Versagensängste im Alter
Wenn Schwindel und Herzprobleme „harte Männer“ausbremsen
(dogs) - Seine Klienten sind Menschen wie Du und Ich. Einige brauchen ihn als Psychiater, manche als Psychotherapeuten und wieder andere als Coach. Dr. Christian Peter Dogs lädt die Leser der Lindauer Zeitung dazu ein, ihm bei der Arbeit über die Schulter zu schauen und verspricht: „Bei vielen Fällen werden Sie manches von sich selbst wiedererkennen.“
In diesem Fallbeispiel wird die Funktion der Symptomatik sehr deutlich. Etwas, was wir in der Psychosomatik häufig erleben, ist, dass unerklärliche körperliche Symptome im Leben eines Menschen dazu dienen, eine andere seelische Belastung zu kaschieren. Die schweren Herzrhythmusstörungen und die unspezifischen Schwindelanfälle erlauben Herrn H., sich der unbewussten Konkurrenzsituation mit seine Söhnen zu entziehen. Es wäre unvorstellbar für einen Unternehmer mit dieser Lebensgeschichte, sich selbst, seinem Umfeld und seinen Söhnen zuzugestehen, dass er in seiner Leistung nachlässt und dass er deutliche Versagensängste entwickelt. Die Symptomatik ist nun eine gute Möglichkeit für ihn, seine Ängste zu verstecken und sich der Konfrontation mit seinem natürlichen Leistungsabfall zu entziehen. Dieser Unternehmer war und ist immer eine Kämpfernatur gewesen und hat keine Konkurrenz gescheut. Unbewusst geht er sogar mit seinen Söhnen in den Vergleich, statt in Ruhe und Würde nachzulassen und stolz auf sie zu sein.
In mehreren gemeinsamen Gesprächen mit der Ehefrau und den Kindern konnte er zunehmend seine Versagensängste und Unsicherheiten aussprechen, und die körperlichen Symptome lösten sich auf. Inzwischen hat er seine Firma ganz an die Kinder übergeben und genießt den „drucklosen“Ruhestand.
Die Akzeptanz des Alterns ist in meinen Gesprächen ein häufiges Thema. Anzuerkennen, dass wir mit dem Alter sowohl physisch als auch psychisch nachlassen, ist für viele Menschen offensichtlich immer mehr ein Tabu. Immer wieder erlebe ich, wie viele von uns das verdrängen wollen, sei es durch Schönheitsoperationen oder durch ständige Fitnessnachweise, die beweisen sollen, dass wir noch so agil sind.
Bei jeder Bergwanderung, jedem Joggen und bei vielen anderen Veranstaltungen erlebe ich so viele Senioren, die es sich selbst und anderen noch „beweisen“wollen. Wenn sie mich dann überholen, sind sie immer wieder überrascht, wenn ich sage: Ich gehe und laufe immer langsamer, als ich kann.
Ich hoffe, ich habe noch eine lange Strecke vor mir und will meine Kräfte einteilen. Ich habe nicht vor faltenfrei zum Sarg zu „joggen“.