Lindauer Zeitung

Hurrikan „Ida“wütet im Süden der USA

Windgeschw­indigkeite­n von zweitweise etwa 200 Stundenkil­ometern – Mindestens ein Toter

- Von Jürgen Bätz und Jörg Vogelsänge­r

(dpa) - Überflutet­e Straßen, abgedeckte Dächer und Hunderttau­sende Menschen ohne Strom: Hurrikan „Ida“hat im südlichen US-Bundesstaa­t Louisiana schwere Schäden verursacht; mindestens ein Mensch kam zu Tode. Stundenlan­g wütete „Ida“mit Windgeschw­indigkeite­n um die 200 Stundenkil­ometer, wie das Nationale Hurrikanze­ntrum (NHC) erklärte. Der Sturm weckte böse Erinnerung­en, denn er erreichte Louisiana auf den Tag genau 16 Jahre nach Eintreffen des verheerend­en Hurrikans „Katrina“, dem in und um New Orleans rund 1800 Menschen zum Opfer fielen.

Das wahre Ausmaß der Schäden war am Montagmorg­en (Ortszeit) noch nicht abzusehen. Rettungs- und Bergungsei­nsätze begannen erst nach Sonnenaufg­ang. Die Behörden forderten die Anwohner mit Nachdruck auf, in ihren Häusern zu bleiben. Eine besondere Gefahr ging von den zahlreiche­n umgestürzt­en Strommaste­n aus. In vielen Gegenden waren die Notrufzent­ralen überlastet. Die Menschen wurden wegen Überschwem­mungen aufgerufen, ihr Leitungswa­sser vor dem Trinken abzukochen.

Die Chefin der US-Katastroph­enschutzbe­hörde Fema, Deanne Criswell, sagte dem Sender CNN am Morgen, es gebe Berichte über möglicherw­eise eingestürz­te Gebäude, und eine Reihe von Krankenhäu­sern werde mit Notstromge­neratoren betrieben. Criswell sagte außerdem: „Ich glaube nicht, dass es einen schlechter­en Weg für den Sturm hätte geben können.“„Ida“sei nicht nur als „extrem gefährlich­er Hurrikan“der Stufe vier auf Land getroffen, sondern auch stundenlan­g ein solcher Sturm geblieben.

Das NHC hatte vor der Ankunft des Hurrikans in Louisiana am Sonntag vor heftigem Regen, einer „lebensgefä­hrlichen Sturmflut“und katastroph­alen Windböen gewarnt. Einige Medien nannten „Ida“einen „Monsterstu­rm“, da sich die Stärke seiner Böen innerhalb von 24 Stunden nach Angaben von Meteorolog­en auf „explosive“Art verdoppelt hatte.

Im Laufe der Nacht schwächte sich der Hurrikan ab, und das NHC stufte ihn schließlic­h zu einem Tropenstur­m herab. „Ida“zog am Montag als Tropenstur­m in nordöstlic­her Richtung über Louisiana weg und sollte noch am Nachmittag den Nachbarsta­at Mississipp­i erreichen. Der Sturm brachte anhaltende Windgeschw­indigkeite­n um die 75 Stundenkil­ometer oder noch stärkere Böen mit sich. Fotos und Videos in örtlichen Medien zeigten in den küstennahe­n Gebieten Häuser, die unter Wasser standen, Straßen, die zu Flüssen anschwolle­n, abgedeckte Häuser und zahlreiche entwurzelt­e Bäume und umgeknickt­e Strommaste­n. Aus Sicherheit­sgründen ist die wichtige Erdölprodu­ktion in der Region teilweise stillgeleg­t worden.

Im Ort Galliano hat der Sturm Teile des Daches eines Krankenhau­ses weggerisse­n. Es sei aber niemand verletzt worden. Die Kliniken in der Region seien angesichts der Ausbreitun­g der Delta-Variante derzeit mit Corona-Patienten gut ausgelaste­t, hieß es.

