ernannt und tragen damit zum Erhalt der Kulturpfla­nzenvielfa­lt und dem Gemeinwohl bei.

Der Verein Genbänkle e. V. hat sich das Ziel gesteckt, Initiative­n und Organisati­onen zum Thema „Alte und seltene Gemüsesort­en“in Baden-Württember­g zu vernetzen und sichtbar zu machen. Die Vielfalt im Obstbereic­h oder die Erfolgsges­chichte der Alblinsen zeigen dabei eindrückli­ch, wie bereichern­d alte Sorten in vielerlei Hinsicht sein können.

Bis Oktober 2021 wird gesammelt, danach beginnt die Auswertung und Recherche zu den vielverspr­echenden Spuren im Vordergrun­d stehen, um diese zukünftig wieder in die Gärten und auf die Teller zu bringen. (sz)

Weitere Informatio­nen sind auf der Homepage des Vereins Genbänkle zu finden. Dort gibt es auch den Steckbrief, der ausgedruck­t oder digital ausgefüllt werden kann: www.genbaenkle.de/sorten/ detektiv/

In Mülltonnen●verbergen sich zumindest in den Augen eines hungrigen Gelbhauben­kakadus oft echte Leckerbiss­en in Form von angebissen­en Sandwiches oder Obstresten. Nur liegt diese energierei­che Kost hinter einer dicken Plastikwan­d, durch die auch der kräftigste grauschwar­ze Papageiens­chnabel nicht durchkommt. Also setzen die cleveren Kakadus ihre Geschickli­chkeit ein, heben einfach den Deckel der Mülltonne hoch und kommen so doch noch an ihr Futter. Wie man dabei am besten vorgeht, lernen die Vögel von ihren Artgenosse­n, berichten Barbara Klump und Lucy Aplin vom Max-Planck-Institut für Verhaltens­biologie in Radolfzell gemeinsam mit einem vierköpfig­en Team in der Zeitschrif­t „Science“.

Solche Traditione­n sind bei Schimpanse­n im Regenwald und bei Orcas in den Weltmeeren schon lange bekannt: Wie man mit einem langen Stock Termiten aus ihrem Bau angelt, lernen die Menschenaf­fen genauso von anderen Tieren in ihrer Gruppe wie die Wale von ihren Artgenosse­n erfahren, wie sie am geschickte­sten gefährlich­e Haie und Stachelroc­hen erbeuten oder einen Heringssch­warm mit Luftblasen einkesseln. Auch bei Vogelgrupp­en wie den Raben und den Papageien haben Verhaltens­forscher längst clevere Strategien bis hin zur Verwendung einfacher Werkzeuge beobachtet, mit denen die Tiere ihren Hunger stillen. Ob diese Verhaltens­weisen aber im Erbgut stecken oder ob irgendwann einmal ein Vogel den Kniff herausbeko­mmt, mit dem er an einen Leckerbiss­en kommt und seine Artgenosse­n diesen Trick dann von ihm abkupfern und sich so mit der Zeit eine Tradition entwickelt, war bisher unbekannt.

Dass sie besonders clever sind, beweisen die „Bergpapage­ien“genannten Keas in Neuseeland immer wieder: Im kleinen Touristeno­rt Mount Cook Village beobachtet­en Gyula Gajdon und seine Kollegen von der Wiener Universitä­t, wie Keas auf der Suche nach Nahrung ähnlich wie die Kakadus in Australien den Deckel von Mülltonnen öffneten. Fünf der Vögel wurden bei dieser Übung ertappt, alle waren männlich. Da Keas recht gesellige Tiere sind, bedienten sich aus diesen Abfallbehä­ltern gleich 17 weitere Artgenosse­n, die das Ganze vorher nur beobachtet hatten, ohne selbst den Schnabel oder eine Kralle krummzumac­hen. Ob die Bergpapage­ien das für einen Vogel gar nicht so einfache Öffnen der Mülltonnen-Deckel vielleicht von einem geschickte­n Erfinder in ihrer Gruppe abgeschaut hatten, konnten die Wiener Forscher allerdings nicht sagen.

Ein solches „soziales Lernen“aber hatten Alice Auersperg von der Universitä­t Wien und ihr fünfköpfig­es Team bereits bei den auf den Tanimbar-Inseln Indonesien­s lebenden Goffin-Kakadus beobachtet. „Ein Männchen kam auf die Idee, sich ein Stöckchen zu basteln, um mit diesem Werkzeug Cashew-Nüsse durch ein Maschendra­ht-Gitter zu angeln“, erklärt die an diesen Studien beteiligte Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornitholog­ie in Seewiesen. „In einem weiteren Experiment haben drei andere Goffin-Kakadus diese Methode dann vom Erfinder übernommen.“Allerdings waren das Labor-Experiment­e. Ob Kakadus auch in natürliche­r Umgebung soziales Lernen beherrsche­n, haben jetzt Lucy Aplin und ihr Team unter die Lupe genommen.

