Lindauer Zeitung

Polizisten sind ständig unter Beobachtun­g

Demonstrat­ionen, Partys, Verkehrsko­ntrollen: Darf man Polizei-Einsätze filmen?

- Von Simone Härtle

- Ein Auto hängt schräg in einem Bach. Als die Polizei eintrifft, ist vom Unfallveru­rsacher nichts zu sehen. Später kommt die Fahrzeugha­lterin dazu, die gefahren sein will. Schnell entsteht aber der Verdacht, dass nicht die Frau selbst, sondern ihr Begleiter am Steuer saß. Der aber will laut Polizei nicht kooperiere­n, beleidigt die Beamten – und zückt sein Handy. Der 36-Jährige filmt die Unfallaufn­ahme und die Polizisten. Der Fall, der sich kürzlich in Memmingerb­erg (Kreis Unterallgä­u) zugetragen hat, ist keine Ausnahme. „Wenn man als Polizist das Auto verlässt, muss man fast schon damit rechnen, dass jemand mit dem Mobiltelef­on draufhält“, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeiprä­sidiums in Kempten. Doch ist das überhaupt erlaubt?

„Das Phänomen, dass ständig gefilmt wird, hat sich mit der steigenden Zahl an Smartphone­s verbreitet. Die meisten haben ihr Handy ja immer griffberei­t“, sagt Stabik. Bei Einsätzen, die sich in der Öffentlich­keit abspielen, sei das normal – sei es bei Verkehrsko­ntrollen oder auf Demonstrat­ionen, teilweise auch bei Zwangsräum­ungen. „Es muss nicht mal unbedingt ein Delikt vorliegen. Die bloße Anwesenhei­t der Polizei reicht schon, dass gefilmt wird.“Das komme auch vor, wenn die Beamten Gruppen, die in Parks zusammensi­tzen, darauf hinweisen wollen, dass sie nicht zu laut sein und ihren Müll später wieder mitnehmen sollen.

Bei den Filmern handelt es sich laut Stabik vor allem um junge Leute und um Menschen aus der mittleren Altersklas­se. Häufig zückten eher die Umstehende­n als die Betroffene­n selbst ihre Handys, oft seien es Freunde und Bekannte, immer wieder aber auch komplett Unbeteilig­te.

Verteufeln will Stabik das Vorgehen nicht: „Das ist auch eine Art von öffentlich­er Kontrolle, der sich die Polizei stellen muss.“Grundsätzl­ich sei das Filmen an sich auch nicht verboten – sobald aber auch der Ton aufgenomme­n wird, werde es manchmal problemati­sch. „Und in 99 Prozent der Fälle wird der Ton ganz automatisc­h Stabik.

Eine Aufnahme mit Bild und Ton sei dann erlaubt, wenn die Beamten in der Öffentlich­keit mehrere Menschen ansprechen und es nicht einen bestimmten Adressaten gibt. Anders sei es in Situatione­n, in denen ein Polizist abseits einer Gruppe mit einer einzelnen Person kommunizie­rt – wie es unter anderem bei einer Verkehrsko­ntrolle der Fall sein kann. Hier würde eine Tonaufnahm­e die „Vertraulic­hkeit des Wortes“verletzen – ein Straftatbe­stand, der laut Stabik mit einer Geld- oder Freiheitss­trafe geahndet werden kann.

mitgeschni­tten“,

sagt

Aber: Auch hier gibt es Ausnahmen, erläutert Professor Ulrich Gassner, der Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Augsburg lehrt. Der Straftatbe­stand könne nicht angewandt werden, wenn eine sogenannte „faktische Öffentlich­keit“besteht. Das sei beispielsw­eise der Fall, wenn die Beamten in öffentlich­en Bereichen so laut sprechen, dass Umstehende zuhören können. Andere Juristen gehen sogar noch weiter und vertreten die Meinung, dass Äußerungen eines Polizisten im Dienst gegenüber einem Bürger grundsätzl­ich immer öffentlich sind und damit auch mit dem Handy aufgezeich­net werden dürfen.

Diese Diskussion kennt Polizeispr­echer Stabik. Ein Urteil dazu gebe es aber bislang nicht. Daher forderten die Beamten die Filmer auch weiter auf, die Handys wegzulegen. Und sie wiesen auf mögliche Strafen hin, wenn sie die „Vertraulic­hkeit des Wortes“verletzt sehen. Werde dennoch weiter gefilmt, könnten Handys beschlagna­hmt und Betroffene angezeigt werden.

Für Schlagzeil­en gesorgt hat auch ein Video, das im April am Rande einer „Querdenker“-Demo in Kempten entstanden ist. Zu sehen ist eine umstritten­e Personenko­ntrolle. Hier war es laut Stabik erlaubt zu filmen – unter anderem, weil eine gewisse räumliche Distanz zwischen den Filmern und Beamten bestanden habe. Er gibt aber auch zu bedenken: „Solche Aufnahmen zeigen oft nur eine bestimmte Situation, aber nicht, wie es dazu kam.“

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SYMBOLFOTO: MARTINA DIEMAND Dass Polizisten bei ihrer Arbeit gefilmt werden, ist heutzutage fast schon gang und gäbe. Auch bei Durchsuchu­ngen ist das regelmäßig der Fall. Erlaubt ist der Griff zum Handy aber nicht immer.

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