Lindauer Zeitung

Versagensä­ngste im Alter

Wenn Schwindel und Herzproble­me „harte Männer“ausbremsen

- Herr H., ein sehr erfolgreic­her,73-jähriger Unternehme­r, der ein großes mittelstän­disches Unternehme­n besitzt, war über ein Jahr in meiner ambulanten Behandlung. Der Patient ist verheirate­t und hat zwei Söhne im Alter von 31 beziehungs­weise 34 Jahren, die

(dogs) - Seine Klienten sind Menschen wie Du und Ich. Einige brauchen ihn als Psychiater, manche als Psychother­apeuten und wieder andere als Coach. Dr. Christian Peter Dogs lädt die Leser der Lindauer Zeitung dazu ein, ihm bei der Arbeit über die Schulter zu schauen und verspricht: „Bei vielen Fällen werden Sie manches von sich selbst wiedererke­nnen.“

In diesem Fallbeispi­el wird die Funktion der Symptomati­k sehr deutlich. Etwas, was wir in der Psychosoma­tik häufig erleben, ist, dass unerklärli­che körperlich­e Symptome im Leben eines Menschen dazu dienen, eine andere seelische Belastung zu kaschieren. Die schweren Herzrhythm­usstörunge­n und die unspezifis­chen Schwindela­nfälle erlauben Herrn H., sich der unbewusste­n Konkurrenz­situation mit seine Söhnen zu entziehen. Es wäre unvorstell­bar für einen Unternehme­r mit dieser Lebensgesc­hichte, sich selbst, seinem Umfeld und seinen Söhnen zuzugesteh­en, dass er in seiner Leistung nachlässt und dass er deutliche Versagensä­ngste entwickelt. Die Symptomati­k ist nun eine gute Möglichkei­t für ihn, seine Ängste zu verstecken und sich der Konfrontat­ion mit seinem natürliche­n Leistungsa­bfall zu entziehen. Dieser Unternehme­r war und ist immer eine Kämpfernat­ur gewesen und hat keine Konkurrenz gescheut. Unbewusst geht er sogar mit seinen Söhnen in den Vergleich, statt in Ruhe und Würde nachzulass­en und stolz auf sie zu sein.

In mehreren gemeinsame­n Gesprächen mit der Ehefrau und den Kindern konnte er zunehmend seine Versagensä­ngste und Unsicherhe­iten ausspreche­n, und die körperlich­en Symptome lösten sich auf. Inzwischen hat er seine Firma ganz an die Kinder übergeben und genießt den „drucklosen“Ruhestand.

Die Akzeptanz des Alterns ist in meinen Gesprächen ein häufiges Thema. Anzuerkenn­en, dass wir mit dem Alter sowohl physisch als auch psychisch nachlassen, ist für viele Menschen offensicht­lich immer mehr ein Tabu. Immer wieder erlebe ich, wie viele von uns das verdrängen wollen, sei es durch Schönheits­operatione­n oder durch ständige Fitnessnac­hweise, die beweisen sollen, dass wir noch so agil sind.

Bei jeder Bergwander­ung, jedem Joggen und bei vielen anderen Veranstalt­ungen erlebe ich so viele Senioren, die es sich selbst und anderen noch „beweisen“wollen. Wenn sie mich dann überholen, sind sie immer wieder überrascht, wenn ich sage: Ich gehe und laufe immer langsamer, als ich kann.

Ich hoffe, ich habe noch eine lange Strecke vor mir und will meine Kräfte einteilen. Ich habe nicht vor faltenfrei zum Sarg zu „joggen“.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Dr. Christian Peter Dogs ist Psychiater und ärztlicher Psychother­apeut, war 30 Jahre Chefarzt verschiede­ner psychosoma­tischer Fachklinik­en (unter anderem der Panorama Fachklinik in Scheidegg), Coach für Unternehme­r und Manager der ersten Führungseb­ene. Das Buch „Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen“, das er zusammen mit der Stern-Redakteuri­n Nina Poelchau geschriebe­n hat, wurde zum Spiegelbes­tseller. Außerdem war er Kolumnist der Wirtschaft­swoche und des Stern. Ab sofort hat er auch in der LZ einen festen Platz. Online gibt es alle Teile der Kolumne unter: www.schwaebisc­he.de/dogs
Dr. Christian Peter Dogs: Psychiater, Arzt für Psychosoma­tik und Psychother­apeut.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Dr. Christian Peter Dogs ist Psychiater und ärztlicher Psychother­apeut, war 30 Jahre Chefarzt verschiede­ner psychosoma­tischer Fachklinik­en (unter anderem der Panorama Fachklinik in Scheidegg), Coach für Unternehme­r und Manager der ersten Führungseb­ene. Das Buch „Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen“, das er zusammen mit der Stern-Redakteuri­n Nina Poelchau geschriebe­n hat, wurde zum Spiegelbes­tseller. Außerdem war er Kolumnist der Wirtschaft­swoche und des Stern. Ab sofort hat er auch in der LZ einen festen Platz. Online gibt es alle Teile der Kolumne unter: www.schwaebisc­he.de/dogs Dr. Christian Peter Dogs: Psychiater, Arzt für Psychosoma­tik und Psychother­apeut.
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