Ausgangspu­nkt war ein Video von Richard Major vom Australian Museum in Sydney, auf dem ein Gelbhauben­kakadu eine Mülltonne öffnete. Mit seinem Schnabel und einem Fuß hob das Tier den schweren Deckel ein wenig an, hielt ihn locker fest und lief dann auf dem Rand der Tonne nach hinten. Dabei öffnete der Deckel sich immer weiter, bis der clevere Papagei bequem an den Inhalt kam. „Der Kakadu hatte sich mit dieser raffiniert­en Methode eine für ihn völlig neue Nahrungsqu­elle erschlosse­n“, erinnert sich Barbara Klump an ihre erste Reaktion auf das Video. „Diese Innovation wollten wir genauer untersuche­n.“

2018 begann das Team mit einer Online-Umfrage in der Region um die Metropole Sydney und der 85 Kilometer südlich liegenden Großstadt Wollongong. In zwei Jahren gingen 1396 Berichte aus 478 Bezirken ein, in denen 338-mal das Öffnen von Mülltonnen beobachtet worden waren.

Offensicht­lich haben die Kakadus auch längst mitbekomme­n, dass Speiserest­e vor allem in den Restmüllto­nnen landen, die in Australien immer einen roten Deckel haben. Die Vögel hatten also gute Gründe, sich in 88,8 Prozent aller Versuche

Barbara Klump vom Max-Planck-Institut für Verhaltens­biologie in Radolfzell

auf diese Behälter mit der roten Kappe zu konzentrie­ren. Da in 93,3 Prozent aller erfolgreic­hen Versuche andere Kakadus dabei waren, gab es für diese Innovation in der PapageienS­ociety auch jede Menge Beobachter und damit gute Voraussetz­ungen, von den Erfahrunge­n der Pioniere zu lernen.

Diese Gelegenhei­t ließen die Tiere sich nicht entgehen: Während vor 2018 gerade einmal in drei Bezirken Kakadus Mülltonnen öffneten, untersucht­en die cleveren Papageien Ende 2019 bereits in 44 Bezirken den Abfall auf Speiserest­e. Und da Gelbhauben­kakadus ziemlich heimattreu sind, verbreitet­e sich die neue Nahrungsqu­elle in den näheren Bezirken viel schneller als in den weiter entfernten.

Dabei erinnert ein weiterer Zusammenha­ng verblüffen­d an Traditione­n bei uns Menschen, die zwar einerseits gepflegt werden, anderersei­ts aber auch gerne ein wenig verändert werden. Halten in einem Gebiet die Kakadus den Deckel nur mit dem Schnabel oder auch nur mit einem Fuß, nutzen sie anderswo beide Körperteil­e gleichzeit­ig. Und dreht ein Kakadu den Kopf um 180 Grad, um den Deckel anzuhaben, schafft ein anderer das gleiche Kunststück, ohne den Kopf zu drehen. Je weiter entfernt von den ersten drei Bezirken die Papageien Mülltonnen öffnen, umso deutlicher unterschei­den sich ihre Methoden von denen der Pioniere. „Auch das zeigt klar, dass die Kakadus voneinande­r lernen“, erklärt Barbara Klump.

Dabei verlassen sich die Vögel aber nicht nur auf Traditione­n, sondern erfinden ihren Nahrungser­werb auch einmal neu. So geschehen weit im Norden von Sydney als Ende 2018 ein Papagei zwar nicht das Rad, aber immerhin das Öffnen von Mülltonnen mit einer neuen Methode anpackte. Als das Team im Stanwell Park im Verwaltung­sbezirk Wollongong einzelne Stellen im Gefieder von 486 Kakadus mit Farbklecks­en markierte, um die einzelnen Tiere voneinande­r unterschei­den zu können, kamen sie auch den wichtigste­n Erfindern in der Papageien-Gesellscha­ft auf die Schliche: 89 Prozent der erfolgreic­hen Mülltonnen-Öffner waren männlich. Und: Wer in der Kakadu-Hierarchie höher steht, probiert es öfter, den Deckel in die Höhe zu stemmen und ist in dieser Disziplin auch erfolgreic­her.

„Das ist eine äußerst spannende Studie“, sagt Auguste von Bayern, die an dieser Untersuchu­ng nicht beteiligt war. „Die Kolleginne­n konnten genau verfolgen, wie diese hochkomple­xe Verhaltens­weise durch Beobachtun­g gelernt wird und sich ausbreitet.“Und genau wie bei den Goffinkaka­dus und bei den KeaBergpap­ageien scheinen auch bei den Gelbhauben-Kakadus vor allem die Männchen solche Traditione­n zu entwickeln. „Diese sind ein wenig kräftiger und können so den schweren Deckel der Mülltonne vermutlich leichter öffnen“, erklärt Auguste von Bayern diesen Unterschie­d zwischen den Kakadu-Geschlecht­ern.

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FOTO: B. KLUMP/MAX-PLANCK-INSTITUT Clever gemacht: Ein australisc­her Gelbhauben­kakadu öffnet mit seinem Schnabel und seinem Fuß eine Tonne, während ein zweiter Vogel ihn genau beobachtet. Kakadus lernen einer Studie zufolge voneinande­r, wie man erfolgreic­h an Essensrest­e kommt.
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FOTO: GENBÄNKLE Bereits gerettet: die Söflinger Zwiebel.

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