Stromgipfel mahnt zur Eile
Ministerpräsident Söder und Wirtschaftsminister Altmaier wollen Energiewende vorantreiben
- Regierungspolitik und Wirtschaft waren sich bei einem Stromgipfel am Montag in der bayerischen Staatskanzlei einig: So gemächlich wie bisher darf es bei der Energiewende nicht weitergehen. Unter Zuschaltung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor allem beim Bau von Stromtrassen Druck: „Wir werden Stromleitungen brauchen, und zwar schneller als bisher.“
Derzeit brauche es 16 Jahre, bis eine Stromtrasse quer durch Deutschland gezogen sei, sagte Altmaier. Dieser Zeitraum müsse halbiert werden. Auf ein Drittel reduziert, wäre noch besser, meinte Söder. Beide Unionspolitiker sprachen sich für deutlich zügigere Genehmigungsverfahren aus – ohne dass die Bürgerbeteiligung auf der Strecke bleibe, betonte Söder. Auch Pipelines für „grünen“Wasserstoff würden benötigt.
Die bayerische „Solaroffensive“soll nach dem Willen Söders noch erheblich an Fahrt gewinnen. Vervielfachen soll sich die Fläche von Photovoltaikanlagen auf staatlichen Gebäuden, verdoppeln die Förderung privater Anlagen dieser Art. Und über eine Pflicht zur Installation von Solaranlagen bei Neubauten müsse man auch reden, aber erst nach der Bundestagswahl, so der bayerische Regierungschef.
Die umstrittene bayerische 10HAbstandsregel für Windkraftanlagen „bleibt“, betonte Söder, deutete dann aber doch Aufweichungen an, nämlich beim „Repowering“alter Anlagen sowie im Staatswald und auf „Vorrangflächen“. Ziel sei der Zubau von 500 weiteren Windrädern in Bayern. Das halten Klimaschützer für viel zu wenig, und auch Vertreter der Wirtschaft deuteten vorsichtig Nachbesserungsbedarf an: „Die 10H-Regel anzupassen wäre nicht schlecht“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).
Voll einig war man sich beim Druck aufs Gaspedal. Mit der Energiewende „muss und wird es schneller vonstatten gehen“, versprach Bundeswirtschaftsminister
Altmaier, wohl wissend, dass am 26. September ein neuer Bundestag gewählt wird. Auch die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung müsse genutzt werden, um die Energiewende voranzubringen, so Altmaier.
Wohlwollend vernahmen die Wirtschaftsvertreter aus dem Munde des scheidenden Bundesministers, dass die EEG-Umlage schon zum 1. Januar 2022 „deutlich“sinken werde. Ziel sei es, die Umlage bis 2025 komplett abzuschaffen. Söder erneuerte die gemeinsame Forderung der bayerischen Politik und Wirtschaft, die Stromsteuer auf den in der EU vorgegebenen Mindestsatz zu senken.
Die Debatte um die noch langen Laufzeiten für Kohlekraftwerke wischte Altmaier vom Tisch: Diese Anlagen würden wegen der steigenden Kosten aus dem Emissionshandel „von sich aus“früher vom Netz gehen.
Auch der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Klaus Josef Lutz, mahnte zur Eile: „Wir müssen Gas geben.“Außerdem müsse man sich überlegen, wie man – etwa mit Überbrückungshilfen – Unternehmen unter die Arme greifen könnte, die durch die Klimaschutzvorgaben der EU unter Druck gerieten, so der BayWaVorstandschef. Diese Betriebe könnten bei der Bankenfinanzierung „in Schwierigkeiten geraten“.
Der Präsident des Bayerischen Handwerkstags, Franz Xaver Peteranderl, pochte auf Bezahlbarkeit des Stromes auch für kleine und mittlere Unternehmen. Das Handwerk trage Ausnahmegenehmigungen für Großverbraucher mit, was aber nicht bedeute, dass man es in Zukunft stärker belasten könne.
Im Vorfeld des Stromgipfels hatten die Grünen im bayerischen Landtag grundsätzliche Kritik an der bayerischen Energiepolitik geübt. Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann vertrat in einem Gespräch mit unserer Redaktion die Ansicht, die Staatsregierung schade mit ihrem inkonsequenten Kurs auch den Interessen der bayerischen Wirtschaft und riskiere, dass sich der Strom im Freistaat verteuere.