Polizisten sind ständig unter Beobachtung
Demonstrationen, Partys, Verkehrskontrollen: Darf man Polizei-Einsätze filmen?
- Ein Auto hängt schräg in einem Bach. Als die Polizei eintrifft, ist vom Unfallverursacher nichts zu sehen. Später kommt die Fahrzeughalterin dazu, die gefahren sein will. Schnell entsteht aber der Verdacht, dass nicht die Frau selbst, sondern ihr Begleiter am Steuer saß. Der aber will laut Polizei nicht kooperieren, beleidigt die Beamten – und zückt sein Handy. Der 36-Jährige filmt die Unfallaufnahme und die Polizisten. Der Fall, der sich kürzlich in Memmingerberg (Kreis Unterallgäu) zugetragen hat, ist keine Ausnahme. „Wenn man als Polizist das Auto verlässt, muss man fast schon damit rechnen, dass jemand mit dem Mobiltelefon draufhält“, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeipräsidiums in Kempten. Doch ist das überhaupt erlaubt?
„Das Phänomen, dass ständig gefilmt wird, hat sich mit der steigenden Zahl an Smartphones verbreitet. Die meisten haben ihr Handy ja immer griffbereit“, sagt Stabik. Bei Einsätzen, die sich in der Öffentlichkeit abspielen, sei das normal – sei es bei Verkehrskontrollen oder auf Demonstrationen, teilweise auch bei Zwangsräumungen. „Es muss nicht mal unbedingt ein Delikt vorliegen. Die bloße Anwesenheit der Polizei reicht schon, dass gefilmt wird.“Das komme auch vor, wenn die Beamten Gruppen, die in Parks zusammensitzen, darauf hinweisen wollen, dass sie nicht zu laut sein und ihren Müll später wieder mitnehmen sollen.
Bei den Filmern handelt es sich laut Stabik vor allem um junge Leute und um Menschen aus der mittleren Altersklasse. Häufig zückten eher die Umstehenden als die Betroffenen selbst ihre Handys, oft seien es Freunde und Bekannte, immer wieder aber auch komplett Unbeteiligte.
Verteufeln will Stabik das Vorgehen nicht: „Das ist auch eine Art von öffentlicher Kontrolle, der sich die Polizei stellen muss.“Grundsätzlich sei das Filmen an sich auch nicht verboten – sobald aber auch der Ton aufgenommen wird, werde es manchmal problematisch. „Und in 99 Prozent der Fälle wird der Ton ganz automatisch Stabik.
Eine Aufnahme mit Bild und Ton sei dann erlaubt, wenn die Beamten in der Öffentlichkeit mehrere Menschen ansprechen und es nicht einen bestimmten Adressaten gibt. Anders sei es in Situationen, in denen ein Polizist abseits einer Gruppe mit einer einzelnen Person kommuniziert – wie es unter anderem bei einer Verkehrskontrolle der Fall sein kann. Hier würde eine Tonaufnahme die „Vertraulichkeit des Wortes“verletzen – ein Straftatbestand, der laut Stabik mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann.
mitgeschnitten“,
sagt
Aber: Auch hier gibt es Ausnahmen, erläutert Professor Ulrich Gassner, der Öffentliches Recht an der Universität Augsburg lehrt. Der Straftatbestand könne nicht angewandt werden, wenn eine sogenannte „faktische Öffentlichkeit“besteht. Das sei beispielsweise der Fall, wenn die Beamten in öffentlichen Bereichen so laut sprechen, dass Umstehende zuhören können. Andere Juristen gehen sogar noch weiter und vertreten die Meinung, dass Äußerungen eines Polizisten im Dienst gegenüber einem Bürger grundsätzlich immer öffentlich sind und damit auch mit dem Handy aufgezeichnet werden dürfen.
Diese Diskussion kennt Polizeisprecher Stabik. Ein Urteil dazu gebe es aber bislang nicht. Daher forderten die Beamten die Filmer auch weiter auf, die Handys wegzulegen. Und sie wiesen auf mögliche Strafen hin, wenn sie die „Vertraulichkeit des Wortes“verletzt sehen. Werde dennoch weiter gefilmt, könnten Handys beschlagnahmt und Betroffene angezeigt werden.
Für Schlagzeilen gesorgt hat auch ein Video, das im April am Rande einer „Querdenker“-Demo in Kempten entstanden ist. Zu sehen ist eine umstrittene Personenkontrolle. Hier war es laut Stabik erlaubt zu filmen – unter anderem, weil eine gewisse räumliche Distanz zwischen den Filmern und Beamten bestanden habe. Er gibt aber auch zu bedenken: „Solche Aufnahmen zeigen oft nur eine bestimmte Situation, aber nicht, wie es dazu kam.“