Lindauer Zeitung

Aus Kabul nach Oberfranke­n

Rund 100 aus Afghanista­n gerettete Menschen finden vorerst in Bamberg einen sicheren Unterschlu­pf

- Von Gregor Bauernfein­d

(dpa) - Sayed H., seine Frau Zakia und ihre beiden kleinen Kinder haben vor wenigen Tagen noch an einem der gefährlich­sten Orte der Welt gelebt. Nun hat die aus Kabul gerettete Familie in Oberfranke­n Unterschlu­pf gefunden. Um Verwandte in Afghanista­n macht sich der 27-Jährige aber weiter Sorgen: „Wenn die Taliban das herausfind­en, dass deren Sohn für die Deutschen gearbeitet hat – die werden sie nicht in Ruhe lassen“, sagte Sayed H. am Montag in seiner neuen – und vorübergeh­enden – Bleibe im Ankerzentr­um Bamberg mit Blick auf seine Eltern. Er sei als Offizier vier Jahre lang von der Bundeswehr ausgebilde­t worden und habe afghanisch­en Streitkräf­ten Sprachunte­rricht gegeben.

Sayed H. ist einer von 98 aus Afghanista­n geretteten Männern, Frauen und Kindern, die seit vergangene­m Donnerstag in Bamberg untergebra­cht sind. „Die Evakuierte­n sind jetzt in Sicherheit“, sagte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Montag in der Ankereinri­chtung. Bei den Evakuierte­n handelt es sich um 21 Familien und sieben Einzelpers­onen. 46 der Geretteten sind minderjähr­ig, 23 sind Kinder unter sechs Jahren. Alle seien nach ihrer Ankunft am Frankfurte­r Flughafen und in Bamberg auf das Coronaviru­s getestet worden, alle Tests seien negativ ausgefalle­n, sagte Herrmann.

Bei sieben der Afghanen steht laut einem Ministeriu­mssprecher bereits fest, dass sie als Ortskräfte gelten. Inklusive ihrer Familienan­gehörigen haben damit 24 Personen eine Aufnahmezu­sage.

Bei weiteren Geretteten müsse noch geprüft werden, ob es sich um ehemalige Ortskräfte oder sonst schutzbedü­rftige Personen handle. Auch bei Sayed H. stand diese Überprüfun­g noch aus.

Elf Tage lang hatte die Bundeswehr unter extrem gefährlich­en Bedingunge­n mehr als 530 Deutsche, rund 4400 Afghanen und 360 Schutzsuch­ende aus mehr als 40 weiteren Ländern aus Afghanista­n ausgefloge­n. Insgesamt könnten laut Herrmann rund 700 oder 800 der geretteten Afghanen in den Freistaat kommen. „Es kann keine Rede davon sein, dass wir in unserer Aufnahmefä­higkeit an unsere Grenzen stoßen würden“, sagte der Innenminis­ter.

„Wir empfangen sie mit offenen Armen“, sagte der Bamberger Oberbürger­meister Andreas Starke (SPD) mit Blick auf die 98 fürs Erste in der Stadt untergebra­chten Menschen. Sayed H. sagte: „Wir sind glücklich und sehr froh, dass wir raus aus Afghanista­n sind. Man hatte Angst, wirklich schrecklic­he Angst.“

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FOTO: DPA Innenminis­ter Joachim Herrmann (re.) in Bamberg mit Sayed H. (3. v. r., mit Frau und Kindern).

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