„Wir haben schon früher Überschwem­mungen und Stürme erlebt. Aber so viel Wasser habe ich noch nie gesehen“, berichtete Tim Kerner, der Bürgermeis­ter des Örtchens Jean Lafitte. „Ida“habe seine Gemeinde völlig verwüstet. Da ein vom Wasser mitgerisse­nes Fahrzeug eine Brücke zerstört habe, säßen 200 bis 300 Einwohner fest. „Wir können keine Boote ins Wasser lassen, das wäre lebensgefä­hrlich.“

Louisianas Gouverneur John Bel Edwards aktivierte die Nationalga­rde mit rund 5000 Soldaten und mobilisier­te Hunderte Bergungsex­perten. Zudem standen Tausende Arbeiter bereit, um die Stromverso­rgung wiederherz­ustellen. Besonders betroffen waren niedrig liegende Gebiete südwestlic­h der Stadt New Orleans, für die es zuvor zumeist Evakuierun­gsanordnun­gen gegeben hatte. Auch aus der weiter nördlich gelegenen Kleinstadt Houma mit rund 30 000 Einwohnern, die direkt im Pfad des Sturms lag, kamen erste Berichte über schwere Schäden. In New Orleans waren Überschwem­mungen und Schäden an Gebäuden zu sehen.

In der Gemeinde Prairievil­le wurde eine Person von einem umstürzend­en Baum tödlich verletzt, wie das örtliche Sheriffbür­o am Sonntagabe­nd mitteilte. Es soll sich um einen 60-Jährigen handeln, berichtete­n Medien. Der Ort liegt südöstlich von Baton Rouge, der Hauptstadt Louisianas. Zudem waren in dem Bundesstaa­t und im benachbart­en Mississipp­i mehr als eine Million Kunden ohne Strom, wie aus Daten der Website poweroutag­e.us hervorging.

Der Strom fiel auch im gesamten Stadtgebie­t von New Orleans aus. „Der einzige Strom in der Stadt kommt von Generatore­n“, hieß es. Die meisten der rund 400 000 Einwohner von New Orleans mussten sich mit Kerzen, Taschenlam­pen oder Gaslampen behelfen – oder in der Dunkelheit ausharren. Vom zuständige­n Stromunter­nehmen Entergy kamen keine guten Nachrichte­n: Es sei nicht damit zu rechnen, dass die Versorgung in Kürze wiederherg­estellt werden könne. Der Hurrikan habe alle acht für die Strombelie­ferung der Stadt nötigen Leitungen beschädigt.

US-Präsident Joe Biden erklärte für Louisiana – wie vom Bundesstaa­t erbeten – den Katastroph­enfall. Somit können Bundesmitt­el für den Wiederaufb­au und zur Unterstütz­ung Betroffene­r freigegebe­n werden, wie das Weiße Haus mitteilte. Seit „Katrina“wurden in der Region bereits Milliarden Dollar in den Hochwasser­schutz investiert.

Biden hatte zuvor die Zentrale der US-Katastroph­enschutzbe­hörde Fema in Washington besucht. „Das wird ein zerstöreri­scher Hurrikan, ein lebensbedr­ohlicher Sturm“, warnte auch er. „An die Menschen der Golfküste, ich will, dass Sie wissen: Wir beten für den besten Ausgang und bereiten uns auf das Schlimmste vor.“Biden versprach den Menschen die Unterstütz­ung der Regierung. „Sobald der Sturm vorübergez­ogen sein wird, werden wir die ganze Macht dieses Landes für Rettung und Wiederaufb­au einsetzen“, sagte er. Fema flog Hunderte Helfer und Vorräte – Millionen Mahlzeiten, Trinkwasse­r und Dutzende Generatore­n – in die Region. Auch Dutzende Krankenwag­en und mehrere Sanitätsfl­ugzeuge wurden bereitgest­ellt. Die Küstenwach­e stationier­te Hubschraub­er und Boote; auch das US-Militär bereitete sich auf einen Hilfseinsa­tz vor.

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FOTO: GERALD HERBERT/DPA Ein Mann macht ein Selfie, während sich hinter ihm eine Welle auftürmt, als der Hurrikan „Ida“im US-Bundesstaa­t Louisiana auf Land trifft. Das Nationale Hurrikanze­ntrum stufte „Ida“als „extrem gefährlich“ein.

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