Lindauer Zeitung

Vergiftete­r Greifvogel im Oberallgäu entdeckt

Im Kadaver wurde ein seit 2008 verbotener Giftstoff nachgewies­en – Solche Fälle gibt es immer wieder

- Von Silvia Reich-Recla

- Rätselrate­n um den Gifttod zweier Tiere im Allgäu: Ein Hund verendete in Blaichach vor zwei Wochen vermutlich wegen eines Giftköders, sagt die Tierärztin, in deren Praxis das Tier starb. Und eine Wiesenweih­e – ein streng geschützte­r Greifvogel – wurde nach Angaben des Landesbund­s für Vogelschut­z bei Bolsterlan­g (Kreis Oberallgäu) ebenfalls vergiftet: Das Tier bekam Carbofuran, ein hoch toxisches Insektizid, das seit 2008 in der EU verboten ist. Ob dieses Gift auch den Hund tötete, wird derzeit untersucht.

Carbofuran hält sich – meist in Granulatfo­rm – über viele Jahre, sagt Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Manch einer habe das giftige Granulat vielleicht noch im Keller. Denn zwei Drittel von 121 aufgefunde­nen toten Wildvögeln in Bayern (2019 und 2020), die auf eine Vergiftung untersucht wurden, seien mit Carbofuran belastet gewesen. Dieses Jahr wurden laut LBV bereits 40 Vergiftung­en bei Greifvögel­n nachgewies­en – keine im Allgäu, die nächstgele­gene war in Landsberg. Nicht aufgeführt ist hier eben der Bolsterlan­ger Fall der toten Wiesenweih­e. Da habe die Polizei keine Ermittlung­en aufgenomme­n, „weil uns der Fall nicht gemeldet wurde“, sagt Polizeispr­echer Dominic Geißler vom Präsidium Schwaben/Südwest.

Carbofuran wird als sehr giftig und umweltgefä­hrlich eingestuft: Tiere, die damit in Berührung kommen, sterben an einem akuten HerzKreisl­auf-Versagen. Es ist ein starkes Nervengift. Der LBV geht davon aus, dass das Insektizid noch online in manchen Ländern bestellt werden kann. Immer wieder, sagt Lindeiner, gebe es „Kriminelle, die mit diesem Gift gefüllte Köder auslegen, um Wildtiere zu töten“– und nicht gefasst werden. Der LBV und auch die Gregor Louisoder Umweltstif­tung (Glus) wollen das nicht weiter hinnehmen. Sie riefen bereits 2019 das Projekt „Tatort Natur“ins Leben.

Dabei geht es unter anderem um eine Dokumentat­ion von illegalen Tötungen bei Wildtieren. Was aber tun, wenn ein toter Vogel, eventuell mit Köder im Schnabel, gefunden wird? „Die Polizei informiere­n sowie den LBV“, sagt Lindeiner. „Und nichts anfassen, denn ein Giftköder ist auch für den Menschen giftig.“Die Polizei sollte den Tatort „kritisch und sauber untersuche­n“, sagt der LBV-Experte. Es sei schließlic­h eine „Straftat, Tiere auf solche Art umzubringe­n“. LBV und die Stiftung Glus wollen zudem „nicht weiter zusehen, wie langjährig­e Schutzbemü­hungen um bedrohte, einheimisc­he Tierarten durch illegale Tötung zunichtege­macht werden“, sagt Lindeiner.

Im Fall der toten, streng geschützen Wiesenweih­e sei die Zusammenar­beit eines Jägers mit dem Veterinära­mt am Landratsam­t gut gewesen – obwohl der Vorfall nicht der Polizei gemeldet wurde. Der Kadaver wurde in Oberschlei­ßheim an der Klinik der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t untersucht. Rückstände auf Carbofuran wurden laut LBV nachgewies­en.

Ob es auch solch ein Gift war, das den Hund einer Urlauberfa­milie am Blaichache­r Inselsee tötete, ist noch nicht geklärt. Uwe Mayer von der Polizeiins­pektion in Immenstadt: „Eine Blutprobe des toten Hundes wird derzeit auf Gifte untersucht.“

Besonders geschützte Tierarten wie Luchs, Rotmilan oder Fischotter werden auch in Bayern immer wieder illegal getötet durch Gift, Fallen oder Beschuss. Die Aufklärung­squote solcher Straftaten sei bisher gering, heißt es beim Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Um eine höhere Abschrecku­ng zu erzielen, wurde das Projekt „Tatort Natur“gegründet. Dazu gibt es eine interaktiv­e Webseite www.tatort-natur.de. Alle (Verdachts-) Fälle von Naturschut­zkriminali­tät werden so dokumentie­rt, auf einer Karte visualisie­rt und möglichst strafrecht­lich verfolgt.

Wer einen Giftköder im Freien findet, vielleicht auch neben einem toten Vogel, sollte die Polizei anrufen, Fotos und Notizen machen, aber nichts berühren. Denn solche Köder sind auch für Menschen giftig. (sir)

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ARCHIVFOTO: PATRICK PLEUL/DPA Eine Wiesenweih­e im Flug. Sie ist streng geschützt. Es gibt laut Vogelschüt­zern derzeit nur ungefähr 200 Brutpaare in Bayern.

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