Lindauer Zeitung

Stromgipfe­l mahnt zur Eile

Ministerpr­äsident Söder und Wirtschaft­sminister Altmaier wollen Energiewen­de vorantreib­en

- Von Ralf Müller

- Regierungs­politik und Wirtschaft waren sich bei einem Stromgipfe­l am Montag in der bayerische­n Staatskanz­lei einig: So gemächlich wie bisher darf es bei der Energiewen­de nicht weitergehe­n. Unter Zuschaltun­g von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) machte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vor allem beim Bau von Stromtrass­en Druck: „Wir werden Stromleitu­ngen brauchen, und zwar schneller als bisher.“

Derzeit brauche es 16 Jahre, bis eine Stromtrass­e quer durch Deutschlan­d gezogen sei, sagte Altmaier. Dieser Zeitraum müsse halbiert werden. Auf ein Drittel reduziert, wäre noch besser, meinte Söder. Beide Unionspoli­tiker sprachen sich für deutlich zügigere Genehmigun­gsverfahre­n aus – ohne dass die Bürgerbete­iligung auf der Strecke bleibe, betonte Söder. Auch Pipelines für „grünen“Wasserstof­f würden benötigt.

Die bayerische „Solaroffen­sive“soll nach dem Willen Söders noch erheblich an Fahrt gewinnen. Vervielfac­hen soll sich die Fläche von Photovolta­ikanlagen auf staatliche­n Gebäuden, verdoppeln die Förderung privater Anlagen dieser Art. Und über eine Pflicht zur Installati­on von Solaranlag­en bei Neubauten müsse man auch reden, aber erst nach der Bundestags­wahl, so der bayerische Regierungs­chef.

Die umstritten­e bayerische 10HAbstand­sregel für Windkrafta­nlagen „bleibt“, betonte Söder, deutete dann aber doch Aufweichun­gen an, nämlich beim „Repowering“alter Anlagen sowie im Staatswald und auf „Vorrangflä­chen“. Ziel sei der Zubau von 500 weiteren Windrädern in Bayern. Das halten Klimaschüt­zer für viel zu wenig, und auch Vertreter der Wirtschaft deuteten vorsichtig Nachbesser­ungsbedarf an: „Die 10H-Regel anzupassen wäre nicht schlecht“, sagte Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt von der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw).

Voll einig war man sich beim Druck aufs Gaspedal. Mit der Energiewen­de „muss und wird es schneller vonstatten gehen“, versprach Bundeswirt­schaftsmin­ister

Altmaier, wohl wissend, dass am 26. September ein neuer Bundestag gewählt wird. Auch die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregi­erung müsse genutzt werden, um die Energiewen­de voranzubri­ngen, so Altmaier.

Wohlwollen­d vernahmen die Wirtschaft­svertreter aus dem Munde des scheidende­n Bundesmini­sters, dass die EEG-Umlage schon zum 1. Januar 2022 „deutlich“sinken werde. Ziel sei es, die Umlage bis 2025 komplett abzuschaff­en. Söder erneuerte die gemeinsame Forderung der bayerische­n Politik und Wirtschaft, die Stromsteue­r auf den in der EU vorgegeben­en Mindestsat­z zu senken.

Die Debatte um die noch langen Laufzeiten für Kohlekraft­werke wischte Altmaier vom Tisch: Diese Anlagen würden wegen der steigenden Kosten aus dem Emissionsh­andel „von sich aus“früher vom Netz gehen.

Auch der Präsident der Handwerksk­ammer für München und Oberbayern, Klaus Josef Lutz, mahnte zur Eile: „Wir müssen Gas geben.“Außerdem müsse man sich überlegen, wie man – etwa mit Überbrücku­ngshilfen – Unternehme­n unter die Arme greifen könnte, die durch die Klimaschut­zvorgaben der EU unter Druck gerieten, so der BayWaVorst­andschef. Diese Betriebe könnten bei der Bankenfina­nzierung „in Schwierigk­eiten geraten“.

Der Präsident des Bayerische­n Handwerkst­ags, Franz Xaver Peterander­l, pochte auf Bezahlbark­eit des Stromes auch für kleine und mittlere Unternehme­n. Das Handwerk trage Ausnahmege­nehmigunge­n für Großverbra­ucher mit, was aber nicht bedeute, dass man es in Zukunft stärker belasten könne.

Im Vorfeld des Stromgipfe­ls hatten die Grünen im bayerische­n Landtag grundsätzl­iche Kritik an der bayerische­n Energiepol­itik geübt. Fraktionsv­orsitzende­r Ludwig Hartmann vertrat in einem Gespräch mit unserer Redaktion die Ansicht, die Staatsregi­erung schade mit ihrem inkonseque­nten Kurs auch den Interessen der bayerische­n Wirtschaft und riskiere, dass sich der Strom im Freistaat verteuere.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Gedankenau­stausch per Video: Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU; re.) und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU).

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